Start der US-Vorwahlen: Ein Land für alte Männer

An einer Wiederholung des Duells »Trump vs. Biden« zweifelt kaum jemand

  • Julian Hitschler
  • Lesedauer: 6 Min.

Im laufenden Jahr stehen für die Hälfte der Weltbevölkerung Wahlen an. Die vielleicht größte Bedeutung hat das Rennen um die Präsidentschaft der USA – insbesondere wegen der guten Siegchancen, die Ex-Präsident Donald Trump eingeräumt werden. Ein erster Stimmungstest findet nun im Bundesstaat Iowa statt. Denn dort beginnt ab Montag das Wahljahr 2024 mit den Vorwahlen der Republikaner.

Laut Trumps eigenen Aussagen hätte er sein Amt nie verlieren dürfen. Noch immer verbreitet er die Legende, es sei ihm 2020 durch massiven Wahlbetrug gestohlen worden. In letzter Zeit hat der inzwischen 77-jährige Trump seine Rhetorik noch einmal verschärft und hetzt gegen Migranten, die das »Blut« Amerikas »vergiften« würden. Keinen signifikanten Schaden scheinen ihm die zahlreichen Gerichtsverfahren zuzufügen, in denen er inzwischen belangt wird. Vorgeworfen wird Trump die versuchte Einflussnahme auf den Auszählungsprozess bei der Präsidentschaftswahl sowie die Aufwiegelung seiner Anhänger*innen, die zum Sturm auf das Kapitol in Washington D.C. am 6. Januar 2021 führte. Trump selbst beharrt darauf, dass er als Präsident vollständige Immunität genossen habe und dass die Verfahren politisch motiviert seien. Nicht wenige Konservative in den USA sehen dies offenbar ähnlich.

Gute Konjunktur nützt Biden nicht

Landesweit führt Trump die Umfragen bei den Republikanern klar an, in den meisten Erhebungen will ihm eine absolute Mehrheit bei den Vorwahlen ihre Stimme geben. Und auch bei der Präsidentschaftswahl am 5. November sieht es für Trump derzeit nicht schlecht aus. Er liegt knapp vor Amtsinhaber Joe Biden, dessen Beliebtheitswerte eingebrochen sind. Würde die Wahl heute abgehalten, so hätte Trump beste Chancen, Biden dieses Mal tatsächlich zu besiegen. Das größte Problem des 81-jährigen Amtsinhabers war bis zum Oktober die Inflation. Seitdem aber hat sich die ökonomische Situation verbessert. Die Teuerungsrate ist auf etwas über drei Prozent gesunken. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit anhaltend niedrig, trotz deutlicher Zinserhöhungen durch die US-Zentralbank. Die »sanfte Landung« der Notenbank ist zwar noch nicht ganz vollendet, doch es sieht bisher tatsächlich so aus, aus könnte »Bidenomics«, die Wirtschaftspolitik des derzeitigen US-Präsidenten, ihr wichtigstes Kernversprechen halten: Vollbeschäftigung bei steigenden Löhnen und gleichzeitiger Inflationskontrolle. Doch der Amtsinhaber kann von dieser eigentlich vorteilhaften Ausgangssituation kaum profitieren.

Dies liegt einerseits in der Natur der Sache: Während die Menschen für gestiegene Preise tendenziell die Politik verantwortlich machen, schreiben sie ihre höheren Löhne und verbesserten Jobperspektiven eher dem eigenen Fleiß zu. Und auch wenn die Realeinkommen gerade für die unteren Einkommensgruppen wieder steigen: Nicht jeder profitiert davon. Wer nicht gewerkschaftlich repräsentiert ist und in einem miesen Job feststeckt, hat unter Umständen deutlich weniger verfügbares Einkommen als zu Bidens Amtsantritt.

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Hinzu kommt seit Herbst Bidens zunehmend unpopuläre Außenpolitik. Während das politische Personal der Republikaner und zum Großteil auch deren Basis fest hinter dem israelischen Vorgehen im Gazastreifen stehen, ist die Wählerschaft der Demokraten in dieser Frage so gespalten wie noch nie: In einer Gallup-Umfrage vom Frühjahr 2023 sympathisierten erstmals mehr Demokraten mit der palästinensischen Seite im Konflikt. Seither hat die Polarisierung innerhalb des demokratischen Lagers in dieser Frage eher noch zugenommen. Diese Spaltung vollzieht sich vor allem entlang von Generationen. Gerade jüngere Wähler*innen sehen Bidens Haltung zu Israel kritisch. Zwar finden US-Vertreter*innen immer wieder tadelnde Worte für Israels Vorgehen, doch die materielle Unterstützung der USA für den Militäreinsatz bleibt davon unbenommen.

Immer mehr junge Amerikaner*innen finden diesen Kurs fragwürdig. Auch beim Ukraine-Krieg ist die Öffentlichkeit zunehmend gespalten. Trump verspricht, diesen Konflikt rasch zu beenden. Für den Angriff Russlands macht er die Demokraten verantwortlich: Die Gerüchte, sein Wahlsieg von 2016 sei durch russische Einflussnahme begünstigt worden, hätten eine »Massenhysterie« ausgelöst und »Russland direkt in die Arme Chinas getrieben«, erklärte er in einem Meinungsbeitrag für die Zeitung »Newsweek«. EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton gab gegenüber dem Magazin »Politico« an, Trump habe der EU zu verstehen gegeben, man werde Europa im Fall eines russischen Angriffs nicht verteidigen. Ein Wahlsieg des Republikaners könnte die Bündnisarchitektur Europas von Grund auf erschüttern.

Während Bidens Beliebtheit unter älteren Wähler*innen, deren Renten mit der Inflation steigen und die die Nato und Israel positiver sehen, relativ solide geblieben ist, wenden sich vor allem Jüngere und Minderheitengruppen von ihm ab. Dies beschert ihm Probleme in Staaten wie Nevada und Michigan, die für den Wahlausgang wichtig sind. Hier bilden Hispanics und arabischstämmige Amerikaner*innen einen wichtigen Teil der demokratischen Koalition. In weniger diversen Bundesstaaten wie Wisconsin oder Pennsylvania hält sich Biden hingegen laut Umfragen bislang über Wasser.

Dass Trump die Abstimmung bei den Republikanern in Iowa gewinnen wird, gilt als nahezu sicher. Spannender dürfte die Vorwahl hingegen im Bundesstaat New Hampshire werden: Hier ist die ehemalige Gouverneurin von South Carolina und UN-Botschafterin Nikki Haley bis auf wenige Prozentpunkte an Trump herangerückt. Haley gilt als Vertreterin des Parteiestablishments, sie ist eine stramme Neoliberale und steht außenpolitisch fest zur Nato und für einen Konfrontationskurs mit Russland und China. Unterstützt wird sie unter anderem vom einflussreichen Großspender Charles Koch. Erhöht haben sich ihre Chancen Mitte dieser Woche durch den Rückzug von Chris Christie – ehemaliger Gouverneur von New Jersey, Trump-Kritiker und Vertreter des moderaten Parteiflügels. Trumps radikaler Mitbewerber Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, der vor allem mit Kulturkampfthemen und der Hetze gegen Minderheiten auf Stimmenfang ging, kommt bei den Republikanern hingegen kaum noch an: Seine Umfragewerte sind deutlich gesunken. Die Basis will das Original.

Auch bei den Demokraten könnte es in New Hampshire spannend werden: Wegen eines innerparteilichen Streits um die Wahltermine steht Biden hier nämlich gar nicht auf dem Wahlzettel, Wähler*innen können ihn nur handschriftlich nachtragen. Dies erhöht die Chancen seiner Mitbewerber. Die eher linke Kandidatin Marianne Williamson, Buchautorin mit Hang zum Spirituellen, war schon bei den Vorwahlen von 2020 angetreten. Sie will eine gesetzliche Krankenversicherung für alle einführen und Studiengebühren abschaffen – Positionen, die auch Bernie Sanders bei seinen Kandidaturen von 2016 und 2020 vertrat. Der eher zentristische Abgeordnete Dean Phillips will hingegen vor allem Wechselwähler*innen und enttäuschte Republikaner ansprechen. Inhaltlich unterscheidet er sich zwar kaum vom demokratischen Amtsinhaber, er hält Biden aber aufgrund seiner schlechten Beliebtheitswerte für nicht wählbar. Sowohl Haley als auch Phillips bräuchten einen Sieg in New Hampshire dringend, um ihre Chance auf eine Kandidatur zu erhalten. Doch momentan deutet alles darauf hin, dass im November wieder Trump und Biden auf dem Wahlzettel stehen werden.

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