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Nachbarschaft auf wackligen Füßen
Israels Beziehungen mit dem afrikanischen Kontinent sind durch wirtschaftliche Interessen und koloniale Traumata geprägt
Junge Israelis wollen nach dem Militärdienst meist nur eines: Raus, nach Indien, Südamerika. Neues sehen, entspannen. Doch für jene, die in Spezialeinheiten gedient haben, gab es viele Jahre lang, andere, interessantere Ziele: Angola, der Kongo, jene Länder in Afrika, in denen die Rohstoffvorkommen groß und die staatliche Ordnung gering ist. Angestellt bei Privatunternehmen waren die jungen, oft kampferfahrenen Männer rund um Minen und Abbaustätten im Einsatz. Zum Schutz der Anlagen? Um die Arbeiter von Aufständen gegen die meist miserablen Arbeitsbedingungen abzuhalten?
»Allgemein gesprochen sind Söldner für die Drecksarbeit da. Sie sorgen dafür, dass alles wie am Schnürchen läuft«, sagte die damalige liberianische Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf 2009. Wer dazu in Israel recherchierte, stieß auf eine Mauer des Schweigens, konnte kaum etwas Handfestes finden, außer der Bestätigung, dass es das tatsächlich gegeben hat. Und den manchmal mit Fotos und Angebereien untermauerten Berichten von einigen derjenigen, die dort waren.
Israel bewegt sich auf verschlungenen Pfaden
Mittlerweile wurde der Einsatz für Privatunternehmen in Krisengebieten offiziell verboten. »Inoffiziell wird jedoch immer noch nicht so genau hingeschaut«, sagt ein israelischer Diplomat, der nicht namentlich genannt werden will: »Außenpolitik bewegt sich auf verschlungenen Pfaden, und mein Eindruck war immer, dass private Unternehmungen dabei eine wichtige Rolle spielen.«
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Denn das Interesse Israels am afrikanischen Kontinent ist traditionell groß. Dort befinden sich reiche Rohstoffvorkommen, wie beispielsweise Uran, dass für das offiziell nicht existierende israelische Atomprogramm gebraucht wird. In den riesigen Wüstengebieten und Steppen sind zudem eine Vielzahl von islamistischen, gewaltbereiten Gruppen aus dem Umfeld von Al Kaida und dem Islamischen Staat aktiv. Und dann gehören einige der afrikanischen Länder zu den islamischen Staaten. Die Hoffnung nach Aussage von ehemaligen Regierungsmitgliedern und aktiven Diplomaten war stets, dass man die Mehrheitsverhältnisse bei Treffen der islamischen Staaten in Richtung Israels drehen könnte, wenn man jene, die nicht direkt am israelisch-arabischen Konflikt beteiligt sind, auf die eigene Seite zieht.
Gaza-Krieg weckt in Afrika schlimme Erinnerungen
Bis Oktober 2023 hatte Israel diplomatische Beziehungen mit 46 der 54 afrikanischen Staaten aufgebaut. Nun jedoch zeigt der Krieg zwischen Israel und der Hamas, dass dieses Miteinander auf ausgesprochen wackligen Füßen steht. So brach Niger, besonders wichtig wegen seiner Uranvorkommen, die inoffiziellen Beziehungen 2022 ab. Der damalige Regierungsvertreter Lawal Kader Mahamadou hatte einem Bericht des Nachrichtensenders CNN zufolge im Staatsfernsehen Israel des »Völkermords« beschuldigt und erklärt, Palästina müsse ein unabhängiger Staat werden. Mittlerweile regiert ein Militärregime, wie in den Nachbarstaaten auch, und das Interesse an offiziellen Beziehungen ist nun nicht mehr existent.
Denn wie auf keinem anderen Kontinent kommt hier die »emotionale Komponente« ins Spiel: Die Bilder aus den palästinensischen Gebieten berichten von Unterdrückungserfahrungen, die an die eigenen Erfahrungen mit dem Kolonialismus erinnern. Wie weit öffentliche Meinung und Regierungspolitik und öffentliche Meinung auseinandergehen, zeigt sich in Äthiopien: Wie fast in allen Ländern auf dem Kontinent gibt es auch hier Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg, wobei die Vorbehalte dadurch verstärkt werden, dass Israels Regierungen das Regime von Diktator Mengistu Haile Mariam mit reichlich Waffen und militärischer Ausrüstung unterstützt. Bis zu 300 israelische Berater sollen zeitweise im Land gewesen sein. Gerüchte über israelische Militäreinrichtungen auf äthiopischem Gebiet machen bis heute die Runde. Denn trotz des Regimewechsels: Ein strategischer Partner ist Israel geblieben.
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