Bürgerrat »Ernährung im Wandel«: Weder grün noch links

Konservative und Rechte behaupten, der Bürgerrat sei ein Alternativparlament und grün gefärbt. Die Empfehlungen des Rats zeigen, dass das nicht stimmt

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist schon erstaunlich, aus welcher Richtung der vom Bundestag eingesetzte Bürgerrat Ernährung kritisiert wird und wofür. Natürlich ist es gewissermaßen die Aufgabe von CDU und AfD als Opposition, alles blöd zu finden, was die Ampel – in dem Fall mit Unterstützung der Linken – so ausprobiert. Dass aber immer wieder von einem »Nebengremium« oder einem alternativen, nicht demokratisch gewählten Parlament die Rede ist, über das das grüne Wahlprogramm als »vermeintlicher Bürgerwille« verkauft werde, ist Unsinn.

Genauso wenig wird es den Teilnehmer*innen gerecht, die sich ehrenamtlich monatelang mit dem Thema Ernährung auseinandergesetzt haben. Sie wurden nach einer komplexen mehrstufigen Zufallsauslosung so ausgewählt, dass sie hinsichtlich Wohnort, Alter, Geschlecht, Ausbildung und Essgewohnheiten repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sind. Das heißt, 88 Prozent von ihnen essen Fleisch und sind vermutlich keine Tierrechtsaktivist*innen. Wahrscheinlich saßen auch Konservative und Rechte in dem Rat.

In der letzten Sitzung des Bürger*innenrates am vergangenen Wochenende wurde folglich weder der Veggie-Day noch ein Tierhaltungsverbot beschlossen – wobei der Begriff »beschließen« es genauso wenig trifft wie die Angst vor einem Alternativparlament. Der Bürgerrat hat nämlich überhaupt keine Entscheidungsbefugnis und der Bundestag kann mit den neun Empfehlungen nun tun oder lassen, was er möchte.

Louisa Theresa Braun
Louisa Theresa BraunFoto: privat

Louisa Theresa Braun ist Redakteurin im Ressort Politik.

Die erste Empfehlung, also die, die mit 88 Prozent die meiste Zustimmung bekam, betrifft den sozialen Bereich: ein kostenfreies Mittagessen für alle Kinder. Also für Kinder grüner wie konservativer Eltern. Auch hinter dem Vorschlag gesunder Verpflegung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen lässt sich wohl kaum eine Ökorevolution vermuten. Der Punkt »Altersgrenze für Energydrinks« betrifft Gesundheit beziehungsweise Jugendschutz.

Natürlich gibt es auch Empfehlungen, die ganz klar die Themen Tier- und Klimaschutz tangieren, zum Beispiel die eines verpflichtenden staatlichen Labels, einer Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls oder einer Steuerreform, die vegane Ernährung berücksichtigt. Klar, das vorgegebene Oberthema lautet Ernährung, da kamen die Teilnehmer*innen um gewisse »grüne« Diskussionen wohl kaum herum.

Der Vorschlag mit den zweitmeisten Ja-Stimmen wird sogar von der Letzten Generation gefeiert: »Verpflichtende Weitergabe von genießbaren Lebensmitteln durch den Lebensmitteleinzelhandel« – genau das hatte die Klimagruppe nämlich schon zu Beginn ihres Aktivismus vehement eingefordert. Aber vielleicht steht das weniger für eine Grün-links-Färbung des Bürgerrates, sondern vielmehr dafür, wie unpolitisch oder einfach vernünftig es ist, keine Ressourcen zu verschwenden.

Dass die Empfehlungen »nicht nur die Handschrift von grünen Verbotsfreunden« tragen, wie die Unionsfraktion im Bundestag dann doch noch erleichtert feststellte, wird noch deutlicher durch einen Vorschlag, auf den sich der Rat letztlich nicht einigen konnte: den einer Zuckersteuer. Aus linker Perspektive hätte man sich noch deutlich radikalere Empfehlungen wünschen können. Ein Bürgerrat ist aber genauso wenig links wie grün, und das ist auch richtig so. Er spiegelt das Votum eines Durchschnitts der Bevölkerung wider. Eine demokratische Regierung sollte dieses Votum ernst nehmen.

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