Streik in Italien: Gegen Konzern und Gewerkschaftsführung

Beschäftigte des italienischen Möbelunternehmens Mondo Convenienza erringen Streikerfolg

  • Alieren Renkliöz
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit bemerkenswerter Ausdauer kämpften Arbeiter der Firma Mondo Convenienza für mehr Lohn – und hatten nun Erfolg.
Mit bemerkenswerter Ausdauer kämpften Arbeiter der Firma Mondo Convenienza für mehr Lohn – und hatten nun Erfolg.

Am 17. Januar war es soweit: Nach einem mehrmonatigen Streik hat der Möbelkonzern Mondo Convenienza eine Einigung mit den drei größten italienischen Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL unterzeichnet. Danach fallen ab März alle Arbeitsverträge des Konzerns sowie seiner Subunternehmen unter den Tarifvertrag der Logistikbranche. Das Unternehmen verpflichtet sich damit, die Löhne für seine rund 5000 Arbeiter*innen in den nächsten zwei Jahren zu erhöhen.

Der Tarifvertrag ist das Ergebnis eines im Juli begonnenen Streiks von Beschäftigten in einem Lagerhaus in der Stadt Campi Bisenzio, nördlich von Florenz. Sie wendeten sich gegen Lohndumping seitens des Möbelkonzerns und seines Subunternehmens RL2-Logistica. Das hatte unter anderem Logistikarbeiter*innen als Putzkräfte eingestuft, um ihnen weniger Lohn zahlen zu müssen. Die Beschäftigten berichteten von einem Monatslohn von 1000 Euro bei einer Wochenarbeitszeit von bis zu 80 Stunden – abzüglich Kürzungen im Krankheitsfall.

Die nun erzielte Einigung erhöht die Lohnkosten des Konzerns um geschätzte 100 Millionen Euro. Das ist ein großer Erfolg, finden Luca Toscano und Francesca Ciuffi von der vor Ort aktiven marxistischen Basisgewerkschaft S.I. Cobas. »Jeder einzelne dieser Euros ist einer, der den Gewinnen eines multinationalen Unternehmens entnommen wird, um in Löhne und Lebenszeit für die Arbeiter umgewandelt zu werden«, sagt Toscano. Das Ergebnis sei Ausdruck eines neuen Machtverhältnisses, das die Arbeiter*innen mit ihrem 161-tägigen Arbeitskampf aufgebaut hätten.

Im Mai des vergangenen Jahres hatten in Campi Bisenzio zweiundzwanzig pakistanische Arbeiter mit Unterstützung der Gewerkschaft S.I. Cobas einen Streik begonnen, dem sich im Verlauf des Monats Juli auch Beschäftigte in den Städten Rom, Bologna und Turin anschlossen. Dadurch stieg die Zahl der Streikenden in den Sommerwochen kurzzeitig auf 200 an.

Doch nachdem die Gewerkschaft in den anderen Städten einen Betriebsfrieden vereinbart hatte, blieben Ende Juli nur noch 32 Arbeiter in Campi Bisenzio im Ausstand. Gegen einen Beschluss der Gewerkschaftsführung beschlossen die Arbeiter, gemeinsam mit den lokalen Vertreter*innen von S.I. Cobas weiter zu streiken.

Fünf Monate lang lebten sie in Zelten vor dem Lagerhaus. In dieser Zeit erfuhren sie zwanzig Räumungen durch die Staatsgewalt. Schon am ersten Tag ihres Streiks kündigte das Subunternehmen RL2-Logistica den streikenden Arbeitern, deren Aufenthaltserlaubnis in Italien von einem gültigen Arbeitsvertrag abhängt.

In den ersten zwei Wochen erschien die Polizei jeden Tag vor dem Depot. Auf öffentlichen Social-Media-Kanälen ist dokumentiert, wie die Polizei die Arbeiter kesselt, gegen eine Mauer drängt und mit Knüppeln auf diese einschlägt. Trotzdem gelang es den Arbeitern, die Tore zum Lager zu blockieren und Lieferungen zu unterbinden. »Das Verhandlungsergebnis zeigt uns, dass es möglich ist, auch die harten Kämpfe zu gewinnen«, sagt Toscano zum erfolgreichen Abschluss.

Dessen Bedeutung unterstreicht auch Francesca Ciuffi. Ihr zufolge behaupten gemäßigte Stimmen aus der Gewerkschaftsbewegung, dass Konflikte zu nichts führten und die Ergebnisse an den Verhandlungstischen erzielt würden. Doch sie hält es für falsch, wenn Gewerkschaften sich zu sehr auf Verhandlungen einließen.

»Die Gewerkschaftsbürokratien verstecken sich oft hinter dem Argument, dass man nicht kämpfen kann, weil die Machtverhältnisse nicht gegeben sind. Sie vergessen, dass man diese selbst schaffen muss«, unterstreicht sie. Dafür sei der Sieg bei Mondo Convenienza ein Beweis. Und Toscano ergänzt: »Vereinbarungen bestätigen im besten Fall den Wandel, schlimmstenfalls verhindern sie ihn. Aber sie rufen ihn nicht hervor. Es ist der Kampf, der neue Machtverhältnisse schafft und den Wandel hervorbringt.«

Zwar sind die beiden Gewerkschafter*innen mit dem Ergebnis nicht vollends zufrieden. So bemängeln sie, dass die Vereinbarung »Abstufungen und Ausnahmen« enthält und die neuen Gehaltsregelungen erst in zwei Jahren gelten. Doch der Erfolg könne ein Signal an andere Beschäftigte senden und lasse sich auch reproduzieren. Für Gewerkschafterin Ciuffi ist die Botschaft klar: »Wenn du dich organisierst und streikst, kannst du gewinnen.«

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