Huthis im Jemen trotzen den Bomben

Die Rolle der Huthi-Bewegung im Jemen wird von westlichen Regierungen falsch eingeschätzt

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Jemen war einmal ein stolzes Land. Die architektonischen Meisterleistungen der Altstadt von Sanaa, die Gastfreundschaft der Menschen auf dem Land, davon schwärmen die Jemeniten auch heute noch mit Freude – und mit Wehmut. Denn dieses Land wird seit Jahren von einem Krieg erschüttert, dem mindestens zwei Prozent der Bevölkerung zum Opfer gefallen sind. Hunderttausende wurden durch Kriegshandlungen getötet, durch Hunger, Krankheiten und Fehlernährung.

Für einen Moment gab es Hoffnung. Ein kleines Team von UN-Diplomaten schaffte etwas, was Fachleute als »Meisterleistung« bezeichnen: Man handelte einen Rahmen für Waffenruhen aus, dann für Waffenstillstände und nun für einen dauerhaften Friedensvertrag zwischen der international anerkannten, aber weitgehend einflusslosen Regierung und den Huthi-Milizen, die den größten Teil des Nordens kontrollieren.

All das steht jetzt auf der Kippe. Kurz nachdem 2000 Kilometer weit entfernt im Gazastreifen Krieg ausgebrochen war, machten die Huthi international auf sich aufmerksam, indem sie begannen, Schiffe im Roten Meer zu beschießen. Der Nordjemen grenzt an das Bab Al-Mandab, eine Meerenge, die alle Schiffe auf dem Weg durchs Rote Meer zum Suezkanal und damit Richtung Europa passieren müssen. Der Umweg an Südafrika vorbei ist dementsprechend teurer. Erst wenn Israel den Krieg gegen die Hamas beende, würden die Angriffe eingestellt, erklären die Huthi immer wieder. Die USA und Großbritannien antworten darauf mit Beschuss militärischer Ziele der Huthi, zuletzt am Donnerstagmorgen.

Gleichzeitig verbreiten westliche Regierungen eine sehr einfache Gleichung: Die Huthi würden von den iranischen Revolutionsgarden unterstützt, seien damit deren verlängerter Arm und müssten mit Sanktionen und Bomben zurückgedrängt werden – ein Kurs, der nicht nur Unterstützer hat.

So warnte die US-Botschaft in Kairo das Außenministerium in Washington, die Situation im Jemen sei viel komplexer als diese einfache Formel. Und britische Diplomaten, die einst in Sanaa im Einsatz waren, erzählen nun Journalisten, wie wenig man letztlich über den Jemen, seine politische und gesellschaftliche Landschaft weiß: Jahrelang habe man auf Anweisung von zu Hause jeden Kontakt zur Bevölkerung vermieden, offiziell aus Sicherheitsgründen. Nun sind kaum noch Diplomaten im Land, die etwas nach Hause melden könnten.

Sicher ist: Die Huthi werden aus dem Iran unterstützt, aber sie sind zuallererst eine religiöse nationalistische Organisation, deren Ziele allein auf den Jemen ausgerichtet sind. Ihren Rückhalt haben sie vor allem bei jenen Jemeniten, die der islamischen Glaubensrichtung der Zaiditen angehören. Schon seit den 60er Jahren bekämpften die Zaiditen die Republik im damaligen Nordjemen. Ab den 90er Jahren formierte sich dann um Hussein Badreddin Al-Huthi die Huthi-Bewegung. Ursprünglich trat sie dafür ein, den saudischen und amerikanischen Einfluss zurückzudrängen. Der aktuelle Krieg wurde durch die Forderung nach einer Beteiligung an der stark zentralisierten Macht ausgelöst.

Vieles deutet darauf hin, dass die Angriffe auf Schiffe im Roten Meer vor allem darauf abzielen, die Verhandlungsposition der Huthi zu stärken und die gesellschaftliche Stellung im Jemen zu konsolidieren. In der arabischen Welt stößt Israels Kriegführung in Gaza auf große Kritik; die Huthi ernten in Medien und sozialen Netzwerken erhebliche Zustimmung. Damit wird auch ihre Position im Verhältnis zur offiziellen jemenitischen Regierung gestärkt.

Die Verhandler in den Friedensgesprächen berichten aber auch, dass die Huthi verstärkt Forderungen stellen: mehr Geld, mehr Hilfsgüter und mehr Macht im Jemen. Knapp ist vor allem das Geld. Die Huthi-Führung kann ihre Mitarbeiter seit Monaten nicht mehr bezahlen, die Uno längst nicht mehr alle versorgen, die Hilfe brauchen. Schon seit Jahren sind die Geberländer ausgesprochen knauserig: Nur noch Bruchteile der benötigten Gelder werden eingenommen; Uno-Mitarbeitern zufolge könnte man mit den Kosten der ausländischen Luftangriffe, denen seit 2015 Tausende zum Opfer fielen, bis zu 20 Millionen Menschen fünf Jahre versorgen.

Die US-Botschaft in Kairo verwies in ihrem Schreiben nach Washington auf das Ergebnis der langen Historie von Versuchen, die Huthi mit militärischen Mitteln zurückzudrängen: Sie sind immer noch da. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich das irgendwann ändert.

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