Bundestag soll Polizeibeauftragten erhalten

Bundesrat berät über Gesetz zur Kontrolle von Polizeigewalt

  • Dirk Burczyk
  • Lesedauer: 4 Min.
Polizeigewalt stoppen, aber wie? Polizeibeauftragte könnten ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Polizeigewalt stoppen, aber wie? Polizeibeauftragte könnten ein Schritt in die richtige Richtung sein.

An diesem Freitag berät der Bundesrat über den Entwurf eines »Gesetzes über eine Polizeibeauftragte oder einen Polizeibeauftragten des Bundes beim Deutschen Bundestag«. Von den Abgeordneten im Bundestag wurde es bereits beschlossen. Es kann also verkündet werden und in Kraft treten, wenn der Bundesrat keine Einwände erhebt. Mit Widerstand ist bei den 16 Ländern auch nicht zu rechnen, schließlich verfügt die Hälfte von ihnen selbst über parlamentarische Polizeibeauftragte.

Schon lange vor den Gesetzesberatungen wurde bekannt, dass der bayerische SPD-Abgeordnete Uli Grötsch das Amt übernehmen soll. Mit seiner Wahl ist in den nächsten Wochen zu rechnen. Er wird dann über eine Reihe von Befugnissen verfügen, um Beschwerden über Fehlverhalten nachgehen zu können. Der Beauftragte kann Beamt*innen und weitere Zeug*innen befragen, eine Stellungnahme der betroffenen Polizeibehörde zu einer Eingabe anfordern, Akteneinsicht nehmen und Dienststellen von Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Bundestagspolizei aufsuchen sowie Großeinsätze beobachten.

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Auch bei den Staatsanwaltschaften kann der Beauftragte Akten anfordern, aber auch von sich aus Informationen übermitteln, wenn er Anhaltspunkte für eine Straftat sieht. Anders als bei den Landespolizeibeauftragten sind seine Untersuchungen allerdings nicht automatisch gesperrt, wenn die Staatsanwaltschaft in derselben Sache Ermittlungen führt. Er muss sich aber mit der Justiz abstimmen, etwa um laufende Ermittlungen nicht zu gefährden. In Fällen besonderer Bedeutung veröffentlicht der Beauftragte einen Bericht über seine Untersuchung, außerdem berichtet er dem Parlament jährlich über seine Tätigkeit.

Die Forderung nach der Einrichtung unabhängiger Beschwerdemechanismen hatten Bürgerrechtler*innen und kritische Beamt*innen schon in den 80er Jahren erhoben. Damit sollten die rechtsstaatliche Kontrolle der Polizei gestärkt und widerrechtliche oder unverhältnismäßige Polizeigewalt eingedämmt werden. In Hamburg entstand mit der Hamburger Polizeikommission 1998 eine erste Beschwerdestelle, die allerdings 2001 unter dem neuen Senat von Ole Beust (CDU) und Ronald Schill (PRO) wieder abgeschafft wurde.

Mit offensichtlichen Fällen rassistischer Polizeigewalt, dem Versagen der Behörden bei der Bekämpfung des Rechtsterrorismus (NSU) und Debatten um rassistisch geleitete Polizeikontrollen erhielten die Befürworter*innen unabhängiger Beschwerdestellen neuen Auftrieb. Wichtiger Bezugspunkt der menschenrechtsbasierten Argumentation für einen unabhängigen Beschwerdemechanismus ist das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen. Es forderte in einem Staatenbericht zur Umsetzung der UN-Menschenrechtskonvention 1992 die Einrichtung eines tatsächlich (»truly«) unabhängigen Mechanismus zur Untersuchung von Beschwerden über Fehlverhalten von Polizeibeamt*innen.

Die Einrichtung eines solchen Beschwerdemechanismus steht seit 2014 auch auf der Agenda des Deutschen Instituts für Menschenrechte als zentrale Monitoringstelle für die Umsetzung von internationalen Menschenrechtskonventionen in Deutschland. Solch ein Mechanismus soll fünf Kriterien erfüllen: Die Untersuchungen sollen unabhängig, unverzüglich, angemessen, transparent und unter Beteiligung der Betroffenen erfolgen. Das bedeutet unter anderem, dass solche Beschwerdemechanismen außerhalb der Polizei und auch der sie beaufsichtigenden Ministerien stehen und über ausreichende Personal- und Sachmittelausstattung verfügen müssen, um ihren Aufgaben nachzugehen. Jede Voreingenommenheit muss vermieden werden, um das Vertrauen auf die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens zu rechtfertigen.

Die Ablehnung dieser Kriterien wird von Polizeiangehörigen häufig ebenfalls mit Verweis auf den Rechtsstaat begründet. Dass strafrechtliche Ermittlungen nicht durch die eigene, sondern durch andere Dienststellen und im Falle der Bundespolizei durch die örtlich zuständige Landespolizei geführt würden, stelle von vornherein die Unabhängigkeit der Untersuchung sicher, so die Argumentation. Im Übrigen gebe es bereits unabhängige Stellen für die Untersuchung von Straftaten, nämlich die Staatsanwaltschaft und die Gerichte. Die Einrichtung von Polizeibeauftragten untergrabe gerade das Vertrauen in das Funktionieren des Rechtsstaates und seiner Institutionen.

Vor allem die Polizeigewerkschaften beklagen ein ungeheuerliches Misstrauen und behaupten – wie immer, wenn es um mehr Transparenz und Kontrolle geht – einen »Generalverdacht« gegen die Polizei. Ein Vertreter des Berufsverbands Deutsche Polizeigewerkschaft verwies in der Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat im Bundestag zum Polizeibeauftragtengesetz auf die Änderungen im Bundesdisziplinargesetz (schnellere Entlassung bei schweren Vergehen) und das Hinweisgeberschutzgesetz (besserer Schutz von Whistleblowern vor Nachstellungen). Der Beauftragte komme da noch obendrauf, so das Lamento. Noch sei die Krankheitsrate in der Bundespolizei niedrig, aber sie werde sich erheblich steigern, wenn solche Gesetze das Misstrauen gegen die Polizei befeuerten.

Was die Gegner*innen unabhängiger Beschwerdemechanismen geflissentlich übergehen: Deren Ziel ist niemals nur die Aufklärung des Einzelfalls. Was selbst die gegenüber der Polizei unabhängigste Staatsanwaltschaft nicht leisten kann, ist nämlich, die zugrunde liegenden strukturellen Mängel festzustellen und zu untersuchen. Die Justiz stellt indes nur im Einzelfall Gerechtigkeit her – und nur so weit, wie gegen Strafgesetze verstoßen wurde. An den künftigen Polizeibeauftragten des Bundes können Einzelfälle von Bürger*innen sogar nur dann herangetragen werden, wenn sich daraus Anhaltspunkte für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen ergeben.

Trotz aller Kritik sind Polizeibeschwerdestellen ein neues Element der Kontrolle der öffentlichen Gewalt. Damit sind Rassismus, unangemessene Gewaltausübung und autoritäre Anmaßungen noch lange nicht aus der Welt – aber zumindest eine Möglichkeit geschaffen, sie etwas mehr einzudämmen.

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