Technikmuseum Berlin: Tarifflucht durch die Hintertür

Ein Ende des Outsourcings am Technikmuseum ist nicht in Sicht

Stillstand statt Fortschritt: Koalitionsvorhaben und Parlamentsbeschlüsse zum Outsourcing werden am Technikmuseum seit Jahren ignoriert.
Stillstand statt Fortschritt: Koalitionsvorhaben und Parlamentsbeschlüsse zum Outsourcing werden am Technikmuseum seit Jahren ignoriert.

Im Koalitionsvertrag hat sich die schwarz-rote Regierung eigentlich darauf verständigt, »bereits erfolgte Aus- und Neugründungen« wieder zurückzuführen. Die T & M Technik und Museum Marketing GmbH ist so eine Neugründung der Stiftung Deutsches Technikmuseum (SDTM). Seit Juni 2021 gilt zudem ein Beschluss des Abgeordnetenhauses, die T & M-Beschäftigten bei der SDTM anzustellen und die hundertprozentige Tochter T & M in der Folge aufzulösen. Umgesetzt ist das Vorhaben bis heute nicht.

Eine Eingliederung müsste durch den Stiftungsrat beschlossen werden, dem der Kultursenator Joe Cialo (CDU) vorsitzt. Eine solche Entscheidung steht jedoch bis heute aus. »Innerhalb des Stiftungsrates gibt es sehr große Konflikte zur Wiedereingliederung«, sagt Sven Meyer, Abgeordneter der SPD und fachpolitischer Sprecher für Arbeit im Abgeordnetenhaus, zu »nd«.

Es könne nicht sein, dass Museumsdirektor*innen sich gegen die Umsetzung von Parlamentsbeschlüssen stellen, um einen möglichen Präzedenzfall zu verhindern, sagt Meyer mit Blick auf die Mitglieder in dem Gremium. Das Technikmuseum verwies im September darauf, dass alle anderen Museen in Berlin auch Subunternehmen für die Bereiche Besucherbetreuung und Wachschutz gegründet hätten.

Salim Bellachia, Mitglied des Betriebsrates der T & M sieht die Verantwortung vor allem bei der Politik. »Aus dem Kultursenat heißt es: Wir wollen, aber die Entscheidung obliegt dem Stiftungsrat.« Die Politik könne aber zum Beispiel Finanzen sperren oder die Mitglieder im Stiftungsrat austauschen. Eine Finanzsperre hatte im September auch der SPD-Abgeordnete Lars Düsterhöft gegenüber »nd« angekündigt – bisher ohne Folge. 2015 waren der SDTM drei Millionen Euro eingefroren worden, bis sie sich bereit erklärte, die damals rigide Befristungspraxis einzustellen.

Für Unmut sorgt auch eine Antwort der Kulturverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage. Ende letzten Jahres hatte Sven Meyer um Informationen über die geschätzten Kosten für eine Eingliederung gebeten. Laut Senat sei mit Mehrkosten von 1,6 Millionen Euro zu rechnen. Grundlage der Antwort waren Berechnungen der SDTM selbst.

In einem offenen Brief kritisieren die Verdi-Betriebsgruppen von SDTM und T & M dies als »künstliche Kostenerzeugung«. So liste die SDTM für zusätzliches Personal Mehrkosten von 1,2 Millionen Euro. Die Betriebsgruppen bezweifeln, dass im Zuge einer Rückführung 25 neue Teamleitungsstellen, die die Berechnung nenne, notwendig würden.

»Eine Frechheit« nennt auch Sven Meyer die Antwort. Berechnungen des Betriebsrates und von Verdi würden stattdessen zeigen, dass mit der Eingliederung ein erhebliches Einsparpotenzial einhergehe. Auf die Frage, ob die Geschäftsführung gegen die Eingliederung agiere, heißt es von der SDTM an der Frage völlig vorbei: Die Direktion arbeite gemeinsam mit Stiftungsrat und Landesregierung an der Optimierung des Besuchendenservice.

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»Am Beispiel der T & M sehen wir, dass die Ausgründung zur Spaltung der Belegschaft führt«, sagt Meyer. T & M-Beschäftigte könnten darüber hinaus bei keiner Entscheidung der Muttergesellschaft mitbestimmen, »darunter Arbeitszeit oder Nutzung von Räumlichkeiten«.

Betriebsrat Bellachia führt zudem an, dass seit zwei Jahren bei der T & M gar nicht mehr eingestellt werde. »Festangestellte, die gehen, werden durch Leiharbeitskräfte ersetzt, die anders bezahlt werden – man könnte es Tarifflucht durch die Hintertür eines landeseigenen Unternehmens nennen«, sagt Bellachia. Die SDTM verweist auf den Krankenstand, der die Leiharbeit begründe, die im Übrigen auch teurer sei.

Ein Blick in die deutsche Streikgeschichte zeigt, dass Belegschaften auch in Fragen von Outsourcing nicht unwesentlichen Druck aufbauen können. So gelang es Verdi 2015, die neu gegründeten Gesellschaften der Deutschen Post AG ins Mutterunternehmen zurückzuführen. Die Gewerkschaft hatte damals auf dem Papier und mutmaßlich um geltendes Tarifrecht nicht zuverletzen eine Arbeitszeitverkürzung auf 36 Wochenstunden gefordert, darauf am Ende aber zum Preis der Rückführung verzichtet.

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