Streik im Nahverkehr: Zusammen fahren gegen den Rechtsruck

Linke-Spitze fordert »Sofortprogramm gegen AfD-Aufstieg« und setzt auf Kooperation mit Aktiven der Streiks im ÖPNV

Die Linke unterstützt den Streik im Straßenbahn- und Busverkehr nicht nur in Leipzig.
Die Linke unterstützt den Streik im Straßenbahn- und Busverkehr nicht nur in Leipzig.

Daniel Kießler ist Straßenbahnfahrer in Leipzig. Sein Tag beginnt um vier Uhr morgens. Meist hat er geteilte Schichten. Das heißt, er arbeitet zunächst vier Stunden früh morgens und dann nochmal vier ab 13.30 Uhr. Dazwischen vier Stunden »unbezahlte Pause«, wie er es nennt. Davon bleibt aber nicht viel wegen der Fahrerei zwischendurch, und abschalten geht schon gar nicht. Damit seine Arbeitsbedingungen sich verbessern, kämpft er derzeit mit vielen anderen Beschäftigten der Nahverkehrsunternehmen bundesweit.

Von der Partei Die Linke werden sie dabei unterstützt, wie deren Ko-Vorsitzende Janine Wissler am Montag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kießler und dem Berliner Busfahrer Matthias Kurek betonte. Beide stellten heraus, sie fühlten sich deswegen nicht parteipolitisch vereinnahmt. Vielmehr sehe man gemeinsame Interessen.

Der derzeitige Streik ist dabei ohnehin ein politischer, denn er findet im Rahmen der Kampagne »Wir fahren zusammen« statt, an der auch das Netzwerk Fridays for Future (FfF) beteiligt ist. Auch den Klimaaktivisten geht es um einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) zu guten Bedingungen für die Beschäftigten. »Das gemeinsame Ziel: Ein klima- und sozialverträglicher Nahverkehr muss gestärkt werden«, sagt Daniel Kießler.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Wissler erinnert daran, dass weniger Stress und gute Entlohnung die Voraussetzungen dafür sind, dass überhaupt genug Nachwuchs für die Branche mit derzeit 87 000 Beschäftigten gefunden wird. Und den braucht es für die Verkehrswende weg vom klimaschädlichen Straßenverkehr.

Derzeit verschärfe sich der Personalmangel wegen der schlechten Arbeitsbedingungen, so die Linke-Chefin. Sie seien auch Folge jahrzehntelanger Privatisierungspolitik: Bei Ausschreibungen habe lange immer das Unternehmen gewonnen, das das preisgünstigste Angebot gemacht habe. Derzeit liege das Einstiegsgehalt eines Busfahrers in Leipzig bei 13,84 Euro brutto pro Stunde, sagt Wissler. Nicht zuletzt angesichts der horrenden Mieten in der sächsischen Metropole sei das ein Skandal.

Für die klimagerechte Transformation werden laut »Wir fahren zusammen« bis zum Jahr 2030 rund 100 000 neue ÖPNV-Beschäftigte gebraucht. Deshalb fordert das Bündnis in einer Petition Investitionen in der Branche von 16 Milliarden Euro jährlich bis 2030 für den Ausbau des Nahverkehrs.

Kurek wies indes darauf hin, dass die Kooperation mit FfF bei den ÖPNV-Beschäftigten auf viel Skepsis stoße. Es sei viel Aufklärungsarbeit darüber nötig, dass die Klimaaktivisten ihnen nicht ihre Autos wegnehmen wollten, sondern vielmehr ihre Forderungen unterstützten. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben hätten viele lange eine Zusammenarbeit mit »Klimaklebern« abgelehnt. Nach wie vor seien viele Gespräche nötig, auch um das »Abdriften« von Kollegen nach rechts zu verhindern.

Die Linke-Vorsitzenden haben dieses Problem im Blick. Auch deshalb legten sie, ebenfalls am Montag, ein »Sofortprogramm gegen den AfD-Aufstieg« vor. Der Aufstieg der AfD sei »kein Zufall, sondern Folge der ungelösten Krisen in diesem Land«, schreiben sie. Ampel-Regierung und Konservative redeten »den Rechten nach dem Mund und treten nach unten, gegen Bürgergeldbeziehende und Geflüchtete«.

Wissler und Ko-Parteichef Martin Schirdewan sind überzeugt, dass dem Rechtsruck nur mit enormen öffentlichen Investitionen zu begegnen ist. Marode Infrastruktur müsse wiederaufgebaut, das Klimageld eingeführt, Kommunen müssten gestärkt werden. Weiter werden in dem Vier-Punkte-Plan die Deckelung von Mieten, Lebensmittel- und Energiepreisen sowie ein Mindestlohn von 15 Euro verlangt.

»Wir benötigen einen ›sozialen Antifaschismus‹, der die Ursachen des Rechtsrucks angeht«, heißt es in dem Papier. Mit einem »milliardenschweren Sonderprogramm« soll mehr Geld für Pflege, Gesundheitsversorgung, Kitas und Schulen, Klimaschutz, Busse und Bahnen bereitgestellt werden. Mit einer Milliardärssteuer sowie einer Vermögensabgabe für Reiche und Konzerne soll es finanziert werden.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -