Gewächshaus auf der A100

Eine Ausstellung im Berliner Museum für Kommunikation setzt der Klimakrise Hoffnung entgegen

  • Merrin Chalethu
  • Lesedauer: 5 Min.
Blick auf die Berliner Skyline in einer real-utopischen Zukunftsvision
Blick auf die Berliner Skyline in einer real-utopischen Zukunftsvision

Ein geschocktes Erdmännchen, ein aufgescheuchtes Huhn und fleißige Bienen – was nach Kinderbuch klingt, sind Gefühlstypen, die durch die Klimakrise entstehen. Das Berliner Museum für Kommunikation zeigt die in Frankfurt am Main konzipierte Ausstellung »Klima_X – Warum tun wir nicht, was wir wissen?«. Die Ausstellung zur Klimakrise, die im September 2023 in Berlin gestartet ist, geht auf Fakten, Emotionen, Entwicklungen und Zukunftsszenarien der Klimakrise ein.

Museumssprecherin Sigrid Kohn hat sich sehr gefreut, die Ausstellung in Berlin betreuen zu dürfen, wie sie »nd« erzählt. Seit der Eröffnung der Ausstellung hätten schon rund 22 000 Menschen die Ausstellung besucht. Die Idee, eine Ausstellung zur Klimakommunikation zu machen, hat die freie Kuratorin Katja Weber in einer vielseitigen Aufmachung umgesetzt. »Bisher gab es in der Klimakommunikation viel katastrophenartige Berichterstattung, zu wenig Entlarvung falscher Aussagen und zu fern-abstrakte Bilder wie die des Eisbären«, erzählt Weber. Das führe zu einer Lähmung. Wichtig in der Klimakommunikation sei es hingegen, »mögliche gute Zukunftsszenarien aufzuzeigen. Man braucht einen Nordstern, um sich kollektiv darauf ausrichten zu können.«

Mit dem Standortwechsel nach Berlin integriert die Ausstellung Bezüge zur Hauptstadt. So lässt sich in Erfahrung bringen, wie die blau bis roten Warming Stripes, die langfristige Temperaturverläufe farblich und zeitlich visualisieren, für Berlin aussehen oder wie sich geografische Durchschnittswerte in der Region über die Jahre verändert haben und sich verändern werden. Dazu werden klimatische Vergleiche über Zeitperioden angestellt: Das heutige Berliner Klima entspricht demnach inzwischen den Werten des weiter südlich gelegenen Karlsruhe in der Zeit von 1961 bis 1990. Ändert die Welt nichts an der aktuellen Klimapolitik, ist damit zu rechnen, dass sich das Berliner Klima bis zum Ende des Jahrhunderts dem aktuellen Klima der italienischen Abruzzen östlich von Rom annähern wird. »Die Besucher*innen sollen wissen, was lokal passiert und wo sie selbst mitwirken können«, sagt Weber.

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Ziel sei es auch gewesen, möglichst viele Menschen durch unterschiedliche Arten der Aufbereitung anzusprechen. Die Ausstellung möchte abstrakte Fakten erfahrbar machen. Auf einem Tresen stehen unterschiedlich bebilderte Dosen. Dosen mit Apfel- oder Karottenbildern lassen sich leicht anheben. Bei denen, die tierische Produkte symbolisieren, ist das hingegen mühevoll. Die Dosen stellen den CO2-Ausstoß dieser Produkte dar.

Auffällig ist die interaktive Gestaltung: Die Ausstellung zur Klimakrise animiert die Besucher*innen, einen Moment innezuhalten und über sich selbst nachzudenken. Sie ist jedoch keineswegs negativ konzipiert, was vor allem in den letzten Räumen deutlich wird. Beeindruckend ist unter anderem die Zeitachse rund um das Thema Klima und Umweltschutz, die schon 1824 mit der Entdeckung des Treibhauseffekts beginnt. An Fallbeispielen werden verschiedene Phänomene wie Greenwashing, Medienaufmerksamkeit oder Demonstrationen demonstriert. Ein Teil der Ausstellung geht auf den Ausstellungsstandort Berlin ein und bezieht sich auf das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK 2030) des Berliner Senats – Ziele, Erfolge und Engagement werden veranschaulicht.

Die Klimakrise ist aber weitaus mehr, als über wissenschaftliche Fakten oder durch politische Aktionen deutlich wird. Die Klimakrise ist auch, was wir persönlich damit machen – und was sie mit uns macht. Besucher*innen können zum Beispiel herausfinden, welches Klimatier sie sind, basierend darauf, wie sie auf Bilder der Klimakrise reagieren. Die bisherigen Teilnehmer*innen scheinen sich vor allem mit dem Erdmännchen in Schockstarre zu identifizieren. Das Huhn hingegen steht für die Emotion der panischen Überforderung und die Biene für Tatkräftigkeit.

Um mögliche Lösungen aufzuzeigen, diskutiert die Ausstellung jüngere und ältere Protestbewegungen. Da gibt es nicht nur Informationen zu Fridays for Future oder der Letzten Generation, sondern auch zu Bewegungen, die nicht zwingend an die Klimakrise gekoppelt sind. So die Bewegung für Rauchverbote, die sich gegen die mächtige Tabaklobby durchsetzen musste. Ein Rauchverbot in Innenräumen einzuführen, war trotz guter Faktenlage schwierig. Ähnliches gilt für die Frauenbewegung, die sich das Frauenwahlrecht mühsam erstreiten musste – das, was heute als normal betrachtet wird, musste früher hart erkämpft werden. »Veränderung kam immer von Einzelpersonen, die die Politik unter Druck gesetzt haben. Diese Beispiele sollen das veranschaulichen«, sagt Weber.

Verdeutlicht wird die optimistische Sichtweise auch im Raum der realutopischen Zukunftsvisionen. Die Leitfrage lautet hier: »Was wäre, wenn wir nicht scheitern?« Schließlich hätten wir »genug Scheiterszenarien. Wir brauchen Hoffnung«, sagt Weber dazu.

Besucher*innen telefonieren im letzten Teil mit fiktionalen Einzelpersonen aus dem Jahr 2045, die vom Vergangenen erzählen. So berichtet eine Frau, die aus dem Globalen Süden fliehen musste und inzwischen in Berlin wohnt, von der Ungerechtigkeit der Klimakrise. In Berlin hätte sie aber einen spannenden Job und arbeite in einem riesigen Gewächshaus, das auf dem Gebiet der alten Stadtautobahn gebaut wurde – die Morgenfarm Berlin. Im Jahr 2045 wächst auf der ehemaligen Stadtautobahn regionales Gemüse. Am Ende sagt sie: »Ja, die Zeiten werden noch schwer genug, die vor Ihnen liegen. Und dann wird es irgendwann besser werden.« Damit kann die Besucher*in die Ausstellung mit einem positiven Gefühl verlassen. Weber wünscht sich genau das: »Besucher*innen sollen sich nach der Ausstellung motiviert fühlen. Die Botschaft soll lauten, dass es sich lohnt, selbst aktiv zu werden.«

Die Ausstellung »Klima_X – Warum tun wir nicht, was wir wissen?« ist bis September 2024 im Berliner Museum für Kommunikation zu sehen.

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