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Verbände und Gewerkschaften fordern ein Recht auf Mobilität
Ein neues Bündnis will Vorfahrt für klimafreundlichen Verkehr, ein neues Straßenverkehrsrecht und Investitionen in Bus, Bahn und Radwege
Vor einem Jahr lud Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Mobilitätsgipfel ins Kanzleramt – doch bei den Planungen schienen Fußgänger*innen, Fahrrad- und Bahnfahrende einfach vergessen worden zu sein, kritisiert Sabrina Wendling, Sprecherin der Allianz pro Schiene in einer Pressekonferenz am Mittwoch. Deshalb haben sich Schienen- und Fahrradverbände sowie Gewerkschaften zu einem Bündnis unter dem Motto »Verkehrswende braucht Zeitenwende« zusammengetan, um für eine eindeutige Priorisierung umweltfreundlicher Verkehrsträger zu werben.
Mobilität müsse ganzheitlich gedacht werden, also verkehrsträgerübergreifend, erklärt Dirk Flege den Ansatz. Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene fordert von der Bundesregierung ein entsprechendes Gesamtkonzept, um es dem »Lobbyistengeschwätz« entgegenzusetzen. »Der Begriff Verkehrswende als Synonym für Veränderung wird als Bedrohung wahrgenommen«, sagt er – und weist darauf hin, dass der Begriff im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung kein einziges Mal auftaucht.
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Die wichtigste Stellschraube der Verkehrswende sei die Finanzierung, betont Martin Burkard, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. »Deutschland stellt sich mit der Schuldenbremse selbst ein Bein«, meint er. Es müsse investiert werden, nach Schweizer Vorbild. Dort gebe es einen verkehrsträgerübergreifenden Infrastrukturfonds und das Schweizer Schienennetz sei »eines der besten der Welt«. Außerdem habe Deutschland genug Autobahnen und Bundesstraßen, sollte dafür vorgesehene Gelder umschichten und klimaschädliche Subventionen streichen.
Die Verkehrswende habe auch das »Potenzial für eine Beschäftigungsoffensive«, sagt Jürgen Kerner, der zweite Vorsitzende der Industriegewerkschaft Metall. Diese Chance gelte es zu ergreifen, indem die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Betriebsräten veränderte und neue Arbeitsplätze schafft und entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten fördert. Andersherum sollten Unternehmen, die staatliche Hilfen in Anspruch nehmen, zu nachhaltigen Investitionen verpflichtet werden. Öffentliche Verkehrsunternehmen zum Beispiel dazu, mindestens die Hälfte ihrer Fahrzeuge in Europa einzukaufen. »Wir begrüßen Wettbewerb, aber nicht auf dem Rücken der Beschäftigten und der sozialen und ökologischen Standards«, betont Kerner.
Frank Masurat, Bundesvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) lobt das Ziel der Bundesregierung, Radwege zu verdoppeln und sicherer zu machen, kritisiert jedoch: »Auf der Straße ist davon noch gar nichts zu merken.« Das aktuelle Straßenverkehrsrecht stamme noch »aus Kaiserszeiten« und erschwere es Kommunen, Radwege oder verkehrsberuhigte Bereiche einzurichten. Der Bundestag habe einen guten Reformvorschlag gemacht, »doch jetzt stehen einige Bundesländer mit vorgeschobenen Argumenten auf der Bremse«. Masurat appelliert an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), einen Vermittlungsausschuss einzuschalten, um die Reform zu retten. »Es geht nicht um Vorteile für bestimmte Gruppen, es geht um Gemeinwohl, um lebenswerte Städte und sichere Mobilität«, erklärt er.
Ohne das Fahrrad werde die Mobilitätswende nicht gelingen, ergänzt Elena Laidler-Zettelmeyer vom Verband Zukunft Fahrrad. 75 Prozent der Wege, die in Deutschland zurückgelegt werden, seien weniger als zehn Kilometer lang, können also gut mit Rad oder E-Bike gefahren werden. Dafür brauche es aber auch steuerliche Anreize. Die am wenigsten klimaschädlichen Verkehrsmittel sollten am stärksten gefördert und Unternehmen eine unkomplizierte Möglichkeit gegeben werden, ihren Beschäftigten neben Dienstwägen auch Dienstfahrräder zur Verfügung zu stellen.
Ziel des neuen Bündnisses ist eine Mobilitätsgarantie, wie sie in Österreich und der Schweiz bereits existiert, also einen gesetzlichen Anspruch auf Bus, Bahn und sichere Radwege – auch in ländlichen Gegenden.
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