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Hertha BSC: Mit dem Tod von Kay Bernstein stirbt die Revolution
Der verstorbene Präsident wird nicht nur seinem Verein fehlen, sondern dem gesamten deutschen Fußball
Wenn Hertha BSC am Sonntag zum Rückrundenauftakt der 2. Bundesliga Fortuna Düsseldorf empfängt, wird einer fehlen. Kay Bernstein, der Präsident des Berliner Fußballklubs, ist am vergangenen Dienstag verstorben, vollkommen überraschend und mit 43 Jahren viel zu früh. »Ich möchte dir was versprechen, solange ich Kapitän bin, werde ich unsere Träume weiterverfolgen und mit Leben füllen.« Mit diesen Worten verabschiedete sich Toni Leistner, Herthas Anführer auf dem Fußballplatz, via Instagram von Bernstein. Es ist durchaus denkbar, dass die Berliner auch in dieser Situation ihren sportlichen Aufwärtstrend bestätigen können. Der Kampf für Bernsteins Träume wie dem Aufstieg oder dem Pokalfinale im Olympiastadion wird sie antreiben. Unvorstellbar scheint hingegen, dass der Verein seinem vom Präsidenten eingeschlagenen, sehr bemerkenswerten Weg wird fortsetzen können.
Die Anteilnahme am Tod von Kay Bernstein ist ungewöhnlich groß und geht weit über die blau-weiße Vereinsgrenze hinaus. Marc Lenz, Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), beschrieb Bernstein als jemanden, »der den Fußball wahnsinnig stark geprägt« habe. Pflichtschuldig klingt das nicht, solch große Würdigung muss man sich verdienen. Bernstein gelang dies, weil er offen und ehrlich seine Vorstellungen vertrat, erst recht, wenn es für sie zu kämpfen galt. Noch im November kritisiert er, dass gewisse Strukturen bei der DFL und dem DFB nicht auf Fortschritt angelegt seien, sondern sehr oft auf Selbsterhalt.
Werte waren für Bernstein nicht nur Worte, um gute Stimmung zu machen. Das zeigt seine Geschichte, die vom Fan und Vorsänger in der Ostkurve bis hin zum Präsidenten von Hertha BSC. 1998 war er Mitgründer die Ultragruppe »Harlekins«, die nach eigenem Bekunden stolz darauf war, die Nazis aus dem Olympiastadion vertrieben zu haben. Wenig später war er maßgeblich daran beteiligt, dass aus der sich gerade neu formierenden Fanszene, die dem System Profifußball den Kampf ansagte, eine bundesweite Bewegung wurde. Daran erinnert sich Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS), im nd-Gespräch: »Ich habe Kay kennengelernt, als er 19 Jahre alt war. Seinerzeit, im Jahr 2001, organisierten wir in Deutschland die erste Ultra-Konferenz mit dem Ziel, die Sprachlosigkeit zwischen DFB und Vereinen auf der einen und der neuen Fankultur der Ultras aufzubrechen. Schon damals stach Kay durch sein Engagement, seine Zuverlässigkeit und seine Kommunikationskraft heraus. So kam der Impuls zur ersten bundesweiten Fandemonstration im Mai 2002 auch von ihm – und weil die vor dem Pokalendspiel in Berlin stattfand, organisierte er die dann auch gleich mal.«
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Ungewöhnlich nennt es die KOS, als übergeordnete Institution einer einzelnen Person aus der Fanszene einen Nachruf zu widmen. Sie tat es trotzdem. Dieser Satz daraus beschreibt Bernsteins Bedeutung: »Die Konferenz und die Demonstration waren der Startschuss für die Gründung der bundesweiten Fanorganisation «Pro 15:30» aus der später «ProFans» wurde.
Sonnabend, 15.30 Uhr: Die Rückkehr zur traditionellen Anstoßzeit zählt wie der Wunsch nach mehr Fanrechten und Teilhabe oder der Entkriminalisierung von Fans zu langjährigen Forderungen der aktiven Szenen. Diese vertrat auch Bernstein. Doch er wäre im Sommer 2022 nicht Präsident von Hertha BSC geworden, wenn er nicht mehr gewollt, größer gedacht hätte. Die fortschreitende Kommerzialisierung wollte er mit der Minimierung der Abhängigkeit vom Fernsehgeld, einer Gehaltsobergrenze oder Maßnahmen gegen ausufernde Beraterhonorare aufhalten. Mit der Anstoßzeit 15.30 Uhr verknüpfte er zudem das Thema Nachhaltigkeit, weil dann wieder für viele Menschen Zugfahrten möglich wären.
Während der Kampf für einen besseren Fußball weitergehen wird, ist das Ableben von Kay Bernstein für Hertha BSC wohl das Ende einer Revolution. Michael Gabriel beschreibt es so: «Die Übernahme des Präsidentenamtes durch Kay Bernstein war für sehr viele Fußballfans bundesweit eine Art Hoffnungsschimmer, weil es sein Ziel war, die Hertha, den selbsternannten Big City Club, wieder näher an die Mitglieder und Fans zu binden.» Das hat Bernstein zweifelsohne geschafft. Allein der Zuwachs von mehr als 10 000 Mitgliedern spricht dafür.
Auch Dario Minden bedauert Bernsteins Tod. Gegenüber «nd» sagte der Sprecher der bundesweit größten Fanvertretung «Unsere Kurve»: «Mit mehr Menschen wie ihm in Führungspositionen wäre ein anderer Fußball möglich. Ein Fußball, der sich nicht wertebefreit jeder potenziellen Einnahmequelle andient, sondern einer, der denen gehört, die ihn lieben.» Einen wie Kay Bernstein wird Hertha BSC nicht finden, er war nicht nur ein außergewöhnlicher Präsident, sondern mischte auch tagtäglich im operativen Geschäft mit – für den «Kulturwandel im Verein», wie er es selbst beschrieb. Zwar versprach Fabian Drescher, bis zum Herbst Interimspräsident, Bernsteins «Berliner Weg» fortsetzen zu wollen. Doch wer stellt sich, wie Bernstein es tat, gegen Herthas jetzigen Investor 777 Partners, der die Zeit für die «Hyperkommerzialisierung des Fußballs» gekommen sieht?
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