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Lufthansa-Streik: Kranich soll Lohnmauer einreißen
Lufthansa-Beschäftigte wollen, dass Belegschaft im ehemaligen Osten nicht mehr benachteiligt wird
Der Hauptstadtflughafen BER stellt im Betrieb der Lufthansa einen kleinen Standort dar. Von Dienstag um vier Uhr bis Mittwoch um 7.10 Uhr ist das Bodenpersonal dort zum Streik durch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aufgerufen. Laut Gewerkschaftssekretär Enrico Rümker beteiligten sich an einer Kundgebung vor dem Terminal im brandenburgischen Schönefeld 250 der 400 Mitarbeiter*innen.
In der bundesweit laufenden Tarifauseinandersetzung ist es der zweite Warnstreik. Die gewerkschaftlichen Forderungen für die insgesamt 25 000 Beschäftigten belaufen sich auf eine Lohnerhöhung von 12,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten, und eine Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro. Lufthansa hatte die Prämie zuletzt zugesagt und bei einer Laufzeit von 25 Monaten zehn Prozent mehr Gehalt angeboten. »Das ist zu wenig«, sagt Verdi-Funktionär Rümker zu »nd«, »schließlich geht es Lufthansa blendend.«
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An der Kundgebung am Dienstag hat auch Pierre Bartholomäus teilgenommen. Der Fluggerätmechaniker ist seit 2010 für die Tochter Lufthansa Technik AG beschäftigt. Der Einstiegslohn für eine Facharbeiter*in liegt hier bei 3200 Euro brutto. Bartholomäus arbeitet in einem der großen Hangars. Er wartet, repariert und – wenn gewünscht – modifiziert die Flugzeuge. Neben den offiziellen bundesweiten Forderungen sei für die Beschäftigten am BER die nach wie vor präsente Ungleichheit der Arbeitsbedingungen mindestens genauso drängend. Während für Beschäftigte auf dem Gebiet des ehemaligen Westdeutschlands eine Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden vereinbart sei, gälten im ehemaligen Osten eine 40-Stundenwoche und ein weniger starker Kündigungsschutz. Mit Kollegen hat Bartholomäus ein Transparent gefertigt, auf dem ein Kranich – das Logo der Lufthansa – Steine aus einer Mauer zieht. Darüber steht: »Schluß jetzt! Mit Tarifunterschied Ost-West.«
Mit Blick auf die Standorte der Lufthansa Technik AG sagt Bartholomäus: »Die Geschäftsführung begründet das Festhalten an der 40-Stundenwoche mit Standort- und Arbeitsplatzsicherung.« Tatsächlich werde aber seit jeher im Osten abgebaut und Standorte würden geschlossen: so zum Beispiel in Dresden und Leipzig. Investiert werde in die teuren Stationen. Im Osten sei der BER mittlerweile der einzige verbliebene Standort der Lufthansa Technik AG und selbst hier sei vor wenigen Jahren die Rohrwerkstatt geschlossen worden.
Gewerkschaftsfunktionär Rümker rechnet vor, dass Mitarbeiter*innen, die seit der Wiedervereinigung für die Lufthansa in Berlin tätig gewesen seien, im Vergleich zu ihren Kolleg*innen in München oder Hamburg knapp zwei Jahre umsonst gearbeitet hätten. »Nach so vielen Jahren der Entbehrung ist es Zeit, die Arbeitsbedingungen anzugleichen«, ergänzt Bartholomäus, der auch Mitglied im Betriebsrat ist.
Ein Sprecher der Lufthansa teilte »nd« mit, dass man mit der Gewerkschaft über die tariflichen Regelungen für den BER im Gespräch sei. Regionale tarifliche Unterschiede seien nichts Ungewöhnliches. »Entscheidend sind stets Faktoren wie die wirtschaftliche Situation des Standorts beziehungsweise Tätigkeitsbereichs oder auch die jeweiligen örtlichen Lebenshaltungskosten«, teilte der Sprecher mit.
Als wirkliche Forderungen kann Verdi die Abschaffung der Lohndifferenz allerdings in die laufende Tarifrunde nicht einbringen, da jene Bestandteil eines anderen, nur für den ehemaligen Osten geltenden Tarufvertrags ist. Es bräuchte also einen Arbeitskampf, der dezidiert nur diesen Aspekt adressiert. »Wir haben gemerkt, dass viele unserer westdeutschen Kolleg*innen zunächst nichts von den unterschiedlichen Arbeitsbedingungen wissen, dann aber viel Unterstützung für unser Anliegen aussprechen«, sagt Bartholomäus.
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Vor der nächsten Verhandlungsrunde am Mittwoch hebt er hervor: »Das letzte Angebot der Lufthansa ist schöngerechnet. Eine Lohnerhöhung von zehn Prozent in 36 Monaten kann sich jeder in eine Lohnsteigerung pro Jahr umrechnen.« Aber auch die vielen Nullmonate seien ein Problem. Der Arbeitgeber will eine Erhöhung erst ab Dezember. »Dabei haben wir während der Pandemie zweimal auf unser Weihnachtsgeld und einmal auf unser Urlaubsgeld verzichtet«, sagt er und hofft auf ein deutlich verbessertes Angebot. Das sei eine Frage der Wertschätzung. »Ich stelle nur mal die Frage in den Raum: Was passiert, wenn der Pilot die richtigen Knöpfe drückt, aber der Stecker nicht richtig gesteckt ist? Die Milliardengewinne kommen nicht von ungefähr. Im Betrieb müssen sich alle Zahnräder – ob im Cockpit oder am Schalter – immer drehen, damit das Werk läuft.«
Das Geschäftsergebnis der Lufthansa für 2023 liegt noch nicht vor. Im November schrieb das Unternehmen selbst von einem Rekordsommer bei anhaltend hoher Nachfrage. Dem Vernehmen nach könnten 2024 erstmals seit der Pandemie wieder Dividenden an die Aktionär*innen ausgezahlt werden. Ab 2020 war Lufthansa in die wirtschaftliche Schieflage geraten. Der Konzern erhielt staatliche Darlehen über neun Milliarden Euro. Seit 1997 ist der ehemalige Staatskonzern völlig privatisiert. Die größten Anteilseigner sind der deutsche Multimilliardär Klaus-Michael Kühne und die US-amerikanische Investmentgesellschaft Blackrock.
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