FPÖ in Österreich: Nähe zu den Identitären

In Österreich bedient sich die FPÖ ohne Hemmungen aus dem Arsenal der Neuen Rechten

  • Stefan Schocher, Wien
  • Lesedauer: 4 Min.
FPÖ-Chef Herbert Kickl hat die Identitäre Bewegung mehrfach verharmlost.
FPÖ-Chef Herbert Kickl hat die Identitäre Bewegung mehrfach verharmlost.

Bei Neujahrstreffen der FPÖ wurde schon immer dick aufgetragen. Dass ein FPÖ-Chef da etwa von einem »Swingerclub der Machthungrigen« spricht – und damit die Regierung meint und sich selbst ausnimmt – überrascht demnach nicht weiter. Dass Herbert Kickl nun aber von einer »Fahndungsliste« sprach, auf der Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer und die Ministerin für EU und Verfassung Karoline Edtstadler von der ÖVP sowie der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch stünden, ist selbst für die FPÖ und ihre Stammtischparolen eine neue Qualität.

Häufig war am vergangenen Samstag in Premstätten bei Graz vor über 2000 Teilnehmern von einer »Hinwendung zum Volk« und einem Ende der Migration »aus Arabien« die Rede. Vor allem aber fiel da ein Wort häufiger: »Volkskanzler«. Als solcher fühlt sich Parteichef Kickl bereits. Denn die FPÖ sieht ihre Zeit gekommen. In Umfragen liegt die rechtsextreme Partei zurzeit bei rund 30 Prozent der Stimmanteile – und damit mit Abstand an der Spitze.

In puncto rechtem Populismus und Extremismus hat Österreich den Trend in Europa vorweggenommen. Kickl hatte in einem aktuellen TV-Interview auch kein Problem damit, den Kampfbegriff »Remigration« dankbar aufzugreifen: »Wenn jemand glaubt, er kann hier diese Gesellschaft verachten, diese Gesellschaft sogar bekämpfen, er kann unsere Werte angreifen, dann können wir eine Rechtslage herstellen, [...] dass man solchen Leuten die Staatsbürgerschaft auch wieder entziehen kann.«

Die Aussage fiel kurz nach dem Skandal um ein Treffen Rechtsradikaler in Potsdam. Dort war »Remigration« ein zentrales Thema gewesen. Oder direkter gesagt: eine Deportation von Migranten und politischen Gegnern nach Nordafrika. Einer der Organisatoren dieses Treffens war der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner. Und es ist kein Zufall, dass FPÖ-Chef Kickl diesen Begriff ohne Skrupel aufgriff.

Dabei ist die FPÖ – auch wenn sie beständig gegen die »Systemmedien«, ein »Machtkartell« einer »Einheitspartei« oder die »Systemlinge« wettert und eine Brachialrhetorik mit Anleihen beim Nazimilieu pflegt – durchaus ein Teil des politischen Establishments in Österreich.

Hier kommt wieder Sellner ins Spiel, der Posterboy des rechtsextremen Lagers in Österreich – aber nicht nur dort. Sellner war es, der Österreichs Neonazis aus der Schmuddelecke holte. Er ist Mitbegründer der Identitären Bewegung in der Alpenrepublik, eines Netzwerks rechtsextremer Aktivisten. Statt stumpfer, abgestandener und historisch negativ aufgeladener Parolen bedient man sich dort scheinintellektueller Worthülsen mit demselben Inhalt. Sellner, der längst mit Undercut, Sneakers und Hornbrille auftritt, zitiert gern Vordenker der Neuen Rechten wie Alain de Benoist, Armin Mohler und Renaud Camus, spricht von »Remigration«, »Bevölkerungsaustausch« und »Ethnopluralismus«.

Als Jugendlicher war Sellner in der Neonaziszene aktiv, zählte zum Kreis von Gottfried Küssel, der am Aufbau einer Untergrundmiliz arbeitete. Weil er Hakenkreuz-Aufkleber an einer Synagoge angebracht hatte, wurde Sellner verurteilt. Als Philosophiestudent war er in der rechtsextremen Burschenschaft Olympia aktiv. Später nannte er den deutschen rechtsextremen Publizisten Götz Kubitschek sein politisches Vorbild und gründete 2012 die Identitäre Bewegung (IB) mit.

Als Sprecher der IB Österreich wurde er schließlich zum internationalen Netzwerker im Milieu. Er pflegt insbesondere Kontakte nach Frankreich, Deutschland und Italien. Aber auch der spätere Attentäter von Christchurch in Neuseeland korrespondierte mit Sellner. Der australische Rassist spendete der Identitären Bewegung mehrere Tausend Euro, allein Sellner kassierte von ihm mindestens 1500.

Zumindest in der Öffentlichkeit war die FPÖ lange Zeit peinlichst darum bemüht, Distanz zur IB zu wahren. Wie sich mit der Zeit herausstellte, gibt es jedoch zahllose Überschneidungen zwischen den Identitären und der FPÖ – nicht nur ideologisch, sondern auch personell. Letzteres gilt vor allem für die Junge FPÖ und die IB. Besonders sichtbar wurde diese Verquickung bei den Demos gegen Corona-Maßnahmen. Und wenn Kickl in jüngerer Zeit von der IB sprach, gebrauchte er bereits mehrmals die verharmlosende Bezeichnung »NGO von rechts«.

Dabei ist der rechtliche Status der Identitären Bewegung in Österreich durchaus heikel. Ihre Symbolik ist seit 2021 als extremistisch verboten – nicht aber das hinter der IB stehende Vereinsgeflecht. Zuletzt hat die Bewegung vorsorglich zahlreiche Konten ins Ausland verlagert. Und Sellner zog sich im vergangenen Jahr als Sprecher der IBÖ zurück.

Inzwischen besteht zwischen ihrer Rhetorik und jener der FPÖ kaum noch ein Unterschied. Auch mitschwingende historische Parallelen stören nicht mehr. Wie Kickl sich heutzutage nannten die Nationalsozialisten Adolf Hitler »Volkskanzler«. Beim Neujahrstreffen erklärte der FPÖ-Chef 2024 zum »Jahr der Entscheidung, der politischen Wende für Österreich«. Spätestens im Herbst finden Nationalratswahlen statt.

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