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Lachszucht: Gefahr für die wilden Verwandten
Expandierende Fischzuchten setzen den Atlantischen Lachsbeständen zu
Anlässlich der Weltklimakonferenz in Dubai legte die Weltnaturschutzunion (IUCN) Anfang Dezember eine aktuelle Version der Roten Liste der bedrohten Arten vor. Ihr zufolge sind rund 15 000 Süßwasserfischarten bedroht, davon 17 Prozent durch Wassermangel in den Flüssen. Weitere Ursachen sind verschobene Jahreszeiten sowie ein steigender Meeresspiegel, der Salzwasser in die Flussmündungen drückt, aber auch eine verschmutzte Umwelt.
Als potenziell gefährdet gilt unter anderem der Atlantische Lachs (Salmo salar). So schrumpfte die weltweite Population allein zwischen 2006 und 2020 um 23 Prozent. In Europa sind die Lachsbestände schon länger gefährdet. Die Gründe sind vielfältig: Zum einen breiten sich immer mehr invasive Arten aus. Die können vor allem den Jungfischen gefährlich werden – wie etwa der aus dem Pazifik nach Nordeuropa einwandernde Buckellachs (Oncorhynchus gorbuscha). Gleichzeitig finden die Fische immer weniger Beutetiere.
Ein weiterer Grund hängt damit zusammen, dass der Atlantische Lachs in Flüssen geboren wird, um danach ins Meer zu wandern. Doch den jungen Lachsen wird der Weg zu den Laichgründen an den Fussoberläufen erschwert durch den Bau von immer mehr Staudämmen für Wasserkraftwerke.
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Zudem bedroht die Lachslaus (Lepeophtheirus salmonis), ein Krustentier, das sich vor allem in Zuchtfarmen von der Haut und dem Blut der Fische ernährt, inzwischen auch wilde Lachse. Auch Viren und Bakterien können Lachse befallen.
Aus der Zucht entflohen
Im vergangenen Sommer entkamen 3500 ausgewachsene Lachse aus einer Zuchtanlage von Arctic Fish im isländischen Patreksfjördur. Zwar waren bereits früher einzelne Exemplare aus Lachsfarmen in Flüsse gelangt. Doch nun, seit immer mehr norwegische Lachszüchter nach Island expandieren, erreichen die Ausbrüche eine neue Dimension. Das liegt auch an den fehlenden Kontrollen: Die Netze müssten eigentlich wöchentlich inspiziert werden. Doch in oben genannter Anlage wurden drei Monate lang keine Kontrollen mehr durchgeführt, bevor die Löcher entdeckt wurden. Mittlerweile jagen norwegische Harpunenfischer in der Region von Isafjördur und in den ganzen Westfjorden entflohene Zuchtfische. So konnten Zuchtlachse, die aus einer Farm aus einem mehr als 100 Kilometer entfernt gelegenen Fjord in einen Fluss entwichen waren, wieder eingefangen werden.
Seit dem Ausbruch bei Arctic Fish im Sommer wurden offiziell 500 Zuchtlachse aus verschiedensten Flüssen geholt. Paaren sich die Lachse in den Flüssen mit Wildlachsen, schwächen sie deren Population, befürchten die Umweltschützer. Es entstehen Mischlinge, die schlechter an die Umwelt angepasst sind und sich weniger gut fortpflanzen können. Dies wiederum bedroht die wilden Bestände, die infolgedessen sogar sterben könnten.
Nicht zuverlässig steril
Mit einigen gentechnischen Eingriffen sei dieses Problem in den Griff zu bekommen, hofft die Fischindustrie. Wie die in München ansässige Nichtregierungsorganisation Testbiotech berichtet, wurde im April in Norwegen ein Antrag auf experimentelle Freisetzung von Lachsen aus Neuer Gentechnik (NGT) gestellt. Bei den Fischen wurden mittels Crispr/Cas-Verfahren Gene ausgeschaltet, die für die Entwicklung der Fortpflanzungsorgane wichtig sind.
Die sterilen Lachse, die auch zum Patent angemeldet sind, sollen in der Fischmast in Netzen im Meer eingesetzt werden. Die Sterilität soll ihre Ausbreitung in der Umwelt verhindern. Auch können sie angeblich länger gemästet werden als ihre konventionell produzierten Artgenossen.
Das Norwegian Scientific Committee for Food and Environment (VKM) prüfte den Antrag – und lehnte ihn ab. Begründung: Es fehlt ein Nachweis dafür, dass tatsächlich alle gentechnisch veränderten Tiere steril sind. Schuld daran sei die mangelnde Präzision der Neuen Gentechnik. So gibt es bei den Crispr-Lachsen zwischen den einzelnen Tieren einige Unterschiede in den veränderten Genen. Weil nur ein Teil der Fische, die von den veränderten Lachsen abstammen, die erwünschten Merkmale aufweisen, könne es bei der Auswahl der Tiere für die Mast zu Verwechslungen kommen.
Zudem sei unklar, wie sich die Crispr-Lachse in der Umwelt verhalten. Sie könnten zum Beispiel mit den Jungfischen der natürlichen Populationen konkurrieren, die in den Flüssen rund um die Fischfarmen leben. Falls sie nicht völlig steril sind, könnten sie die künstlichen Gendefekte weitergeben und so die natürlichen Populationen schwächen. Sie könnten zudem krankheitsanfälliger sein und somit zur Ausbreitung der gefährlichen Erreger in den betroffenen Regionen beitragen. Von daher ist mit einer baldigen Freisetzung eher nicht zu rechnen.
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