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Bayer Leverkusen: Eine Bundesliga-Saison ist ein Marathon
Der Spitzenreiter lässt trotz großer Überlegenheit zwei Punkte liegen, bleibt aber auch nach dem 0:0 gegen Gladbach nüchtern und gelassen
Wenn Fußballer in der einen Sprache denken, zugleich jedoch Überlegungen in einer anderen Sprache zum Ausdruck bringen möchten, entstehen häufig interessante Botschaften. Unvergessen sind die legendären »Flasche leer«- und »Ich habe fertig«-Formulierungen des Italieners Giovanni Trapattoni. Pep Guardiola sinnierte beim FC Bayern gerne über die »Umschaltung«, um den Stil der Bundesliga zu beschreiben, und so weiter und so fort.
In der laufenden Saison sitzt in Leverkusen mit Xabi Alonso nun ein besonders versierter Sprachmischer auf der Trainerbank; in der Kabine wird viel auf Spanisch und Englisch kommuniziert, öffentlich äußert Alonso sich aber auch gerne auf Deutsch. Nicht selten streut er dabei fremde Begriffe in seine Sätze ein, wie zum Beispiel nach dem 0:0 gegen Borussia Mönchengladbach am Samstagabend. »Wir haben genug gemacht, um drei Punkte zu gewinnen«, sagte er, aber »der letzte Torschuss war nicht ›clinical‹ genug.«
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»Clinical« ist ein Begriff, der tief verwurzelt ist in der internationalen Fußballsprache, ein Wörtchen, für das es keine exakte Übersetzung ins Deutsche gibt. »Nüchtern«, »steril« oder auch »klar«, sind passende Entsprechungen, allerdings suggeriert »clinical« auch, dass es hier um irgendein Detail geht, das mit dem Gesundheitszustand des Mannschaftsorganismus zu tun hat. Damit hatte Alonso eigentlich alles gesagt zu dieser Bundesligapartie, in der Bayer Leverkusen wieder einmal mitreißend schön Fußball gespielt hatte, aber erstmals in dieser Saison ohne eigenes Tor geblieben war. Nach Zählungen des Senders »Sky« war sogar ein unglaublicher Rekord entstanden: 69 Ballaktionen hatte Bayer im gegnerischen Strafraum, einen derart hohen Wert hat es seit der Datenerfassung noch nie in einem Bundesligaspiel gegeben. Aber es krankt derzeit an der Effizienz.
Schon in den ersten beiden Partien des Jahres, in denen der Tabellenführer jeweils in der Nachspielzeit Siegtore erzielt hatte, fiel es den Offensivspielern schwer, die Dominanz in Tore zu verwandeln. Zwei der vier Leverkusener Treffer im Jahr 2024 schossen Innenverteidiger nach Eckbällen, die beiden anderen gelangen dem Defensivstrategen Ezequiel Palacios und dem Flügelspieler Nathan Tella. Patrik Schick, Florian Wirtz und Jonas Hofmann agieren seit der Winterpause hingegen glücklos im Torabschluss. »Der letzte Punch hat heute gefehlt«, sagte Hofmann, »die letzte Entschlossenheit, die letzte Gier, das Tor zu machen.«
Und dennoch ruhen die Leverkusener derzeit so sehr in sich, dass sie sich von so einem Rückschlag nicht aus der Ruhe bringen lassen. Weder auf dem Rasen noch daneben. »Wir sind nie kopflos geworden, es sollte einfach nicht sein«, sagte Nadiem Amiri. Selbst in der Hektik der Schlussminuten spielte die Mannschaft klar und strukturiert, vor allem jedoch bricht in Leverkusen nicht jene Panik aus, die während der vergangenen Jahre in vergleichbaren Momenten bei Borussia Dortmund an die Oberfläche drang. »That’s part of the game. Weitermachen«, sagte der Mittelfeldspieler Granit Xhaka, der anmerkte: »Wer glaubt, dass wir in der Rückrunde 17 Spiele gewinnen, liegt meiner Meinung nach falsch. So eine Saison ist ein Marathonlauf.«
Auch Alonso bediente sich ein weiteres Mal am internationalen Fußballervokabular, als er gefragt wurde, ob er angesichts des näher rückenden FC Bayern unruhig werde: »Es gibt noch 15 Spiele. Wenn ich jetzt nervös bin, dann bin ich im Mai kaputt. Das ist nicht meine Idee. Also bin ich ›tranquil‹.« Tranquil bedeutet: still. Ruhig. Gelassen.
Selbst die neue von Jürgen Klopps angekündigtem Rücktritt ausgelöste Störkraft aus England scheint niemanden aus der Bahn zu werfen in Leverkusen. Alonso ist jetzt einer der Hauptkandidaten für die Nachfolge in Liverpool und erklärte lässig: »Es gibt immer eine Zeit, aber ich bin hier sehr glücklich und sehr fokussiert.« Ähnlich sieht es Fernando Carro, »Gerüchte gehören dazu«, sagte der Geschäftsführer und sogar auf das Stürmerproblem präsentierten die Leverkusener mit dem Abpfiff eine passende Antwort. Der Tabellenführer der Bundesliga hat bis zum Saisonende den 31 Jahre alten ehemaligen spanischen Nationalspieler Borjas Iglesias von Betis Sevilla ausgeliehen. Einen robusten Zentrumstürmer, dessen Torabschlüsse Alonso vielleicht sehr bald schon mit dem Wörtchen »clinical« beschreiben wird.
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