Nato-Beitritt Schweden: Viktor Orbán lässt bitten

Nach Zustimmung der Türkei fehlt Schweden nur noch Budapests Ja zum Nato-Beitritt

Zwanzig Monate bereits währt der Poker um die Ratifizierung des Beitrittsprotokolls, das Schweden offiziell zum Mitglied des nordatlantischen Militärpakts macht. Es fehlt die Zustimmung der letzten zwei von nach dem Beitritt Finnlands im vergangenen April nun 31 Nato-Alliierten: die der Türkei und in ihrem Schlepptau Ungarn. Beide Staaten verfolgen eine an den eigenen Interessen orientierte geopolitische Schaukelpolitik. Nachdem am Dienstagabend das türkische Parlament seinen Segen gab, muss Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Beschluss noch mit seiner Unterschrift bestätigen.

Die hängt wie bisher weniger an dem, was man in Stockholm tut oder lässt. Die bürgerliche, im Reichstag von den Stimmen der rechtsnationalistischen Schwedendemokraten abhängige Minderheitsregierung von Ulf Kristersson hat sich von Ankara willig vorführen lassen und erfüllte Stück für Stück Ankaras Forderungen, darunter die Genehmigung von Waffenexporten, die Auslieferung sowie ein härteres juristisches Vorgehen gegen aus der Türkei stammende politische Exilanten auf der Grundlage eines »Sicherheitspaktes«. Auf den verteidigungspolitischen folgte ein Kurswechsel, der bisherigen Prinzipien schwedischer Außenpolitik Hohn spricht.

Die schwedisch-türkischen Verhandlungen waren für Erdoğan aber nur ein lohnendes Nebengeschäft in der Nato-Angelegenheit. Von deren Führungsmacht möchte Erdoğan mit seiner Blockade die Zustimmung zur Lieferung und Modernisierung von Kampfflugzeugen erlangen. Der Rüstungsdeal mit Washington ist nun so gut wie perfekt. Nach erfolgter Ratifizierung des schwedischen Protokolls durch Erdoğan – der US-Botschafter in Ankara Jeffery L. Flake erwartet diesen Schritt in den kommenden Tagen – will das US-Außenministerium den Verkauf von F16-Jets an die Türkei offiziell machen. US-Präsident Joe Biden setzt sich gegenüber dem US-Kongress dafür ein, das Geschäft zu genehmigen.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Ein Einlenken in der Frage der schwedischen Nato-Mitgliedschaft signalisiert nun auch Ungarn. Mit dem Hinauszögern der Ratifizierung revanchierte man sich in Budapest für Kritik aus Stockholm im jahrelangen Rechtsstaatsstreit und eine Sperrung von EU-Geldern. Man werde das ungarische Parlament »weiterhin dazu drängen«, für Schwedens Nato-Beitritt zu stimmen und die Ratifizierung »bei der ersten möglichen Gelegenheit« abzuschließen, erklärte Ministerpräsident Orbán nicht frei von Ironie auf der Online-Plattform X.

Wann sich diese Gelegenheit ergibt, steht noch nicht fest. Die Opposition drängt für die Ratifizierung des schwedischen Protokolls auf eine Sondersitzung des Parlaments. Dessen Winterpause dauert bis Ende Februar, der Ministerpräsident könnte es aber auch früher zusammenrufen. Und weder die Regierungspartei Fidesz noch der ihr angehörende Parlamentspräsident László Kövér zeigen in der Sache besondere Eile. »Jemand muss der Letzte sein«, erklärte Kövér gegenüber Medienvertretern. Gleichzeitig warf er Schweden vor, sein Land arrogant behandelt zu haben.

Unterdessen laufen die Vorbereitungen zur vollen Integration Schwedens in die Nato-Strukturen längst. Trotz Allianzfreiheit kooperieren dessen Streitkräfte schon seit Jahrzehnten eng mit dem westlichen Bündnis. Im Frühjahr soll der Reichstag über ein im vergangenen Dezember mit den Vereinigten Staaten geschlossenes Abkommen (Defense Cooperation Agreement) abstimmen. Damit erhält die US-Armee Vollmachten, schwedisches Territorium zu nutzen und auf 17 Stützpunkten Truppen und Waffen zu stationieren.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!