Vietnams langer Weg zum Sieg

Der Krieg der USA brachte Tod und Verwüstung

26. April in Ho-Chi-Minh-Stadt: Der 50. Jahrestag des endgültigen Sieges im Verteidigungskrieg gegen die USA und das südvietnamesische Regime ist dieser Tage allgegenwärtig.
26. April in Ho-Chi-Minh-Stadt: Der 50. Jahrestag des endgültigen Sieges im Verteidigungskrieg gegen die USA und das südvietnamesische Regime ist dieser Tage allgegenwärtig.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist die von den französischen Kolonialisten im 19. Jahrhundert Indochina getaufte Region in Südostasien – die heutigen Staaten Vietnam, Laos und Kambodscha – ein Brennpunkt des Kalten Krieges. Hier überkreuzen sich die geopolitischen Interessen des Westens mit denen Chinas und der Sowjetunion, während Unabhängigkeitsbewegungen seit Jahrzehnten für die der hier lebenden Völker kämpfen. In Vietnam führt diesen Kampf Ho Chi Minh an, ein Vertreter der kommunistischen Ideologie, deren Eindämmung sich die von den Hexenjagden der McCarthy-Ära geprägte US-Politik verschrieben hat.

1964 greifen die USA mit Truppen direkt in Vietnam ein. »Wir nahmen die schwarzen jungen Männer, denen unsere Gesellschaft das Lebensrecht versagte, und sandten sie 8000 Meilen weit, um in Südostasien die Freiheiten zu sichern, die sie in Südwest-Georgia und East-Harlem nicht gefunden hatten«, sagte der Bürgerrechtler Martin Luther King April 1967 – auf den Tag genau ein Jahr vor seiner Ermordung – in einer berühmten Rede in New York. Elf Jahre dauert der Krieg mit ungleichen Mitteln geführte Kampf der Supermacht gegen ein Volksheer und eine Guerilla, die Washington am Ende eine demütigende Niederlage zufügen.

Die USA sind Nachfolger anderer Okkupanten. Ein erster großer Aufstand gegen die Franzosen, die Vietnam 1883 vollständig unterworfen hatten und das Land als Lieferant von Kohle, Kautschuk und Reis ausbeuteten, wird 1930 blutig niedergeschlagen. Im Zweiten Weltkrieg wird Vietnam zusätzlich von den Japanern unterdrückt, nachdem das Kaiserreich 1940 Indochina in seinen Machtbereich gebracht hatte. Die USA rufen die Vietnamesen zum Kampf für die Unabhängigkeit auf. Nach Japans Kapitulation am 2. September 1945 unterstützen sie dann aber Frankreich darin, Indochina weiter zu beherrschen.

Der elf Jahre währende Krieg hat bis zu zwei Millionen Zivilisten das Leben gekostet.

Mit der verlorenen Schlacht von Dien Bien Phu im Mai 1954 endet die französische Präsenz in Nordvietnam. Bereits neun Jahre zuvor hat Ho Chi Minh, Führer der Unabhängigkeitsliga Vietminh, in Hanoi die Demokratische Republik Vietnam (DRV) ausgerufen. Im Süden haben die Franzosen eine Gegenregierung installiert. Auf der Genfer Indochina-Konferenz wird am 24. Juli 1954 beschlossen, dass zwei Jahre später in ganz Vietnam freie Wahlen stattfinden. Dazu kommt es nicht, weil der Sieger Ho Chi Minh hieße. Stattdessen wird die Diktatur von Ngo Dinh Diem und dessen »Republik Vietnam« von den USA aufgerüstet.

Gegen die US-Marionetten und für die Einheit und Unabhängigkeit Vietnams kämpft im Süden die Ende 1960 gegründete Befreiungsfront NFL, auch Vietcong genannt. Unter John F. Kennedy wächst die Zahl der nach Saigon entsandten US-Militärberater. Der Nachfolger des 1963 ermordeten Präsidenten, Lyndon B. Johnson, befiehlt am 5. August 1964 erstmals Luftangriffe auf Nordvietnam. Die Zustimmung des Kongresses erhält er aufgrund des fingierten »Zwischenfalls im Golf von Tonking«, dem erfundenen vietnamesischen Angriff auf die USS »Maddox«.

Bald werden Bodentruppen entsandt: Bis 1968 steigt die Zahl der in Südvietnam stationierten US-Soldaten auf über eine halbe Million. Der Krieg wird auch in die neutralen Nachbarländer Laos und Kambodscha getragen. Ein militärisches Hauptziel der US- und der südvietnamesischer Armee ist der »Ho-Chi-Minh-Pfad«, eine im Dschungel verborgene Transportroute von Nord- nach Südvietnam.

Für das Saigoner Regime lässt Präsident Johnson während der Operation »Rolling Thunder« die Air Force bis Oktober 1968 Flächenangriffe mit Millionen Tonnen an Bomben gegen Laos und die DRV fliegen – nach der Doktrin von Luftwaffenchef Curtis LeMay, Vietnam »in die Steinzeit zurückzubomben«. Die Sowjetunion und andere sozialistische Länder unterstützen die DRV mit Ausbildern und Militärhilfe.

Neben den stärksten konventionellen Waffen kommen beim Krieg der USA in Vietnam Streubomben sowie furchtbare chemische Kampfmittel wie Napalm zum Einsatz. Um Feinde aufzuspüren, werden tausendfach aus der Luft Wälder mit hochgiftigen Entlaubungsmitteln wie Agent Orange besprüht. Berichte über Kriegsverbrechen wie das Massaker an Hunderten Dorfbewohnern in My Lai am 16. März 1968 erschüttern die Weltöffentlichkeit.

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Die überraschende Tet-Offensive zum buddhistischen Neujahrsfest Anfang 1968 macht deutlich, dass die USA den asymmetrischen Krieg nicht gewinnen können. Aufständische nehmen vorübergehend Dutzende Städte ein, in Saigon attackieren sie Präsidentenpalast und US-Botschaft. Der Widerstand gegen den Krieg erhält Aufschwung im Westen. Die Moral der nach Vietnam entsandten Wehrpflichtigen ist miserabel. Johnson lässt die Angriffe auf Nordvietnam einstellen. Der schrittweise Abzug der GIs unter seinem Nachfolger Richard Nixon folgt dem Konzept einer »Vietnamesierung« des Blutvergießens am Boden.

Ab Mai 1968 wird in Paris über Frieden verhandelt. Doch im Dezember 1972 starten die USA mit den zwölf Tage währenden »Weihnachtsbombardements« die größten Angriffe auf Hanoi und Haiphong. In einer Rede prangert Schwedens sozialdemokratischer Ministerpräsident Olof Palme dies als eine »Form der Folter« an und verweist auf das kommende Urteil der Geschichte. Er stellt die Bombardierungen in eine Reihe mit anderen Untaten in der modernen Geschichte: »Guernica, Oradour, Babij Jar, Katyn, Lidice, Sharpeville, Treblinka«. Das Weiße Haus antwortet mit einer diplomatischen Eiszeit gegenüber Schweden.

Im Pariser Abkommen vom 27. Januar 1973 müssen die USA die Unabhängigkeit und Einheit Vietnams anerkennen. Nixon tritt anderthalb Jahre später wegen der Watergate-Affäre zurück. Trotz weiterer Militärhilfen bricht das südvietnamesische Regime im Frühjahr 1975 zusammen. Mit der Befreiung von Saigon am 30. April 1975 triumphieren Vietnamesische Volksarmee und Vietkong endgültig. Der elf Jahre währende Krieg hat bis zu zwei Millionen Zivilisten das Leben gekostet, etwa 1,3 Millionen vietnamesische Soldaten wurden getötet. Auf Seiten der US-Armee starben in Vietnam mehr als 58 000 Kriegsteilnehmer.

»Vietnam 1975«, Eröffnung der Ausstellung am 30. April, 18.30 Uhr, Kino Babylon in Berlin.

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