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Dokumentation: Schwule Kicker unerwünscht
Die Doku »Das letzte Tabu« nimmt sich männlicher Homosexualität im Fußball an
Eine oft verbreitete Mär der liberalen Moderne lautet, gesellschaftliche Tabus gehörten der Vergangenheit an. »Alles kann, nichts muss«, so die programmatische Losung. Dass der proklamierte Anspruch wie so oft der Wirklichkeit weit voraus ist, versteht sich von selbst. Insofern ist der Titel von Manfred Oldenburgs Film »Das letzte Tabu« – eine Mitte Februar angelaufene Dokumentation über männliche Homosexualität im Fußball – auch etwas unglücklich gewählt. Denn Tabus gibt es natürlich noch viele; wer sucht, der findet.
Aber er trifft doch einen Nerv: Vergleicht man den Fußball mit anderen gesellschaftlichen Sphären wie Politik oder Kultur, ist in der Tat frappierend, wie hartnäckig sich der Schwulenhass unter Kickern – hier muss man nicht gendern – bis heute hält. Unternehmen und Influencer*innen werben längst mit LGBTQI-Zugewandtheit, weil es mehr Profit verspricht. Politiker*innen gehen so auf Stimmenfang.
Und ja, auch den Fußball-Funktionär*innen ist dieser Trend nicht verborgen geblieben, sodass die Kicker mittlerweile auch gern mal mit Rainbow-Binden auf den Platz geschickt werden … solange es keinen Gegenwind gibt. Dennoch haben sich von geschätzt 500 000 aktiven Profifußballern weltweit bisher erst sieben männliche Spieler als queer geoutet. Sieben!
Die Doku versucht in Interviews Hintergründe und Schicksale zu beleuchten, etwa das von Justin Fashanu. Der Brite begann seine Profikarriere 1979 im Alter von 18 Jahren bei Norwich City. Nach einem Wechsel zu Nottingham City bemerkte sein neuer Trainer Brian Clough, dass Fashanu regelmäßig Schwulenbars in Nottingham aufsuchte. Clough erkor ihn zum Sündenbock seines Teams, bezeichnete ihn wiederholt vor versammelter Mannschaft als »verdammte Schwuchtel«. Statt mit dem Team zu trainieren, musste er regelmäßig Strafschichten schieben.
Nachdem Fashanu sich 1990 als erster Spieler weltweit geoutet hatte, verlor er zunehmend den Rückhalt seines Umfelds, und damit den Boden unter den Füßen. 1998 beschuldigte ihn schließlich ein 17-Jähriger, ihn vergewaltigt zu haben. Ein Vorwurf, der sich juristisch nicht erhärtete. Fashanu sagte, der Junge habe ihn vorher um Geld erpresst. Nach einer medialen Hetzjagd fand man ihn zwei Monate später erhängt in einer Londoner Hinterhofgarage.
In Gedenken an ihn hat seine Nichte Amal Fushanu 2019 eine Stiftung gegen Homophobie und Rassismus im Fußball gegründet. Auch sie kommt in der Doku zu Wort: »Nicht die Gesellschaft ist das Problem, der Fußball ist das Problem.« Damit löst sie den Fußball aus der Gesellschaft heraus. Als emotionales Statement mag dies nachvollziehbar sein; als Analyse greift es dennoch zu kurz. Natürlich ist die Homophobie des Fußballs Ausdruck der Homophobie der Gesellschaft.
Warum sich der Hass auf Schwule gerade im Fußball hält, wird in der Doku kaum beleuchtet. Ein Erklärungsansatz wird an mehreren Stellen wiederholt: Schwule gelten als weich, der Fußball als hart. Das erklärt auch, warum Homosexualität im Frauenfußball kein Tabu ist. Dass der Vergleich in der Doku nicht gezogen wird, ist schade, lässt sich doch so die Konstruiertheit von Stereotypen erklären.
Das Tabu vom schwulen Kicker wird im Films eindrücklich beleuchtet. Im Vordergrund stehen Einzelschicksale wie das von Fashanu oder Thomas Hitzlsperger, weniger gesellschaftliche Systematiken. Die Doku lässt aber auch hoffen: 2023 outete sich mit dem Tschechen Jakub Jankto erstmals ein aktiver Nationalspieler. Die Hasswelle blieb aus. Das macht Mut.
Verfügbar auf Prime Video.
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