Spanisches Amnestiegesetz: Puigdemont ist zentraler Streitfall

Der Fall des katalanischen Exil-Präsidenten überschattet das geplante Gesetz

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.

Das spanische Amnestiegesetz schlägt Wellen bis ins Europäische Parlament. Vergangene Woche drückte das Europaparlament mit Mehrheit seine »große Besorgnis über mutmaßliche Beziehungen zwischen katalanischen Sezessionisten und der russischen Regierung« aus. Auf Drängen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EPP) wurden die »zuständigen Justizbehörden« aufgefordert, »Verbindungen von Mitgliedern des Europäischen Parlaments in effektiver Form« zu untersuchen, »die mutmaßlich mit dem Kreml« versuchten, EU-Mitgliedstaaten »zu destabilisieren«, was als Hochverrat geahndet werden kann. Gemeint war auch der katalanische Exilpräsident Carles Puigdemont, der vom spanischen Amnestiegesetz profitieren könnte. Für die EPP steht das Ergebnis längst fest. Sie will »russische Agenten im Europäischen Parlament stoppen« und benennt neben der lettischen Abgeordneten Tatjana Ždanoka auch Puigdemont. Die linke Onlinezeitung »El Salto« beklagt, dass man in Brüssel »angesichts all der Probleme, die Europa plagen« so viel »Zeit und Energie« dafür aufwendet, nur um eine Untersuchung zu fordern. Die läuft seit Jahren. Aber außer nebulösen Anschuldigungen konnte nichts auf den Tisch gelegt werden.

Vorwurf des Hochverrats

Es drängt sich der Verdacht auf, dass mit dem neuen Vorwurf des »Hochverrats« ein neuer Tatbestand geschaffen werden soll, um die Anwendung des geplanten Amnestiegesetzes auf Puigdemont auszuhebeln und seine Rückkehr nach Katalonien nach gut sechs Jahren zu verhindern. Die Verabschiedung des Gesetzes scheiterte kürzlich daran, dass es nach Ansicht der Puigdemont-Partei »Gemeinsam für Katalonien« (JxCat) zu kurz greift. In der bisherigen Vorlage ist die Förderung von Terrorismus und Hochverrat aus der Amnestie ausgenommen. Damit werde, so JxCat, Richtern, die der rechten Volkspartei (PP) nahestehen, die Möglichkeit eingeräumt, die geplanten Amnestie auszuhebeln.

Der Vorwurf des Terrorismus wird gegen Puigdemont Jahre nach den Vorgängen um das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien 2017 vom Richter Manuel García Castellón am Nationalen Gerichtshof erhoben. Spaniens Justiz konnte bisher nicht einmal eine angebliche katalanische Rebellion beweisen. Für den angeblichen Aufruhr, zu dem katalanische Politiker und Aktivisten zu langen Haftstrafen in Spanien verurteilt wurden, fanden Richter in Deutschland, Belgien, Großbritannien oder der Schweiz auch keine Beweise. Auslieferungen von Exilierten wurde deshalb verweigert.

Für den andalusischen Verfassungsrecht-Professor Javier Pérez Royo ist klar, dass der Richter Castellón »in Zusammenarbeit« mit weitern Richtern und Staatsanwälten eine »Falle« mit dem »unmittelbaren Ziel« aufstellt, »die Verabschiedung des Amnestiegesetzes zu verhindern und mittelfristig die Legislaturperiode zu sprengen.« Für Royo ist auch mit Blick auf islamistische Terroranschläge klar, dass es in Katalonien »keinen Terrorismus« gab.

Die schwache sozialdemokratische Minderheitsregierung von Pedro Sánchez zu stürzen, ist das erklärte Ziel der PP und dem ultrarechten Partner Vox. Der Versuch dieser beiden Parteien, eine rechts-ultrarechte Regierung zu bilden, ist wegen fehlender Unterstützer im vergangenen September kläglich gescheitert. Die Amnestie dient als Hebel, um die Regierung von Sánchez in die Zange zu nehmen. Die EPP-Fraktion, allen voran ihr Fraktionsvorsitzende Manfred Weber (CSU), sekundierten dabei stets auch deren Terrorismus-Fantasien. Der EPP fällt nun aber auf die Füße, dass sogar die PP schon den Rückzug antritt. Aus der Partei verlautet längst, dass es »schwierig« sei, Terrorismus zu beweisen. Der PP-Chef Alberto Núñez Feijóo räumte nun auch ein, dass die PP mit Puigdemont verhandelt hat, was »nd« im vergangenen August bereits berichtete. Auch die Amnestie wurde damals geprüft, um Feijóo an die Macht zu bringen. Man habe aber »weniger als 24 Stunden gebraucht, um die Amnestie vollständig abzulehnen«, gab der PP-Chef am vergangenen Samstag auf einer Veranstaltung im Wahlkampf für die Regionalwahlen am 18. Februar in seiner Heimatregion Galicien zu. Jetzt stellt die PP sogar eine »Begnadigung« für Puigdemont in den Raum anstatt einer Amnestie.

Puigdemont hatte in einem Brief an Europaparlamentarier zuvor erklärt, die Vorwürfe gegen ihn hätte es nicht gegeben, wenn JxCat Feijóo statt Sánchez ins Amt gehoben hätte. Er verweist auch auf die Verwicklungen des Richters Castellón in die Falsch-Anschuldigungen gegenüber der Linkspartei Podemos. Er drohte unterschwellig, die Verhandlungen mit der PP öffentlich zu machen.

Pedro Sánchez erteilt Terrorismusvorwürfen eine Absage

Für den spanischen Regierungschef Sánchez ist eines klar: »Die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen sind kein Terrorismus, und das werden die Gerichte feststellen.« Damit versucht er auch Nachbesserungen abzulehnen, welche die Puigdemont-Partei fordert. Die Verhandlungen in der zuständigen Kommission liegen wegen der bedeutsamen Wahlen in Galicien aber auf Eis. Sie müssen aber am 7. März abgeschlossen sein. Die Sozialdemokraten hoffen, dass JxCat dem bisherigen Entwurf doch noch zustimmt. Klar ist aber, dass ohne eine umfassende Amnestie, die JxCat für die Stimmen zur Regierungsbildung versprochen wurde, die Sánchez-Minderheitsregierung ohne JxCat ihre knappe Mehrheit verlieren wird, was den Rechten in die Hände spielt. Das zwingt beide Seiten, eine Lösung zu finden. Sollte die PP mit Galicien ihre Hochburg verlieren, wie es Umfragen vorhersagen, ist Feijóo geschwächt und der Spielraum für Sánchez dafür größer.

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