Reicher Bauer, armer Bauer

Die wirtschaftliche Lage im Agrarsektor ist extrem unterschiedlich

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Hohe Kosten für Energie, Dünger und Futtermittel, Klimaextreme und immer neue geopolitische Verwerfungen sind die aktuellen Herausforderungen für die Agrarbranche in Deutschland. Belastend wirken auch der bürokratische Aufwand, den Bauern erfüllen müssen, und der Schlingerkurs der Bundesregierung. Andererseits stiegen die Preise für Nahrungsmittel seit der Corona-Pandemie um ein Viertel und mehr.

Doch »den« Bauern gibt es nicht. Die Unterschiede zwischen den 259 000 Betrieben sind riesig. Ihr wirtschaftlicher Erfolg hängt etwa davon ab, ob sie Acker-, Futter- oder Gartenbau betreiben, Kühe oder Schafe halten, wie das Wetter war und vor allem wie sich die Marktpreise entwickeln.

In den Mittelgebirgen sorgen Bauern für die Offenhaltung der Landschaft, an der Ostseeküste für die Pflege der Deiche. Im Schwarzwald dominieren Kleinstbetriebe mit einer Handvoll Hektar, in Nord- und Ostdeutschland gibt es Unternehmen mit mehr als 1000 Hektar. Auch stehen Betriebe, die hauptsächlich eigene Felder bewirtschaften, ganz anders da als Unternehmen mit kostspielig gepachteten Flächen. Hier kommt die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in der Europäischen Union ins Spiel: Oft fließen die flächenbezogenen Direktzahlungen nicht an Bauern, sondern an ortsfremde Bodeneigentümer. Das Thünen-Institut, eine Forschungseinrichtung unter dem Dach des Bundeslandwirtschaftsministeriums, beziffert diese Überwälzungseffekte auf 50 bis 60 Prozent der Direktzahlungen aus Brüssel. Nicht unerheblich für die wirtschaftliche Lage ist auch die Exportorientierung eines Betriebes. So fließt ein Drittel der in Deutschland erzeugten Milch ins Ausland bis nach China. Auf der Gewinnerseite stehen zugleich Betriebe, die auf eigenen Flächen erneuerbare Energie erzeugen oder ihre Produkte auf Wochenmärkten direkt vermarkten.

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Ohnehin unterscheiden sich die Einkommen zwischen den Betriebsformen deutlich. So haben Ackerbaubetriebe laut Thünen-Institut im Durchschnitt ein höheres Einkommen je nicht entlohnter Familien-Arbeitskraft – dieses dient Agrarökonomen als Maßstab für Entwicklungen in der Branche. Die Daten basieren auf den Buchführungsabschlüssen von repräsentativ ausgewählten landwirtschaftlichen Betrieben. Das mit Abstand niedrigste Einkommen der arbeitenden Familienmitglieder, die nicht Angestellte sind, weisen danach Futterbaubetriebe auf, während das Einkommen im Gartenbau zuletzt besonders stark gestiegen ist. Dabei zeigt sich innerhalb aller Betriebsformen nochmals eine große Einkommensstreuung.

Trotz des jahrzehntelangen Trends zu weniger und größeren Höfen blieb der Geldsegen für die Überlebenden aus. Über alle Betriebe hinweg ist das durchschnittliche Einkommen je Familien-Arbeitskraft in den letzten 15 Jahren im Durchschnitt real nur um ein Prozent pro Jahr gestiegen, und das bei erheblichen Schwankungen. In den drei Wirtschaftsjahren 2019/20 bis 2021/22 erzielten die Betriebe ein durchschnittliches Einkommen von rund 46 000 Euro je Familien-Arbeitskraft und Jahr. Dabei reicht die Spanne von Verlusten bis hin zu Überschüssen von mehr als 110 000 Euro je Arbeitskraft.

Das Rekordjahr 2022/23 ist in diesen Zahlen noch unberücksichtigt. Hier stiegen die Erzeugerpreise – wie die Lebensmittelpreise – rasant an, im Schnitt um über 30 Prozent. Allerdings legten auch die Kosten der Bauern etwa für Energie und Düngemittel kräftig zu. Unterm Strich waren die Gewinne allerdings überdurchschnittlich hoch. Doch für Bauern und Agrarmärkte war dies lediglich ein kurzzeitiger Ausreißer im Gefolge des Ukraine-Kriegs. Und zugleich die Grundlage für den aktuellen Unmut in der Landbevölkerung, denn seit mehreren Monaten zeigt die Kurve wieder steil nach unten: Die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte waren laut Statistischem Bundesamt im November 2023 um elf Prozent niedriger als im Vorjahresmonat.

Letztlich sind die stark schwankenden Einnahmen auf dem Markt maßgeblich für den finanziellen Erfolg, auch wenn Subventionen und Fördermittel von EU, Bund und Ländern im Schnitt etwa die Hälfte des Einkommens eines Agrarbetriebes darstellt. Der Großteil der EU-Unterstützung entfällt auf die umstrittenen Direktzahlungen, die im Wesentlichen an der Fläche ausgerichtet sind. Ihr Anteil am Ertrag ist durchaus überschaubar: in den drei Wirtschaftsjahren 2020 bis 2022 gerade mal 6,1 Prozent.

Agrarökonomen plädieren für einen nachhaltigen Umbau der Subventionen. Will die Gesellschaft die Erzeugung von Milch und Honig nicht in alle Welt outsourcen, werden auch zukünftig Überweisungen aus Brüssel und Berlin notwendig bleiben. Schließlich bewegt sich die deutsche Landwirtschaft mit ihren 876 000 Arbeitskräften auf einem europäischen, teilweise globalen Markt. Zugleich ist sie die Basis des Agribusiness, das vom Landmaschinenbau über die Müsliproduktion bis zur milchverarbeitenden Industrie reicht.

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