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Armenien: Ganz ohne Moskau geht es nicht
Armenien laviert zwischen Ost und West
Mit dem Exodus der Armenier aus Bergkarabach schien dem Südkaukasus Ende September eine neue Eiszeit und ein Ende der russischen Präsenz bevorzustehen. Wer braucht noch russische Friedenstruppen, wenn die zu schützende Bevölkerung nicht mehr da ist? Die russischen Friedenstruppen, so der armenische Premierminister Nikol Paschinjan, hätten die armenische Zivilbevölkerung nicht geschützt.
In der Folge schien sich eine geopolitische Wende Armeniens anzubahnen. Frankreich lieferte Waffen an Armenien, die deutsche Außenministerin besuchte demonstrativ eine Militäreinheit während ihres Armenien-Besuches Anfang November.
Armenien ignoriert Gipfeltreffen
Demonstrativ beteiligte sich Armenien nicht an mehreren Treffen und Zusammenkünften, die unter russischer Ägide standen. Am 19. Dezember war Alen Simonjan, der Sprecher der armenischen Nationalversammlung, einer in Moskau stattfindenden Sitzung der Parlamentarischen Versammlung der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) ferngeblieben.
Doch Armenien vollzieht keinen eindeutigen Schwenk nach Westen, laviert vielmehr zwischen Ost und West. Gleichzeitig verstärkt Russland seine Präsenz in der Region.
Ende Januar soll mit dem Bau einer 163 Kilometer langen Eisenbahnstrecke zwischen dem iranischen Ort Rascht und dem aserbaidschanischen Astara begonnen werden. Der Bau zeigt, wie sehr sich die politische Situation in der Region wandelt. Von dem »derzeit wichtigsten Eisenbahnprojekt der islamischen Republik« spricht der stellvertretende iranische Minister für Verkehr und Stadtentwicklung, Shahriar Afandizadeh. Im ersten Jahr der Inbetriebnahme sollen eine Million Passagiere und zehn Millionen Tonnen Fracht befördert werden. Das Projekt könnte dem Iran ab 2027 jährlich etwa 20 Milliarden US-Dollar einbringen. Für Russland, das den Bau dieser 1,6 Milliarden Euro teuren Eisenbahnstrecke mit einem 1,3-Milliarden-Euro-Kredit mitfinanziert, ist dieses Projekt von besonderer Bedeutung.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Bahnlinie zur Umgehung von Sanktionen
Mit der für 2027 erwarteten Fertigstellung gibt es eine direkte Eisenbahnverbindung von Sankt Petersburg bis Indien. Und Russland und Belarus bekommen einen direkten Zugang zum afrikanischen Markt und nach Asien. Der Suezkanal verliert somit für die russische Logistik an Bedeutung. Teheran und Moskau können mit dieser Eisenbahn Sanktionen umgehen.
Und Armenien? Auch Armenien kann sich der zunehmenden Bedeutung des Ausbaus der Verkehrsverbindungen im Südkaukasus nicht entziehen. Vieles spricht dafür, dass Armenien seine Bahnverbindung mit Aserbaidschan wieder herstellen wird. Und auch hier bietet Moskau seine Mitarbeit an. Russland sei bereit, weiterhin als Vermittler bei der Wiederaufnahme der Eisenbahnverbindungen zwischen Armenien und Aserbaidschan zu fungieren, ließ der stellvertretende russische Ministerpräsident Alexej Owertschuk Mitte Dezember verlauten.
Armenisch-aserbaidschanische Strecke wieder möglich
Dass Russland, Aserbaidschan, Iran und auch Indien ihre logistische Zusammenarbeit ausbauen, ist gesetzt. Die Frage ist, welche Rolle Armenien dabei spielen wird. Noch ist Armenien, das mit einer stärkeren Westanbindung liebäugelt, nicht in diese logistische Zusammenarbeit eingebunden. Doch der Westen ist weit, Russland hingegen nicht aus dem armenischen Alltag wegzudenken. Russische Soldaten bewachen die Grenze zur Türkei, die Militärpolizei agiert in Armenien wie zu Hause. Anfang Dezember wurde ein Kriegsdienstverweigerer in Gjumri festgenommen und wenig später nach Russland ausgeschafft.
In Moskau wird man es mit Wohlwollen gesehen haben, dass Paschinjan nach einigem Zögern Ende Dezember doch zum informellen Treffen der GUS-Staatschefs nach Sankt Petersburg kam.
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