Desaströses Zeugnis für Afghanistan-Einsatz

Zwischenbericht der Enquete-Kommission zeichnet negatives Bild des deutschen Engagements in Afghanistan

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.

Schlimmer hätte das Urteil kaum ausfallen können: Nach Ansicht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags ist der deutsche Afghanistan-Einsatz fast komplett schiefgelaufen. In Erinnerung bleibt vor allem der überstürzte Abzug der letzten verbliebenen Soldaten der Nato-Staaten, und dass die Afghan*innen von heute auf morgen mit den siegreichen Taliban allein gelassen wurden. Die Enquete-Kommission, angetreten den 20 Jahre dauernden Einsatz einer Prüfung zu unterziehen, legt einen Halbzeitbericht vor, der deutliche Aussagen trifft: »Mit dem Abzug und der Machtübernahme der Taliban 2021 ist Deutschland gemeinsam mit seinen internationalen Partnern jedoch strategisch gescheitert, Ergebnisse und gesteckte Ziele dauerhaft abzusichern.«

Um welche offiziellen Ziele handelte es sich? Da ist zum einen die militärische Säule, die nach Aussagen vieler Experten immer ein deutliches Übergewicht hatte, also die »Stabilisierung« und der »Kampf gegen den internationalen Terrorismus« – wir erinnern uns: Auslöser der völkerrechtswidrigen militärischen Intervention durch Nato-Staaten waren die Terroranschläge vom 11. September 2001. Die zweite, zivile Säule spielte nur die zweite Geige, also der »Staatsaufbau mit rechtsstaatlichen Institutionen« und eine »weitreichende gesellschaftliche Transformation«, worunter unter anderem Fortschritte bei Geschlechtergerechtigkeit fallen.

Der Einsatz in Afghanistan sei in seiner Gänze kein Erfolg gewesen, konstatiert Philip Krämer, Mitglied der Enquete-Kommission für die Grünen, aber es habe Teilerfolge gegeben, zum Beispiel beim Aufbau von Infrastruktur oder im Bildungswesen; auch die Lage der Frauen habe sich verbessert – bis zur erneuten Machtübernahme der Taliban im August 2021.

Im Hinblick auf die eingesetzten Mittel sei der zivile Aufbau nicht erfolgreich gewesen, meint Katja Mielke, Sachverständige vom Bonner Friedens- und Konfliktforschungsinstitut BICC. Verbesserungen habe es nur auf individueller Ebene gegeben, zum Beispiel durch Bildungschancen, vor allem in den Städten und im Norden Afghanistans, aber es gab »keine systemischen Effekte«, zum Beispiel in den Verwaltungsstrukturen. Laut Bundesregierung beliefen sich die Gesamtkosten des deutschen Afghanistaneinsatzes auf 17,3 Milliarden Euro, heißt es im Bericht, der überwiegende Teil entfiel auf das Verteidigungsministerium: 12,3 Milliarden Euro.

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Einer der größten Fehler war nach Einschätzung vieler die fehlende Wirkungskontrolle dessen, was man vor Ort machte. Winfried Nachtwei, der als ehemaliger Bundesabgeordneter der Grünen den Einsatz in Afghanistan über Jahre verfolgt hat, spricht davon, dass auf der Entscheidungsebene der Bundesregierung Forderungen nach Evaluierung abgewehrt worden seien. Seine Erklärung dafür: Die Bündnisloyalität habe absolute Priorität gehabt, und negative Evaluierungsergebnisse hätten diese in Frage stellen können.

Zwischen 2001 und 2021 waren insgesamt sechs Bundesregierungen für den Afghanistan-Einsatz verantwortlich. In dieser Zeit waren sechs Verteidigungsminister im Amt. »Eine fortlaufende, selbstkritische Bestandsaufnahme hinsichtlich der sehr hoch gesetzten Ziele« habe es während des Einsatzes nicht gegeben, heißt es in dem fast 340 Seiten langen Zwischenbericht. »Wissen und detaillierte ungeschminkte Lagebilder wurden zwar durch verschiedene Informationsquellen bereitgestellt, aber nicht systematisch zu einem realistischen Gesamtbild zusammengeführt.« Und die Auseinandersetzung mit der Kultur, Geschichte und den Traditionen Afghanistans habe »auch von deutscher Seite nicht im notwendigen Maße stattgefunden«.

Der Zwischenbericht listet die Anzahl der Deutschen auf, die bei dem 20 Jahre währenden Einsatz ums Leben gekommen sind. Demnach sind 66 Menschen getötet worden: 59 Soldaten, 3 Polizisten und 4 zivile Helfer. Über die Anzahl der getöteten afghanischen Zivilisten schwieg sich die Enquete-Kommission hingegen aus. Katja Mielke erzählt, dass es schwierig gewesen sei, in der Kommission über afghanische Opfer zu sprechen.

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