Zum Nahost-Konflikt: Traut euch, Klimaaktivisten!

Die Klimabewegung darf zu anderen Krisen wie dem Gaza-Krieg nicht schweigen, meint Lakshmi Thevasagayam.

Letztens hat mich ein junger Aktivist gefragt, ob es nicht schlauer sei für Klimagruppen, sich aus dem Krieg in Gaza herauszuhalten. Sich aufs Klima zu konzentrieren. Sich nicht dem Fegefeuer der Medien auszusetzen. Früher dachte ich, das sei okay. Man müsse sich nicht zu allen Grausamkeiten auf der Welt positionieren. Mittlerweile sehe ich das anders. Krieg ist einer der größten Treiber der Klimakatastrophe. Wäre das US-Militär ein Land, stünde es auf Platz 55 der größten CO2-Emittenten der Welt. Die Gaza-Offensive der israelischen Regierung ist nur durch deutsche und amerikanische Waffen möglich. Die deutsche Regierung hat 2023 zehnmal so viele Waffenexporte nach Israel genehmigt wie im Vorjahr. Joe Biden gibt Waffenlieferungen frei, ohne den Kongress abstimmen zu lassen. Geschweige denn sicherzustellen, dass mit ihnen keine Zivilist*innen getötet werden.

Der grausame Anschlag der Hamas am 7. Oktober war eine Tragödie, auch für israelische Linke und Friedensaktivist*innen. 1139 Menschen, Zivilist*innen, wurden von Hamas-Kämpfern ermordet. Seitdem wurden beim Gegenschlag des israelischen Militärs über 22 000 Menschen in Gaza umgebracht, ein Großteil von ihnen Zivilist*innen, Frauen und Kinder. Mehr als 80 Menschen wurden in der West Bank ermordet, u.a. von rechtsradikalen israelischen Siedlern. Zwei Millionen Menschen in Gaza leiden Hunger und Wassermangel.

Lakshmi Thevasagayam
Lakshmi Thevasagayam

Lakshmi Thevasagayam ist Ärztin, Klima- und Gesundheitsaktivistin und engagiert sich in der Antikohlebewegung.

Das ist nicht nur Resultat der Eskalation seit Oktober, sondern jahrzehntelanger ökozidaler Politik in den besetzten Palästinenser-Gebieten, die den Zugang zu Wasser, Strom und Lebensmitteln beschneidet. In der West Bank und im Gazastreifen wurde Wasser so weit abgepumpt, dass es schon lange rar und mit Meerwasser oder Abwasser verschmutzt ist. Im Meer vor Gaza liegen große, für Israel bisher unzugängliche Gasreserven. Solche Klimathemen werden nicht auf der Weltklimakonferenz verhandelt. Doch in der Klimakrise spielen in jedem Konflikt die knapper werdenden lebenswichtigen Ressourcen eine Rolle.

Wir in Deutschland haben die Verantwortung, gegen das Ohnmachtsgefühl angesichts dieses Leids zu kämpfen. Schweigen bringt weder Muslim*innen, die jetzt noch mehr Racial Profiling und Hetze erleben, noch Jüd*innen etwas, die antisemitische Angriffe erfahren. Über 80 Prozent dieser Angriffe gehen auf Rechtsextreme zurück. Die Rechten sind die größte Gefahr für Demokratie und progressive Politik, auch für »Klimathemen«. Sie wollen uns zum Schweigen bringen, getrieben von denselben Leuten, die uns sagen, dass wir nicht über unsere Löhne reden sollen oder über Diskriminierungen, die wir als Frauen, als Kranke, als Queere, als Migrant*innen erleben. Sie wollen uns Angst machen, uns zu den Zehntausenden Opfern des israelischen Militärs in Gaza zu äußern, und sind die Ersten, die uns Antisemitismus vorwerfen werden.

Schlimmer als die Rechten ist jedoch der Fatalismus. Aufgegeben zu haben, über Israel und Palästina zu sprechen. Niemand ist frei von Antisemitismus oder Rassismus. Wir müssen beständig voneinander lernen. Aber keine Position zu beziehen ist gefährlich. Ohne breiten Diskurs, ob in der Klimabewegung, mit muslimischen und jüdischen Genoss*innen, Nachbar*innen und Kolleg*innen schaffen wir nicht die Bewegung und das Vertrauen ineinander, um geeint gegen rechts zu stehen. Ob gegen die Hamas, die rechtsextreme Regierung in Israel oder die AfD.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -