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Spore-Haus in Berlin-Neukölln: Zerstörtes Wissen
Eine Ausstellung zeigt, wie tradiertes Wissen über Ökologie durch den Kolonialismus verloren ging
Das Gebäude versinnbildlicht eine Mischung aus Modernität und Nachhaltigkeit: Gemütliche Sofas wechseln sich in den hellen Räumlichkeiten mit Holzgestellen ab. Plötzlich hört man Vögel. Sie gehören zu einer Installation in der Mitte des Raumes. In den Filmen und Kunstinstallationen, die sich sowohl in einem kleineren Raum im Parterre als auch in zwei großen Räumen im ersten Stockwerk finden lassen, geht es um Klimagerechtigkeit, ökologische Regeneration und um die Ausbeutung des Globalen Südens. Sie werden abwechselnd auf Deutsch, Englisch und Spanisch vorgeführt.
Das im August eröffnete Spore-Haus an der Hermannstraße in Neukölln will neue Perspektiven auf Ökologie in indigenen Gesellschaften bieten. »Das Spore-Haus ist eine Plattform für Austausch und gegenseitiges Lernen«, heißt es auf der Webseite des Hauses. Neben der Ausstellung werden Workshops und Diskussionsveranstaltungen angeboten, auch ein pädagogisches Brettspiel wurde hier entwickelt. An dem Projekt wirken nicht nur Kulturwissenschaftler*innen, sondern auch Biolog*innen und Ernährungswissenschaftler*innen mit. Die Veranstaltungen sind grundsätzlich kostenlos.
In den Filmen kommen Menschen zu Wort, die auf der Halbinsel Yucatán in Mexiko leben. Es sind indigene Intellektuelle wie Pedro Uc Be oder Aktivist*innen der Escuela de Agricultura Ecológia U Yits Ka’an, einer Schule für ökologische Landwirtschaft. Viele der Menschen, die über das indigene Wissen berichten, sind Frauen.
Sie erzählen, wie in den indigenen Gesellschaften Wetter- und Naturphänomene beobachtet wurden, wie aus der Art des Windes, dem Wellenschlag im Fluss oder aus bestimmten Wetterformationen Rückschlüsse auf bevorstehendes Wettergeschehen gezogen wurden. Der Zeitpunkt der Aussaat konnte so gegebenenfalls verschoben werden.
Ein solches Wissen über Natur und Wetter existierte in vielen landwirtschaftlichen Gesellschaften. Es stimmt, dass dieses Wissen in einer Gesellschaft verloren gegangen ist, in der sich Menschen kaum noch in der Natur, sondern fast nur noch in klimatisierten Räumen aufhalten.
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Allerdings wird im Spore-Haus die Zerstörung des indigenen Wissens fast ausschließlich mit der Geschichte der Kolonisierung in Verbindung gebracht – und dann oft eher Naturmystik statt Wissenschaft vermittelt. Das zeigt sich in einer Installation, die ein blutendes Seil darstellt. Diese rekurriert auf einen indigenen Mythos, nach dem Kosmos und Erde mit einem Seil zusammengehalten werden. Ein Stück dieses alten Seils sei von Frauen wie ein wertvolles Heiligtum gehütet worden. Die Kolonisatoren hätten auf der Suche nach Goldschätzen das Seil durchschnitten, das seitdem eine blutende Wunde habe.
Es fällt auf, dass bei aller Kritik an Kolonialismus und dem Umgang mit der Umwelt kapitalismuskritische Töne kaum zu finden sind. Dafür werden Beispiele für ein anderes Leben im Kapitalismus vorgestellt, zum Beispiel der Erhalt traditioneller Saatgutsorten oder Bienenarten.
Erzählen und Zuhören, das sind zwei der Schlüsselworte im Spore-Haus. »Für mich ist es ein Raum, in dem ich Geschichten über eine Kultur höre, die durch unsere kolonialistische Lebensweise zerstört wurde«, sagt Miriam. »Dabei könnte sie uns gerade jetzt helfen.« Die Kulturwissenschaftsstudentin kommt oft ins Spore-Haus. Sie trifft sich mit Freund*innen im Café, wo natürlich alles aus nachhaltiger Produktion stammt und die Preise trotzdem moderat bleiben.
So wie Miriam haben viele junge Menschen das Spore-Haus als Treffpunkt entdeckt. Das Haus könnte sich sogar zu einem der Zentren entwickeln, in denen Klimaaktivist*innen auf Antikolonialist*innen treffen. Vielleicht stoßen sie auch auf die Bücher der Bielefelder Schule, einer feministischen Strömung, aus der bereits in den 80er Jahren unter anderem auf Grundlage von Forschungen in Yucatán eine ökofeministische Gesellschaftskritik hervorging.
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