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VVN-BdA auf der Anklagebank
Bautzner Baufirma geht gegen Publikation zu Rechten in Ostsachsen vor. Auch Leipziger Institut betroffen
An diesem Freitag sitzt Silvio Lang auf der Anklagebank. Das sei ein »beklemmendes Gefühl«, sagt der Landeschef der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) in Sachsen. Der Verein ist Träger eines Recherchekollektivs namens »15°«, das 2023 ein 18-seitiges Dossier über »unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen« vorlegte. Eine der dort genannten Firmen und ihr Chef wehren sich und klagen auf Unterlassung. Der Streitwert des Verfahrens, das an diesem Freitag am Landgericht Dresden verhandelt wird, liege bei 50 000 Euro, sagt Lang: »Das ist existenzgefährdend für unseren kleinen Verein.«
Angestrengt wurde die Klage von dem Bautzener Unternehmen Hentschke Bau und dessen Geschäftsführer Jörg Drews. Letzterer sei »politisch aktiv und prägt die politische Kultur in Bautzen«, heißt es im Dossier. So unterstütze er »alternative Medien«, darunter einen lokalen TV-Sender, der Aktivisten der Identitären Bewegung, Reichsbürger und AfD-Größen einlud. Erwähnt wird auch eine Spende von 19 500 Euro an die AfD im Bundestagswahlkampf 2017. Über Drews wird angemerkt, eine »Distanzierung von seiner unternehmerischen finanziellen Unterstützung rechter Meinungsmacher*innen (...) findet sich nicht«. Das »extrem rechte politische Engagement« spiegele sich auch im Unternehmen wider. Unter Verweis auf einen anonymen Hinweisgeber wird auf rechtsradikale Äußerungen in einem Pausenraum der Firma verwiesen.
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Drews´ Aktivitäten sorgen schon länger für Kontroversen. Im Februar 2019 kritisierten sechs Enkel des Firmengründers Ernst-Hans Hentschke in einem offenen Brief, Drews sei »zur Leitfigur einer Bewegung geworden, die die Bevölkerung polarisiert«. Die mutmaßlichen Aktivitäten des Firmenchefs dürften ein Grund dafür sein, dass es in der Vergangenheit wiederholt Brandanschläge auf Fahrzeuge von Hentschke Bau gab.
Drews und seine Firma wollen die Darstellung in dem Dossier nicht hinnehmen und zogen vor Gericht. Die »Sächsische Zeitung« zitiert einen Sprecher mit der Aussage, das Papier enthalte »zahlreiche Lügen und Verleumdungen«; zudem sei der VVN-BdA für »linksextremistische Agitation« bekannt. Lang erklärt, die Kläger wollten etwa eine halbe Seite Text »verschwunden sehen«. Die Forderung richtet sich allerdings nicht nur gegen VVN-BdA, sondern auch gegen das Else-Frenkel-Brunswick-Institut (EFBI) für Demokratieforschung an der Universität Leipzig, das die Publikation namens »Vernetzt und etabliert« veröffentlicht hat. Gegen das Institut ist eine separate Klage beim Verwaltungsgericht Leipzig anhängig; einen Verhandlungstermin gibt es bisher nicht. Im Dresdner Prozess sind mit Oliver Decker und Johannes Kiess der EFBI-Direktor und sein Stellvertreter als Zeugen geladen, teilte das Institut mit.
Beobachter sehen im juristischen Vorgehen von Henschke Bau und Drews gegen den NS-Opferverein und das Institut ein klassisches Beispiel für eine Klage, mit der unliebsame Kritik unterbunden werden soll. »Rechte Netzwerke mahnen ab und verklagen, um Druck auf Menschen aus Aktivismus, Politik, Wissenschaft, Kunst und Journalismus auszuüben«, heißt es beim Projekt »Frag den Staat«, das in solchen Fällen »Gegenrechtsschutz« anbietet. Im aktuellen Fall des VVN-BdA Sachsen werden die Prozesskosten übernommen. Silvio Lang erklärt, damit sei gesichert, dass man unabhängig vom Ausgang des Verfahrens »weiter antifaschistisch arbeiten« könne. Der Verein hatte zudem Spenden gesammelt.
Zu den grotesken Begleitumständen des Prozesses gehört, dass dieser mit Stefan Dreher von einem Richter geführt wird, der von 2013 bis 2018 Mitglied der AfD war und für diese auch im sächsischen Landtag saß. Einem Befangenheitsantrag wurden indes kaum Erfolgsaussichten eingeräumt. Lang sagt: »Wir müssen damit leben.«
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