DGB: Klare Kante beim Mindestlohn

Gewerkschaft verlangt von Unternehmensverbänden Vorschlag zur Erhöhung noch im ersten Halbjahr

Der Ärger über das Vorgehen der Kapitalseite in der Mindestlohnkommission scheint beim DGB nicht verflogen. Statt die Kommissionsmitglieder vorab darüber zu informieren, setzte der Gewerkschaftsbund den Unternehmen am Mittwoch auf seiner Jahrespressekonferenz eine Frist: Bis Ende Juni soll ein neuer Vorschlag für die Anhebung des Mindestlohns auf dem Tisch liegen. »Sonst ist es irgendwann geboten, dass die Politik eingreift«, mahnte Stefan Körzell, Mitglied im DGB-Bundesvorstand, an.

Im Sommer vergangenen Jahres hatte die Kommission den Mindestlohn von 12 Euro um 41 Cent angehoben. »Auf Betreiben der Unternehmen wurde es durchgedrückt«, betont Körzell. Das Gremium setzt sich paritätisch aus Gewerkschafts- und Unternehmensvertretern zusammen. Mit der Stimme der Kommissionsvorsitzenden hatte sich die Kapitalseite gegen die Gewerkschaften durchgesetzt. Der DGB fordert mit Blick auf eine entsprechende Richtlinie der Europäischen Union eine Verdienstuntergrenze von mindestens 14 Euro.

Auch hinsichtlich der seit Jahren rückläufigen Tarifbindung machte die Gewerkschaft am Mittwoch Druck. DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi erneuerte ihre Forderung nach einem Bundestariftreue- und Vergabegesetz und sagte in Richtung Ampel-Koalition: »Ich erwarte, dass das Gesetz noch im ersten Quartal verabschiedet wird.« Das würde Unternehmen, die nicht an Tarifverträge gebunden sind, von öffentlichen Aufträgen ausschließen.

»Tarifverträge sind zwar besser als Gesetze«, betonte Fahimi. Denn man könne mit den Gewerkschaften passgenaue Lösungen und faire Löhne vereinbaren. Aber wenn die Unternehmen nicht von sich aus bereit sind, die Tarifbindung zu erhöhen und man nicht »im Wilden Westen« enden wolle, bedürfe es einer staatlichen Regelung, erklärte sie.

Die Tarifbindung in Deutschland befindet sich seit Jahrzehnten im Abwärtstrend. Laut Statistischem Bundesamt arbeiten inzwischen weniger als die Hälfte der Beschäftigten in tariflich geregelten Arbeitsverhältnissen. Vor allem in Ostdeutschland ist die Quote mit nur 45 Prozent niedrig. Das betrifft insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Linke-Bundestagsabgeordneten Pascal Meiser hervorgeht.

Auf nd-Nachfrage erläuterte DGB-Chefin Fahimi dazu: »Wenn es nicht nur Schaufensterpolitik ist, wird das Tariftreuegesetz auch mit Blick auf die kleinen und mittleren Betriebe eine Wirkung entfalten.« Dafür müssten aber Schlupflöcher etwa für Subunternehmer und Start-ups ausgeschlossen werden. Und auch öffentliche Aufträge von weniger als 50 000 Euro sollten unter die Regelung fallen, betonte sie. »Hier erwarten wir ein ordnungspolitisches Signal von der Bundesregierung.« Laut Unternehmensverbänden wäre das Gesetz ein verfassungswidriger Eingriff in die Tarifautonomie.

Daneben wiederholte Fahimi am Mittwoch auch die Forderung nach einer Abschaffung, mindestens aber Reform der Schuldenbremse. Die habe sich zu einer Investitionsbremse entwickelt. »Aber wir brauchen Investitionen in eine klimagerechte Wirtschaft mit Beschäftigungsaufbau«, betonte sie. Die Sparpläne der Bundesregierung seien der falsche Weg. »Die Verteilungsdebatte muss am oberen Rand stattfinden«, forderte Fahimi.

Die DGB-Chefin warnte in dem Zusammenhang auch vor einer weiteren Spaltung der Gesellschaft und dem Erstarken der extremen Rechten in Deutschland. »Wir kämpfen für ein Miteinander in einer toleranten, demokratischen und solidarischen Gesellschaft«, unterstrich sie und lud die Arbeitgeber dazu ein, eine »Brandmauer gegen den Faschismus in den Betrieben« zu bauen.

Laut eigenen Angaben haben die DGB-Gewerkschaften im vergangenen Jahr 437 000 neue Mitglieder dazugewonnen. Insgesamt liegt die Zahl nun bei 5 665 671 und damit um etwa 20 000 höher als 2022.

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