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Polizeiprognose: Berliner werden immer krimineller
Besonders in der Schule und in den eigenen vier Wänden nimmt die Gewalt zu
Erneut hat die Polizei einen Anstieg der angezeigten Kriminalität in der Hauptstadt verzeichnet. Das geht aus einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur hervor, die sich auf Zahlen der Behörde für das Jahr 2023 beruft. Ein Pressesprecher der Berliner Polizei teilte dem »nd« mit, dass es sich jedoch nur um einen Trend handele, von dem die Polizei für das vergangene Jahr ausgeht. Es seien keine Vorabzahlen aus der Kriminalstatistik, die im Frühjahr veröffentlicht wird.
Den Daten zufolge sei über alle Deliktfelder verteilt die Zahl der registrierten Straftaten um etwa 3 Prozent auf 535 000 gestiegen. 2022 hatte die Zahl bereits um 7,8 Prozent zugenommen. Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, weist im Gespräch mit »nd« jedoch auf die begrenzte Aussagekraft dieser Zahlen hin. Die Betrachtung des allgemeinen Trends lasse keine pauschale Bewertung zu, entscheidend sei der Blick auf die einzelnen Kriminalitätsfelder.
Hierbei sticht hervor, dass die Polizei von einer Zunahme um 12 Prozent bei Delikten im schulischen Kontext ausgeht. Darunter sei wiederum die Zahl sogenannter Rohheitsdelikte – dazu gehören Körperverletzung und Raub – um 23 Prozent gestiegen. »Besorgniserregend« nennt Grünen-Politiker Franco diese Einschätzung. Ihm zufolge deuten die Zahlen darauf hin, dass sich die Corona-Pandemie langfristig auf die Verhaltensweisen von Jugendlichen auswirke. »Mit der klassischen Kriminalitätsbekämpfung kommen wir hier aber nicht weiter«, sagt Franco. »Wir müssen die Motive verstehen und mit Maßnahmen an den Lebensrealitäten der Jugendlichen ansetzen.«
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Zudem geht die Polizei von einer Zunahme häuslicher Gewalt aus. So sei die Zahl von Gewalttaten in Familien und Beziehungen erneut um 10 Prozent auf einen bisherigen Höchststand gestiegen. »Dabei müssen wir von einem Dunkelfeld von bis zu 90 Prozent ausgehen, welches nicht erfasst wird«, sagt Franco. Ein Engagement der schwarz-roten Koalition diesbezüglich bleibe bisher aus.
Weiter ordnet Franco ein: »Berlin ist eine Weltmetropole, eine lebendige Stadt mit reichlich Handel und Tourismus. Es leben hier viele Menschen auf wenig Raum. Die hohen Zahlen sind nicht zufriedenstellend, aber ähnlich hoch wie in Hamburg oder Frankfurt am Main.« Entscheidend bleibe die Frage, welche Motive es für welche Straftaten gebe.
Aus der Vorabmeldung gehen lediglich Kriminalitätsschwerpunkte mit einem besonders hohen Zuwachs an registrierten Straftaten hervor. Stagnierende oder abnehmende Deliktfelder finden keine Erwähnung. Die Statistik umfasst weiterhin Straftaten, die von der Polizei registriert wurden, unabhängig davon, ob im Nachgang Urteile ergingen. Mehr Straftaten in der Statistik können auf ein Mehr an Delikten hinweisen, aber auch auf eine höhere Sensibilität in Polizei und Gesellschaft.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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