Emmauswald statt Asphalt

Protest gegen Wohnungsprojekt auf Waldfläche in Neukölln

  • David Rojas Kienzle
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Kälte getrotzt: Demo vor dem Abgeordnetenhaus
Der Kälte getrotzt: Demo vor dem Abgeordnetenhaus

»Wir sind hier, wir sind laut, Emmauswald wird nicht bebaut!« Alle, die ins Abgeordnetenhaus zur Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen wollen, werden von einer Demonstration der Initiative »Emmauswald bleibt« begrüßt. Trotz klirrender Kälte haben sich knapp 20 Menschen in Mitte versammelt. Die Kundgebung richtet sich gegen Pläne der Vonovia-Tochter Buwog, auf dem Gelände des Neuköllner Emmauswalds und einer benachbarten Fläche 640 Wohnungen zu bauen, davon 440 Eigentumswohnungen.

Der Emmauswald liegt in der Nähe der S- und U-Bahnstation Hermannstraße. Seit den 80er Jahren nicht mehr als Friedhof genutzt, wurde er im Sommer 2023 von der Berliner Forstbehörde als Wald eingestuft. Über die Bebauung des Geländes wird seit Langem diskutiert, das Bezirksamt Neukölln hat bereits 2021 beschlossen, das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans einzustellen. Der Senat hatte im Herbst 2023 die Entscheidung über die Vergabe einer Baugenehmigung an sich genommen. Dies ist möglich, da das Wohnbauprojekt von relevantem Interesse für den Berliner Wohnungsmarkt ist, weil es mehr als 200 neue Wohnungen vorsieht.

Für die Initiative ist der Wald mehr als eine Ansammlung von Bäumen. »Man muss einfach mal in den Wald reingehen und ihn erleben«, so Judith König. Ein Kleinbiotop wie der Emmauswald speichere Wasser und kühle die Umgebung. Außerdem sei der Wald ein Naherholungsgebiet: »Für manche Menschen, gerade Ältere, Personen mit Behinderung oder Menschen mit Kindern, ist selbst ein Ausflug in den Grunewald nicht machbar«, sagt König. »Wenn man sich den Umweltgerechtigkeitsatlas ansieht, ist Neukölln im Vergleich sehr arm an Grünflächen.«

Gegen Bebauung an sich ist die Initiative nicht, auch nicht vor Ort. Eine direkt an den Wald anschließende Brachfläche könne nach ihrer Vorstellung bebaut werden, der Wald solle aber unangetastet bleiben. »Wir hoffen, dass die Buwog irgendwann versteht, wie wichtig es ist, die Brachfläche zu bebauen und den Wald stehen zu lassen«, so König weiter. In der Planung der Buwog ist vorgesehen, auf einer Brachfläche neben dem Emmauswald 200 Sozialwohnungen zu bauen, der Wald soll für die Eigentumswohnungen gerodet werden.

Ganz konkreter Anlass der Kundgebung ist ein Antrag der Linksfraktion im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen im Abgeordnetenhaus, dass in Zukunft für Nachverdichtung städtebauliche Kriterien angewandt werden. Denn um das vom Senat ausgegebene Ziel umzusetzen, bis 2030 200 000 neue Wohnungen zu errichten, wird auch nachverdichtet, also neuer Wohnraum in bereits besiedelten Gebieten geschaffen. Diese Nachverdichtungsprojekte bekommen an vielen Orten Gegenwind aus der lokalen Bevölkerung, neben dem Emmauswald zum Beispiel an der Kavalierstraße in Pankow oder im Ilsekiez in Lichtenberg.

Der im Ausschuss diskutierte Antrag der Linksfraktion will vor allem, dass für die vielen Nachverdichtungsprojekte allgemeingültige städtebauliche Kriterien festgelegt werden. »Nachverdichtung wird als Totschlagargument benutzt. In vielen Siedlungen, insbesondere in Ostberlin, ist in den letzten Jahren viel Infrastruktur weggefallen, was insbesondere für Ältere ein Problem ist. Wir brauchen eine ganzheitliche Stadtplanung, die alles im Blick hat«, so Katalin Gennburg, eine der Antragstellerinnen im Gespräch mit »nd«.

Die Linksfraktion fordert den Senat auf, »mit den betroffenen Bezirken alle (noch nicht genehmigten) Nachverdichtungsvorhaben der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und sonstiger Bauträger in Quartieren mit offener Bebauung auf den Prüfstand zu stellen und für künftige Nachverdichtungen städtebauliche Kriterien festzulegen.« In der Sitzung des Ausschusses waren sich zwar alle Redner*innen einig, dass es wichtig sei, Kriterien aufzustellen und die Partizipation der von Nachverdichtungsprojekten betroffenen Bevölkerung zu verbessern, der Antrag der Linksfraktion wurde trotzdem abgelehnt.

Dabei ist für die Lösung der Wohnungskrise Nachverdichtung in der bisher praktizierten Form bei Weitem nicht alternativlos. »Man kann nicht einfach alles zubauen«, so Gennburg. »Wir haben immer wieder darauf gedrungen, Grundstücke der Spekulation zu entziehen, auf denen dann sozialer Wohnungsbau betrieben werden kann.«

Auch aus der Zivilgesellschaft gibt es Vorschläge: »Wenn man kluge Konzepte umsetzt, die es ja gibt, kann man das für alle gut gestalten. Dachgeschossbebauung, anstatt in die Fläche zu bauen, Bebauung von schon versiegelten Flächen wie Supermärkten oder Parkplätzen«, so Britta Kehr, von dem aus 39 Initiativen bestehenden Berliner Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung. So wie sie aktuell betrieben wird, kritisiert Kehr auch die Nachverdichtung: »Das ist nicht ökologisch und nicht nachhaltig. Es kann nicht sein, dass die Lebensbedingungen der in Berlin lebenden Menschen derartig verschlechtert werden.« Die Lebensqualität und auch die Möglichkeit für künftige Generationen, in dieser Stadt gesund zu leben, würden dadurch kaputtgemacht.

Judith König von der Initiative »Emmauswald bleibt« ist vorsichtig optimistisch, was die Zukunft des Wäldchens angeht: »Wir haben Hoffnung, dass der Senat auf uns eingehen wird. Wir wissen, dass wir von den Grünen und der Linken unterstützt werden. Und wir wissen auch, dass Politiker*innen von der CDU und SPD auf unserer Seite stehen.«

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.