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Landtagswahl Hessen: Holperstart der neuen GroKo
CDU-Ministerpräsident Rhein wiedergewählt. Derweil kriselt es bei der neuen Koalitionspartnerin
In Hessen muss sich die SPD nach 25 Jahren in der Opposition nun mit ihrer neuen Rolle als Regierungspartei anfreunden. Das gelingt ihr noch nicht besonders gut, wie unter anderem Querelen um den Fraktionsvorsitz zeigen. Derweil ist Boris Rhein (CDU) am Donnerstag erneut zum hessischen Ministerpräsidenten gewählt worden. Er hatte sich nach der Landtagswahl am 8. Oktober entschieden, das von seinem Amtsvorgänger Volker Bouffier begonnene langjährige Regierungsbündnis mit den Grünen zu beenden und die SPD zur Koalitionspartnerin zu machen.
Rhein bekam am Donnerstag in der ersten Sitzung des neuen Landtags in Wiesbaden 76 Stimmen. Die neue schwarz-rote Regierungskoalition verfügt über 75 der 133 Mandate im Landtag. Rhein wechselt damit den Regierungspartner: Zuvor hat die CDU zehn Jahre lang mit den Grünen regiert.
Bei der konstituierenden Sitzung war bereits die hessische Landtagspräsidentin Astrid Wallmann in ihrem Amt bestätigt worden. Die 44-Jährige wurde mit großer Mehrheit gewählt. Die CDU-Politikerin steht seit 2022 dem Landtagspräsidium vor. Für ihre Wiederwahl bekam sie auch die Stimmen der Oppositionsfraktionen Grüne und FDP sowie des fraktionslosen Abgeordneten Sascha Herr. Die Abgeordneten der AfD enthielten sich.
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Auf die Vizeposten im Landtagspräsidium wurden Frank Lortz (CDU), Daniela Sommer (SPD), Angela Dorn (Grüne) und René Rock (FDP) gewählt. Die AfD-Kandidatin Anna Nguyen scheiterte dagegen in drei Wahlgängen. Nguyen bekam nur alle Stimmen ihrer Fraktion sowie die von Sascha Herr. Die anderen vier Fraktionen stimmten geschlossen gegen Nguyen. Dies wiederholte sich noch zweimal.
Wallmann beschwor in ihrer ersten Rede in der neuen Legislaturperiode den Wert der freiheitlichen Demokratien in Zeiten, in denen das Vertrauen in die Parteien, Politiker und den Staat nachlassen und die Beteiligung an Wahlen sinke oder auf niedrigem Niveau verharre. Sie forderte, die historisch-politische Bildung neu auszurichten, um mehr Menschen zu erreichen.
In der SPD kam es derweil vor der Konstituierung des Landtags offenbar zu Machtkämpfen. Der bisherige Fraktionschef Günter Rudolph wurde komplett ausgebootet. Als sich zu Wochenbeginn die künftige CDU-SPD-Landesregierung der Öffentlichkeit präsentierte, fehlte er auf dem Gruppenbild und damit einer der maßgeblichen Wegbereiter der neuen Großen Koalition. Rudolph war bei der Besetzung der drei SPD-geführten Ministerien leer ausgegangen.
Nun bleibt der 67-Jährige nicht einmal Chef der SPD-Fraktion. Und das, obwohl Bundesinnenministerin Nancy Faeser sich in ihrer Funktion als SPD-Landesvorsitzende noch während der Vorstellung des Kabinetts öffentlich für ihn eingesetzt hatte. Für Faesers Wunsch, Rudolph wenigstens als Fraktionschef zu bestätigen, gab es offenbar keine sichere Mehrheit, weshalb er nicht mehr antrat. Zum Fraktionsvorsitzenden wurde Tobias Eckert gewählt. Mit zwölf Stimmen erhielt der 43-Jährige, der wie Rudolph zum konservativen Flügel gehört, nur eine Stimme mehr als seine zum linken Flügel zählende Gegenkandidatin Lisa Gnadl.
Das letzte tiefe Zerwürfnis in der hessischen SPD-Fraktion hatte es vor 15 Jahren gegeben. Damals ging es um die an den eigenen Leuten gescheiterte Bildung einer von der Linken geduldeten rot-grünen Landesregierung unter der Ex-SPD-Vorsitzenden Andrea Ypsilanti.
Rudolph gilt als Vertrauter von Ministerpräsident Rhein. Doch schon seit Beginn der Koalitionsverhandlungen stand er im Schatten des zum linken Flügel zählenden stellvertretenden SPD-Landeschefs Kaweh Mansoori. Der Bundestagsabgeordnete könnte im Frühjahr Nachfolger von Faeser an der Spitze der Hessen-SPD werden. Der rechte Flügel setzte indes mit Eckert einen der ihren als Fraktionschef durch. Faeser und Rudolph waren parteiintern geschwächt, weil die SPD mit ihnen bei der Hessen-Wahl mit 15 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis holte.
Eine Zäsur ist die Konstituierung des Landtags und der neuen Koalition für Die Linke. Im hessischen Landtag war sie seit 2008 als Fraktion vertreten. Bei der Wahl im Herbst war sie nur noch auf 3,1 Prozent der Stimmen gekommen. Am Dienstag nahm die Fraktion ihren endgültigen Abschied. Die Fraktionsvorsitzenden Elisabeth Kula und Jan Schalauske erklärten dazu, man werde interne Ursachen für die Niederlage aufarbeiten. Man könne zugleich »selbstbewusst auf knapp 16 Jahre politische Arbeit im Landtag zurückblicken«. Sie verwiesen auf zahlreiche Meilensteine wie die Einsetzung des NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag, der ohne Die Linke nicht zustande gekommen wäre. »Auch die Einsetzung der Untersuchungsausschüsse zum Terroranschlag von Hanau und zur Ermordung von Walter Lübcke ist von der Linken wesentlich mit vorangebracht worden«, so Kula und Schalauske.
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