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Atommüllfonds: Heimliches Füllhorn für fossile Energien
Atommüllstiftung investiert satzungswidrig in Öl und Gas
Die Stiftung Kenfo, die Milliardensummen für die deutsche Atommülllagerung verwaltet, rühmt sich mit einer grünen Anlagestrategie. Die Organisationen Urgewald und Fossil Free Berlin haben das kritisch überprüft und kommen zu einem anderen Ergebnis. Demnach hat Kenfo rund 771 Millionen Euro in Aktien und Anleihen von 107 fossilen Unternehmen investiert.
Die Abkürzung Kenfo steht für »Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung«. Die vier deutschen Atomkraftwerksbetreiber haben dort insgesamt 24,1 Milliarden Euro eingezahlt. Damit sollen die Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle finanziert werden. So haben sich die Konzerne von der Verantwortung für ihren Atommüll freigekauft.
Kenfo ist die größte öffentlich-rechtliche Stiftung Deutschlands. Zur Mehrung des Vermögens investiert sie in Aktien, Anleihen und nichtflüssige Anlagen – also Anlagen mit Geldern, die nicht schnell wieder verfügbar sind. Dabei lässt sich Kenfo eigenen Angaben zufolge von Nachhaltigkeitskriterien leiten und unterstützt die Ziele der Pariser Klimakonferenz. Hierzu hat der Fonds Ausschlusskriterien für Investitionen in Unternehmen folgender Branchen definiert: Betreiber von AKW, Uranabbau und Betrieb von Uranminen, Kohleabbau und -verstromung, Öl- und Gasgewinnung aus Fracking sowie Ölgewinnung aus Öl- und Teersand.
Die Untersuchung von Urgewald und Fossil Free Berlin konnte nun nachweisen, dass die Stiftung sehr wohl in Unternehmen investiert, deren Geschäftsmodell auf fossilen Energiequellen basiert. Kenfo sagt dazu, man wolle »die Wirtschaft, und damit die Portfoliounternehmen, bei der Umstellung ihrer Geschäftsmodelle zur Klimaneutralität konstruktiv begleiten«. Diese Strategie wird als »Engagement« bezeichnet – im Gegensatz zum eigentlich nötigen »Divestment«, was den gezielten Verkauf fossiler Geldanlagen meint.
Urgewald und Fossil Free Berlin glichen das zuletzt veröffentlichte Kenfo-Portfolio mit aktuellen Unternehmensdatenbanken zur fossilen Industrie ab. Den weitaus größten Anteil der in diesen Sektor investierten 771 Millionen Euro machen demnach mit rund 723 Millionen Investitionen in 98 Öl- und Gasunternehmen aus. Darunter sind Total Energies, Shell und BP. Mit 50 Millionen Euro hat Kenfo zudem in 13 Kohleunternehmen investiert. Sämtliche der genannten Konzerne wollen ihre Geschäfte durch Erschließung neuer Öl- und Gasfelder sowie den Bau von Pipelines, LNG-Terminals oder Gaskraftwerken ausbauen. Sie gefährdeten damit die Pariser Klimaziele, kritisieren die beiden Organisationen.
»Unternehmen wie Total Energies, Shell oder BP haben offenkundig kein Interesse daran, ihr Geschäftsmodell an eine klimagerechte Zukunft anzupassen«, sagt Anna Lena Samborski, Finanz-Campaignerin bei Urgewald: Die angebliche Begleitung solcher Unternehmen in Richtung eines klimaneutralen Geschäftsmodells funktioniere nicht. »Als staatlich kontrollierte Stiftung hat Kenfo Vorbildcharakter und sollte beim Klima keine Kompromisse machen.«
Mit diesem Fehlverhalten stehe die Kenfo-Stiftung im Übrigen nicht alleine, sagt Mathias von Gemmingen, Campaigner bei Fossil Free Berlin. Auch das Bundesinnenministerium habe zugeben müssen, Aktien von Gas- und Ölkonzernen für eine halbe Milliarde Euro gekauft zu haben.
Wie ein konsequenter Ausschluss fossiler Geldanlagen funktionieren kann, zeigt zurzeit der niederländische Pensionsfonds Zorg & Welzjin (PFZW), der die Pensionsgelder für mehr als drei Millionen Menschen aus Pflege- und Sozialberufen verwaltet. Das Fondsmanagement hat kürzlich verkündet, 310 Öl- und Gasunternehmen divestiert zu haben, da sie ihr Geschäft nicht an den Pariser Klimazielen ausrichteten. Unter anderem von Total Energies, Shell und BP hat sich der Fonds getrennt.
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