Tod wegen Atembehinderung durch Polizei?

Im Prozess gegen zwei Mannheimer Polizisten drängen sich immer mehr Vergleiche zum Fall George Floyd auf

  • Michèle Winkler
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit Januar 2024 läuft am Landgericht Mannheim ein Strafprozess gegen zwei Polizisten der Mannheimer Innenstadtwache. Ihnen wird vorgeworfen, für den Tod des damals 47-jährigen Ante P. verantwortlich zu sein. Einer der Beamten muss sich wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Amt verantworten. Er soll rechtswidrig Pfefferspray gegen P. eingesetzt und viermal mit der Faust gegen dessen Kopf geschlagen haben, als dieser am Boden lag. Das dadurch entstandene Nasenbluten habe dazu beigetragen, dass P. erstickt sei. Dem zweiten Beamten wird fahrlässige Tötung durch Unterlassung vorgeworfen. Nach nur vier Prozesstagen ist die Beweisaufnahme weit fortgeschritten. Am kommenden Freitag könnten die ersten Plädoyers zu hören sein.

Dieser Fall tödlicher Polizeigewalt hatte noch am Tag des Geschehens selbst, am 2. Mai 2022, zu einem öffentlichen Aufschrei geführt. Der Tatort am Rande des Mannheimer Marktplatzes war sehr belebt. Viele Menschen sahen mit an, wie Ante P. von den Polizisten zu Boden geworfen und auf dem Bauch liegend geschlagen und gefesselt wurde, wie er minutenlang reglos und ohne Hilfe am Boden lag und schließlich sein Leben verlor.

P.s behandelnder Arzt am Zentrum für Seelische Gesundheit (ZI) hatte am 2. Mai 2022 die Polizei um Unterstützung dabei gebeten, P. zurück ins ZI zu bringen, da Eigengefährdung vorliege und eine stationäre Aufnahme notwendig sei. Die Beamten folgten P. zunächst zu dritt durch die Innenstadt, sprachen mit ihm, es war eine entspannte Situation. Je näher die Beamten ihm aber körperlich kamen, desto aufgeregter wurde P. offenbar und versuchte, sie abzuschütteln. Zeug*innen sagten aus, er habe offenbar einfach in Ruhe gelassen werden wollen. Ob seine Armbewegungen dabei ein reines Fuchteln waren oder als Schläge in Richtung eines Beamten gewertet werden konnten, ist Teil der im Prozess verhandelten Fragen. Ebenso, ob und, wenn ja, wie lang einer der Beamten auf P.s Rücken saß, als dieser am Boden lag.

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Gestritten wird aber vor allem um die Todesursache. Die Gutachterin Kathrin Yen, Leiterin des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg, auf deren Bewertung die Anklage fußt, fällt ein deutliches Urteil: Ante P. sei an einer Atembehinderung durch die Bauchlage und den Druck auf seinen Körper gestorben. Die Bauchlage sei schon ungünstig gewesen, hinzu seien das Körpergewicht, die Fesselung der Hände auf dem Rücken, das zeitweise Gewicht auf dem Rücken, die Stresssituation und das Blut in den Atemwegen gekommen. Man könne in der Gesamtschau die Umstände nicht ausblenden: Der Tod sei Folge der des Vorgehens der Polizei.

Die Verteidigung versucht hingegen, das Gericht davon zu überzeugen, dass Ante P.s Tod allein an dessen körperlichem Zustand gelegen und mit ihren Mandanten nichts zu tun gehabt habe. P.s Herz sei »jederzeit versagensbereit« gewesen.

Als Gutachterin Yen in ihrem Vortrag auf aktuelle Literatur zu ähnlich gelagerten Fällen verwies und dabei auch den Namen George Floyd erwähnte, reagierte die Verteidigung empört. Ein solcher Vergleich verbiete sich, allein diesen Namen zu nennen, sei Stimmungsmache und zeige Befangenheit. Dabei drängt sich sogar ein Vergleich der Verteidigungsstrategie auf: Das Verteidigungsteam von Derek Chauvin erklärte, dass eine vorbestehende Herzerkrankung, hoher Blutdruck und Drogenkonsum zu Floyds Tod geführt hätten. Ihr Mandat habe daran keinen Anteil gehabt.

Es ist eine altbekannte Argumentation, die sich auch vielfach in polizeilichen Meldungen zu Todesfällen in Gewahrsam findet: Der Betroffene sei »plötzlich reanimationspflichtig« geworden. Man habe »unverzüglich« wiederbelebende Maßnahmen eingeleitet.

In Mannheim haben rund 70 Augenzeug*innen gesehen, was einer solchen »plötzlichen Reanimationspflichtigkeit« vorangegangen war. Auch dass P. offenbar minutenlang ohne Bewusstsein war und schon nicht mehr atmete, ihm aber weder einer der direkt bei ihm befindlichen Polizisten noch sein daneben stehender Arzt zu Hilfe kamen, sahen viele. Welchen Gutachten zur Todesursache das Gericht folgen wird, lässt sich nicht absehen. Die unterlassene Hilfeleistung wird sich aber wohl kaum ignorieren lassen.

In Erinnerung an Ante P. hat sich die Initiative 2. Mai gegründet und organisiert Gedenkveranstaltungen und eine Ausstellung, die an sein Leben erinnert. Sie beobachtet und dokumentiert zudem den Strafprozess auf ihrer Webseite.

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