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Berlin: WBS-Anspruch und Wirklichkeit
Mehr Berliner haben Anspruch auf Wohnberechtigungsschein
Für Berliner*innen auf Wohnungssuche ist er oft die letzte Hoffnung: der Wohnberechtigungsschein (WBS). Dieser gibt Mieter*innen potenziell die Berechtigung in eine Sozialwohnung einzuziehen. Der Kreis derjenigen, die theoretisch einen WBS bekommen können, wurde im letzten Jahr ausgeweitet. Die Pressestelle des Senats erklärte auf Anfrage, aktuell wären 59,2 Prozent aller Haushalte sozialwohnungsberechtigt. Demgegenüber stehen 51 766 Berliner*innen, die Stand 31. Januar 2024 tatsächlich einen WBS haben.
Aber: WBS ist nicht gleich WBS. Für einen »klassischen« WBS 140 darf ein Einpersonenhaushalt maximal 1400 Euro pro Monat verdienen; in verschiedenen Stufen geht die Einkommensgrenze bis 2200 Euro pro Monat für den 2023 eingeführten WBS 220 hoch. »Der Senat hat den Kreis der WBS-Berechtigten um einen einkommensstärkeren Teil vergößert«, sagt Niklas Schenker, wohnungspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus im Gespräch mit »nd«. Das sei auch nachvollziehbar, weil die Wohnungskrise auch für die Mittelschicht bedrohlich sei. »Gleichzeitig weigert sich der Senat aber die ganze Zeit, den WBS für Geflüchtete zu öffnen, wo ein enorm großer Bedarf besteht«, empört sich Schenker.
Bei den Wiedervermietungsquoten der Landeseigenen Wohnungsunternehmen habe der Senat die Situation für Berliner*innen mit niedrigem Einkommen sogar verschlechtert. »Mussten bisher 63 Prozent der Wohnungen an Menschen mit einem WBS 140 vermietet werden, wurde diese Anzahl halbiert«, sagt Schenker. Das alles sei dramatisch für die Einkommensgruppen, die am dringendsten auf bezahlbare Wohnungen angewiesen seien. »Das Büfett bleibt gleich groß, aber jetzt sind doppelt so viele Leute eingeladen.«
Geförderte, bezahlbare Wohnungen sind Mangelware. Dem großen Kreis an Berechtigten stehen nach Angaben des Berliner Mietervereins 2023 nur bestehende 78 000 Sozialwohnungen gegenüber – und diese sind zu großen Teilen belegt. Um die Jahrtausendwende waren es noch rund 430 000 Sozialwohnungen. Und es werden jährlich weniger. Knapp 4000 Wohnungen fallen jedes Jahr aus der Mietpreisbindung.
Die verbleibenden Sozialwohnungen sind begehrt. Genaue Zahlen darüber, wie viele Bewerbungen es auf frei werdende Sozialwohnungen gibt, hat die landeseigene Gesobau nicht. »Wir haben aber im Schnitt immer eine dreistellige Anzahl an Bewerbungen auf alle Wohnungen«, erklärt Pressesprecherin Birte Jessen gegenüber »nd«. Das betreffe auch WBS-Wohnungen, und auch Kolleg*innen aus anderen Gesellschaften würden ähnliches berichten, so Jessen weiter.
Der Berliner Senat hat das Ziel ausgegeben, jährlich 5000 neue Sozialwohnungen zu bauen. Aber das wird immer wieder verfehlt. 2022 wurden 1150 Sozialwohnungen gebaut. Im Interview am Mittwoch mit dem »RBB Inforadio« erklärt Bausenator Christian Gaebler, dass für 2023 noch keine Zahlen vorlägen. Aber 2023 sei eine »Rekordzahl« an Anträgen für Neubau von Sozialwohnungen gestellt worden: knapp 3500. Also unter den jährlichen Zielen des Senats und unter der Anzahl der wegfallenden Wohnungen. Und beantragte Wohnungen sind noch nicht gebaut. Lösung für dieses Problem soll das »Schneller-Bauen-Gesetz« sein, mit dem die Genehmigungsprozesse für Neubau beschleunigt werden sollen. »Lange Planungsprozesse kosten auch Geld«, so Gaebler. Das Gesetz soll Mitte 2024 kommen.
»So zu tun, als müsste nur dereguliert werden, dann boomt der Bau, verkennt das Problem«, sagt Julian Schwarze, stadtpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, zu »nd«. Das Baugeschehen gehe ja allgemein runter, bedingt durch die gestiegenen Kosten. »Und nur weil etwas schneller gebaut wird, deckt das ja nicht automatisch den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum«, so Schwarze weiter.
Niklas Schenker weist auf ein weiteres Problem hin: Die Wohnungen, die jetzt aus der Wohnraumförderung fielen, seien zum Großteil für einen WBS 140. Neu gebaut würden aber vor allem Wohnungen für WBS 180 und WBS 220. Einen WBS 220 hat in Berlin laut Pressestelle des Senats tatsächlich niemand, »da die entsprechenden Sozialwohnungen erst erstellt werden müssen«.
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