Wohl kein Schmerzensgeld für Bewohner des Göttinger Hochhauses

Der Prozess um die Absperrungen des Hochhauskomplexes während Corona gehen weiter. Gericht räumt Klagenden geringe Erfolgschancen ein.

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 2 Min.
Polizei und Ordnungsamt bei der Abriegelung des Hochhauses mit 102 Infizierten.
Polizei und Ordnungsamt bei der Abriegelung des Hochhauses mit 102 Infizierten.

Die einwöchige Abriegelung eines Hochhauskomplexes in Göttingen während der Corona-Pandemie schlägt auch vor Gericht weiterhin hohe Wellen. 233 betroffene Bewohner verklagen die Stadtverwaltung Göttingen vor dem örtlichen Landgericht wegen Freiheitsentziehung und Verletzung des Persönlichkeitsrechts auf Schmerzensgeld. Das Gericht räumt dem Begehren allerdings wenig Erfolgschancen ein, wie sich aus mehreren jetzt veröffentlichten Beschlüssen ergibt. Die Richter lehnen darin insgesamt 40 Anträge von Betroffenen auf Prozesskostenhilfe ab.

Zuvor hatte im November vergangenen Jahres das Göttinger Verwaltungsgericht (VG) die Absperrmaßnahmen indes für rechtswidrig erklärt. In ihrer daraufhin eingereichten Schmerzensgeldklage begehren die Betroffenen aus 78 Familien eine Summe von insgesamt mehr als 880 000 Euro. »Die betroffenen Familien haben wegen der offensichtlich rechtswidrigen Freiheitsentziehung und der tiefgreifenden Persönlichkeitsrechtsverletzung einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen die Stadt Göttingen aus dem sogenannten Amtshaftungsanspruch«, kommentiert Rechtsanwalt Sven Adam. Er vertritt die Bewohner.

Bei der Höhe ihrer Forderung beruft sich Adam auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu rechtswidrigen Freiheitsentziehungen; demnach seien mindestens 50 Euro je Person und Stunde der Freiheitsentziehung angemessen. Im Dezember hatte Adam die Stadt erst außergerichtlich aufgefordert, das Schmerzensgeld zu zahlen oder in außergerichtliche Vergleichsverhandlungen einzutreten. Hierauf hatte die Kommune nicht reagiert.

Nachdem sich im Juni 2020 zwei Frauen mit Corona infiziert hatten, ordnete die Stadt Tests für alle Bewohner an, 120 Menschen wurden positiv getestet. Um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, stellte die Stadt den Komplex, der als sozialer Brennpunkt gilt, unter Quarantäne; eine Woche lang blieben die Bewohner quasi eingesperrt. Die Eingänge zum Grundstück wurden abgesperrt, Lieferwagen brachten Lebensmittel und Hygieneartikel, es gab eine Sanitätsstation auf dem Gelände. Bewohner klagten über zu wenig Essen.

Das Landgericht beurteilt den Fall nun anders als das Verwaltungsgericht. Auch wenn Absperrung und polizeiliche Bewachung rechtswidrig waren, ergebe sich daraus nicht automatisch ein zivilrechtlicher Anspruch auf Schmerzensgeld. Schmerzensgeld sei keine Strafe für rechtswidriges Verwaltungshandeln. Zudem, so das Landgericht, hätte es die von den Klägern geltend gemachten Beeinträchtigungen ohnehin gegeben. Die Entscheidung des Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig.

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