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Luzern hat sich als Musikstadt neu erfunden
Zwischen Bergpanorama und Idylle am Vierwaldstätter See lässt sich hier ein Musikangebot genießen, das mit dem einer Metropole mithalten kann
Luzern liegt malerisch – eingebettet zwischen Berggipfeln und dem glasklaren Vierwaldstättersee. Stets hat es die Stadt in der Zentralschweiz verstanden, aus ihrer Lage das Beste zu machen: Um 700 als Fischerdorf gegründet, wurde Luzern im Mittelalter zum wichtigsten Handelsposten auf dem Wasserweg zwischen Italien und dem Rhein. Als der Alpentourismus aufkam, richtete Luzern sein Seeufer als mondäne Promenade her. Bis zum Ersten Weltkrieg trafen sich hier die Schönen und Reichen – ehe der Jetset später nach Cannes oder Saint-Tropez weiterzog.
Dennoch wurden Luzerns Touristenströme immer größer. Vor Ausbruch der Pandemie kamen fast 10 Millionen Besucher jährlich in das Städtchen mit seinen gerade mal 84 000 Einwohnern; pro Einwohner sind das mehr Touristen als in Venedig. Viele Besucher bleiben nur ein, zwei Tage. Das reicht, um einmal über die Seepromenade mit den eleganten Jugendstil-Hotels zu flanieren und zum Raclette in eines der Gasthäuser der beschaulich verwinkelten Altstadt einzukehren. Pflichttermin ist schließlich noch ein Fotostopp auf den beiden überdachten Holzbrücken, die über die Reuss führen. Auf der Kapellbrücke steht der Wasserturm, das Wahrzeichen Luzerns. Die Giebel der Spreuerbrücke zeigen einzigartige Totentanz-Darstellungen aus dem 17. Jahrhundert.
Vor Corona war in Luzern von Overtourism die Rede. Insbesondere die Schar der Reisegruppen war in die Kritik geraten. Seither wünscht sich die Stadt mehr Individualreisende, die auch mal ein paar Tage länger bleiben. Eine eigens eingerichtete Interessengemeinschaft Musikstadt Luzern setzt auf die klassische Musik und preist Luzern als »Die Stadt voller Hörenswürdigkeiten«.
In musikalischer Hinsicht bietet die Stadt wirklich Einzigartiges. Schon seit den Anfängen des Alpentourismus fanden sich hier Komponisten und Musiker ein. Im Laufe der Zeit hat sich ein vielfältiges Konzertgeschehen etabliert, sodass Luzern als heimliche Musikhauptstadt der Schweiz gelten kann.
Immer wieder wurde Luzern von der Musikgeschichte gestreift. Richard Wagner lebte von 1866 bis 1872 in der Villa Tribschen am Stadtrand, vor seinem Umzug nach Bayreuth. Nach Jahren finanzieller Nöte und privater Sorgen fand der Komponist hier am Seeufer sein Paradies. »Wohin ich mich aus meinem Hause wende, bin ich von einer wahren Wunderwelt umgeben«, schwärmte er. In Luzern heiratete Wagner seine Cosima, hier kam sein Sohn Siegfried zur Welt; hier vollendete er seine »Meistersinger« und den »Siegfried«.
Die Villa Tribschen ist heute ein Museum. Viele Exponate stammen aus Wagners Besitz: Gemälde, Kleidungsstücke, sein geliebter Erard-Flügel. Im Erdgeschoss sind die Wohnräume wie zu Lebzeiten des Komponisten eingerichtet. Der Besucher fühlt sich wie ein Gast im Hause Wagner.
In Tribschen versammelte der legendäre Dirigent Arturo Toscanini 1938 einige befreundete Musiker, um Wagners hier entstandenes Orchesterstück »Siegfried-Idyll« aufzuführen. Dieses Ereignis gilt als Geburtsstunde der Musikfestwochen Luzern, die inzwischen Lucerne Festival heißen. Der Dirigent Claudio Abbado gründete ein Festival-Orchester; der Komponist Pierre Boulez rief eine Akademie für zeitgenössische Musik ins Leben.
Alljährlich im August und September finden sich bekannte Ensembles, Dirigenten und Solisten zum Lucerne Festival ein. Die ganze Stadt fiebert dann mit, und die kleinen Boutiquen der Altstadt dekorieren ihre Schaufenster mit Notenblättern und Wagner-Porträts. Das Festival wiederum geht in die Öffentlichkeit und spielt in Kirchen, lädt vor die Großleinwand im Inseli-Park oder bringt das hiesige Planetarium zum Klingen.
Im Laufe der Zeit hat das Lucerne Festival mehrere Ableger gegründet, es ist quasi ein ganzjähriger Musikgenuss gewährleistet: vom Klavierfest im Mai, das der Pianist Igor Levit kuratiert, bis zu einer herbstlichen Veranstaltungsreihe, wo Gegenwartsmusik im Vordergrund steht.
Die Sinfoniekonzerte des Festivals finden im KKL statt. Dieses vor 25 Jahren eröffnete Kulturzentrum des französischen Architekten Jean Nouvel ist ein Hingucker! In Wasserkanälen fließt der See gleichsam durchs Gebäude; das markante Flachdach reicht bis über den See hinaus. Der Konzertsaal im KKL ist nicht nur akustisch exzellent, sondern auch sehr schick – in strahlendem Weiß, mit tiefblauer Sternendecke.
Vor dem KKL liegen die Raddampfer und Motorschiffe der Schifffahrtsgesellschaft, die in den öffentlichen Nahverkehr eingebunden ist. Von hier aus erreicht man nach einer halbstündigen Seefahrt die Halbinsel Hertenstein mit dem Domizil des Komponisten und Pianisten Sergej Rachmaninow.
Durch die Oktoberrevolution wirtschaftlich ruiniert, hatte Rachmaninow 1917 seine russische Heimat verlassen. Er ging in die USA, wo er ein weltberühmter Pianist wurde. Aber er vermisste Europa und suchte hier nach einer Bleibe für die jährliche Sommerfrische. Am Vierwaldstättersee wurde er fündig und ließ 1930 die Villa Senar bauen. Außen herrschen klare Bauhaus-Linien und viel Glas, innen breitet sich russische Plüsch-Gemütlichkeit aus. Das originale Mobiliar blieb erhalten, mitsamt dem Steinway-Flügel, einer Sonderanfertigung, die Rachmaninow zum 60. Geburtstag vom Klavierbauer als Geschenk erhielt. Seit Rachmaninows 150. Geburtstag im April 2023 ist die Villa als Kulturzentrum und Museum der Öffentlichkeit zugänglich.
Luzern nennt sich mit Fug und Recht Musikstadt – das Angebot der Stadt kann mit dem vieler Metropolen locker mithalten. Für Musikreisende ist Luzern perfekt: tagsüber in die Badeanstalt am See oder mit der steilsten Zahnradbahn der Welt auf Luzerns Hausberg Pilatus, und abends: Ab ins Konzert!
Die Recherche wurde unterstützt von Luzern Tourismus und Schweiz Tourismus.
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