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Verfassungsgericht streicht der NPD die Parteienfinanzierung
Laut Staatsrechtler Andreas Fisahn könnte das Urteil auch für ein Verfahren gegen die AfD relevant sein
Karlsruhe dreht der Neonazipartei NPD den Geldhahn zu. Weil sie verfassungsfeindlich ist, hat das Bundesverfassungsgericht die in Die Heimat umbenannte Partei für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Das ist möglich, da die NPD die wichtigste Voraussetzung für einen solchen Ausschluss erfüllt: »Die Antragsgegnerin missachtet nach wie vor die freiheitliche demokratische Grundordnung und ist nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger auf deren Beseitigung ausgerichtet«, erklärte die Vorsitzende Richterin des Zweiten Senats, Doris König, am Dienstag in Karlsruhe.
Es war das erste Verfahren dieser Art am Bundesverfassungsgericht. Das öffentliche Interesse an dem Urteil war auch deshalb besonders hoch, weil diskutiert wird, ob sich ein solches Verfahren womöglich auch auf die AfD anwenden lässt, der schon in Teilen Rechtsextremismus nachgewiesen werden konnte.
Wie begründete das BVerfG sein Urteil?
Das politische Konzept der Partei sei weiterhin nicht mit der Garantie der Menschenwürde im Sinne des Grundgesetzes vereinbar, erläuterte König die einstimmige Entscheidung. So halte sie am ethnischen Volksbegriff und an der Vorstellung von der deutschen »Volksgemeinschaft« als Abstammungsgemeinschaft fest. Zur Verwirklichung der »deutschen Volksgemeinschaft« fordere sie die Trennung von Kulturen und Ethnien, eine umfassende rechtliche Besserstellung aller dieser Gemeinschaft Zugehörigen und die Abwertung des rechtlichen Status aller nicht Zugehörigen.
»Die Propagierung der ethnisch definierten «Volksgemeinschaft» hat eine gegen die Menschenwürde und das Gebot elementarer Rechtsgleichheit verstoßende Missachtung von Ausländern, Migranten und Minderheiten zur Folge«, sagte König. Vorgelegte Belege ließen erkennen, dass die rassistische, insbesondere antimuslimische, antisemitische und antiziganistische Grundhaltung der Partei sowie ihre ablehnende Haltung gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten wie zum Beispiel transsexuellen Personen unverändert fortbeständen.
Darüber hinaus wende sich die Partei gegen das Demokratieprinzip. »Sie will die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ›ethnischen Volksgemeinschaft‹ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen«, sagte König. Das bestehende parlamentarische System mache sie verächtlich und rufe zu dessen Überwindung auf.
Die Möglichkeit zum Finanzierungsausschluss wurde erst nach dem zweiten erfolglosen NPD-Verbotsverfahren 2017 vom Gesetzgeber geschaffen. Ein Verbot hatte das Verfassungsgericht damals abgelehnt, weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele durchsetzen könne – weil sie zu klein sei, um ihre Pläne überhaupt umzusetzen. Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung beantragten dann, die NPD und mögliche Ersatzparteien für sechs Jahre von der Teilfinanzierung auszuschließen.
Bundesinnenministerin Faeser betonte, von der Entscheidung des Gerichts gehe ein klares Signal aus: »Unser demokratischer Staat finanziert keine Verfassungsfeinde.« Die verfassungsrechtlichen Hürden für künftige Verfahren blieben zwar hoch, sagte Faeser laut Mitteilung. Doch »haben wir jetzt ein weiteres Instrument zum Schutz unserer Demokratie«.
Der Parteivorsitzende der Heimat, Frank Franz, räumte schriftlich ein, das Urteil sei nicht schön für seine Partei. »Aber wer glaubt, das würde uns aus dem Spiel werfen und uns aufhalten, der täuscht sich gewaltig.« Gestärkt durch die Unterstützung ihrer Mitglieder und Spender werde die Partei ihren Weg gehen. Laut einem Sprecher hat Die Heimat rund 3000 Mitglieder.
Blaupause für die AfD?
Mehrere Politiker fordern jetzt die Prüfung eines ähnlichen Verfahrens gegen die AfD – darunter CSU-Chef Markus Söder und die Linke-Abgeordnete Clara Bünger. Allerdings müsste das Gericht für einen solchen Ausschluss wie bei einem Verbot feststellen, dass die AfD verfassungsfeindlich ist.
Der einzige Unterschied zwischen beiden Verfahren: Für den Ausschluss von der Parteienfinanzierung spielt es keine Rollte, ob die Partei tatsächlich das Potenzial hat, die Grundordnung zu gefährden. Laut Einschätzung des Staatsrechtlers Andreas Fisahn erfülle die AfD diese Voraussetzung für ein Verbot allerdings ohnehin schon.
Entscheidend für ein AfD-Verfahren könnte aber die Begründung des BVerfG-Urteils gegen die NPD sein, erklärte Fisahn gegenüber »nd«. In dieser führte das Gericht etwa aus, dass auch Aussagen einzelner Abgeordneter in den Parlamenten der Partei zuzurechnen sind. Für die NPD sei das natürlich völlig uninteressant, da diese seit 2021 in keinem Parlament mehr vertreten ist. »Für die AfD ist das aber total interessant. Das ist direkt auf sie gemünzt«, so Fisahn. Zudem könne laut Urteil auch das Verhalten von NPD-Anhängern der Partei zugerechnet werden – wenn die NPD nicht widerspricht.
Will also ein Ankläger künftig beweisen, dass die AfD verfassungsfeindlich ist, könnten Aussagen der AfD-Parlamentarier und sogar der Parteianhänger für die Argumentation genutzt werden – sei es für ein Verbots- oder ein Finanzierungsausschlussverfahren.
Bisher finanziert sich die AfD laut Statista zu 44 Prozent durch staatliche Mittel, also die Parteienfinanzierung. Ein Finanzierungsausschluss könnte die Partei immens schwächen.
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