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Chemiebaukasten gegen Klimawandel
Konkurrenz aus öl- und sonnenreichen Staaten erschwert hierzulande den Umbau der Branche
Die Industrieproduktion in Deutschland sinkt seit einem Jahr. Das geht aus Zahlen hervor, die das Statistische Bundesamt am Dienstag veröffentlichte. Besonders rasch erfolgt der Sinkflug in der Chemiebranche, seit kein billiges Erdgas aus Russland mehr fließt. Die Produktion von Ammoniak, Methanol und anderen Grundchemikalien ist energieintensiv, ebenso wie die Herstellung diverser Endprodukte, darunter Klebstoffe und Düngemittel. Das hat insgesamt fatale Folgen: Die Produktion der in Deutschland ansässigen Chemieunternehmen (ohne Pharma) fiel 2023 um elf Prozent.
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Eine Erholung erwartet die Mehrheit der 1900 Unternehmen erst 2025 oder später. Dies ergab kürzlich eine Umfrage des Branchenverbandes VCI. Für schlechte Stimmung sorgen neben der lahmen Weltkonjunktur und hohen Zinsen vor allem gestiegene Energiekosten. Gleichzeitig setzen diese einen finanziellen Anreiz, den Verbrauch zu senken und in umweltfreundliche Technik und Werkstoffe zu investieren.
In guten Zeiten war es der Branche gelungen, fit zu bleiben. 2020 emittierte die chemische Industrie nach Angaben des VCI rund 40 Millionen Tonnen Kohlendioxide – 55 Prozent weniger als 1990. Zugleich stieg die Produktion im selben Zeitraum um 63 Prozent. Der Verband hält eine klimaneutrale Produktion bis 2050 für möglich, wenn auch unter erheblichem finanziellem und technischem Aufwand. In einem Strategiepapier wurden die Kosten je nach Szenario auf 26 bis 40 Milliarden Euro beziffert. Anschaulicher wird die Herausforderung mit einem Blick auf den Bedarf an »grünem« Strom. Dessen Produktionsumfang werde in den kommenden 15 Jahren auf rund 500 Terawattstunden steigen. Was in etwa der derzeitigen Stromproduktion in Deutschland entspricht, die noch zu einem Großteil auf Kohle und anderen fossilen Energien basiert.
Vor diesem Hintergrund baut BASF zusammen mit Vattenfall zwei Windparks in der Nordsee. Das Windparkgebiet Nordlicht befindet sich 85 Kilometer vor der Insel Borkum in der Nordsee. Nach der vollständigen Inbetriebnahme 2028 wird die Gesamtproduktion etwa sechs Terawattstunden pro Jahr betragen, was dem Stromverbrauch von 1,6 Millionen privaten Haushalten entspricht. Der Strom soll vor allem nach Ludwigshafen fließen, dem weltweit größten Produktionsstandort der BASF.
Es ist bereits das zweite Mal, dass der Chemiekonzern eine Beteiligung an einem Offshore-Windpark von Vattenfall plant. 2021 erwarb BASF einen Anteil an dem kürzlich eingeweihten Windpark Hollandse Kust Zuid in den Niederlanden, dem angeblich größten Offshore-Windpark der Welt.
Bei dem anderen breit aufgestellten Flaggschiff der deutschen Chemie, der vom Kauf des amerikanischen Pestizidherstellers Monsanto beschädigten Bayer AG, scharren internationale Investoren mit den Hufen. Sie würden den Weltmarktführer mit seinen 110 000 Beschäftigten gerne in Einzelteile zerlegen, um so »Wert« (an der Börse) zu schaffen. Gleichzeitig drängen Konkurrenten aus den öl- und sonnenreichen Staaten mit ihren Produkten auf den deutschen und europäischen Markt. Und der staatliche Ölkonzern Adnoc aus Abu Dhabi, den der Präsident der Weltklimakonferenz leitet, steht kurz davor, den deutschen Kunststoffkonzern Covestro zu übernehmen.
Wandert die Produktion deshalb in weniger regulierte Länder wie China und Indien ab, würde dies dem Klima schaden und hierzulande gingen viele der 477 000 meist gut bezahlten Arbeitsplätze verloren. BASF-Boss Brudermüller reagiert auf den sich wandelnden Markt mit einer Verschlankung. Einige lukrative Geschäfte schneidet der Ende April scheidende Brudermüller aus der traditionellen »Verbundproduktion« des Konzerns heraus. Auf dem Riesengelände in Ludwigshafen stehen 200 Produktionsanlagen, deren Ausgangsstoffe jeweils den Rohstoff für andere Anlagen bilden. Tausende unterschiedliche Produkte entstehen dort.
Die kurz vor Weihnachten vorgestellten Pläne des BASF-Vorstandes verdrießen die Gewerkschaft IG BCE. Nachteile und Risiken der Ausgliederung blieben unklar. Auch der Betriebsratsvorsitzende Sinischa Horvat zeigte sich unglücklich: »Wir haben uns die Ausgliederung von Unternehmensteilen nicht gewünscht.« Betroffen wären 2500 Stellen. Jetzt gehe es darum, die Überleitung zu gestalten. »Die Menschen in den Einheiten, die ausgegliedert werden sollen, und diejenigen, die im Chemieverbund bleiben, müssen in eine sichere und gute Zukunft geführt werden.«
Grundsätzlich müsse darüber hinaus das Unternehmen, die BASF als Ganzes, erhalten bleiben, so die Gewerkschaft. Der Umbau der Produktion weg von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien wird auch in Ludwigshafen Milliardensummen verschlingen. Das eigene Öl- und Gasfördergeschäft der Tochtergesellschaft Wintershall Dea hat Brudermüller schon länger zum Verkauf gestellt. Die faktische Enteignung von Wintershall in Russland hat die Pläne allerdings bis auf weiteres durchkreuzt.
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