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CDU gegen CDU: Senat bleibt bei Innenhof-Bebauung in Hellersdorf
Schwarz-Rot verdichtet an der Lily-Braun-Straße im Osten Berlins nach – und übergeht dabei den CDU-geführten Bezirk
Irgendwie wollte es niemand, und doch ist es passiert. Der grüne Innenhof an der Lily-Braun-Straße im Ostberliner Ortsteil Kaulsdorf soll bis Ende 2026 zwei großen Neubauten weichen. Eine straßenbegleitende Bebauung ist, wie der Senat nun mitteilt, endgültig vom Tisch. Die Planungen seien abgeschlossen, heißt es in einer aktuellen Antwort auf die schriftliche Anfrage des Linke-Abgeordneten Kristian Ronneburg.
Bis zuletzt hatte das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf auf eine Randbebauung der Grünfläche gedrängt. Doch diverse Gespräche zwischen den Verantwortlichen, nicht zuletzt zwischen Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic und dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (beide CDU), verliefen offenbar ergebnislos.
»Das war die reinste Zeitverschwendung«, stellt Ronneburg im Gespräch mit »nd« fest. Der CDU wirft der Linke-Politiker vor, bewusst mit den Erwartungen der Menschen im Kiez gespielt zu haben. Gerade im Bezirkswahlkampf habe die Partei immer wieder versprochen, gegen Innenhofbebauung vorzugehen. »Die CDU hat die Macht im Bezirk, die CDU hat die Macht im Land – und trotzdem kann sie ihre Versprechen nicht umsetzen.«
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Exakt 154 neue Mietwohnungen, verteilt auf zwei Gebäude, sollen bis Ende 2026 an der Lily-Braun-Straße entstehen. Das landeseigene Wohnungsunternehmen Stadt und Land, dem das Grundstück gehört, hat den Bau bereits beauftragt. Nur der Senat wäre noch in der Lage gewesen, das umstrittene Projekt zu stoppen. Im Grunde, so Ronneburg, sei das wegen drohender Schadensersatzansprüche aber nie eine Option gewesen. »Also hat die CDU im Bezirk zumindest so getan, als würde man etwas versuchen«, sagt der Linke-Politiker.
Bauvorbescheid unter der Linken
Bei den Entwicklungen an der Lily-Braun-Straße war die Linkspartei selbst allerdings nicht unbeteiligt: Im Sommer 2021 war unter der damaligen Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke) erstmals ein Bauvorbescheid unterzeichnet worden. »Die Nachverdichtungsmaßnahmen waren ein rot-grün-rotes Projekt«, sagt Axel Matthies von der Initiative Grüne Höfe Hellersdorf. Das Schicksal des grünen Innenhofs sei damals »hinter dem Rücken« der Anwohner*innen besiegelt worden. Für den Bauherrn habe die Unterschrift unter den Vorbescheid freie Fahrt bedeutet.
Ronneburg verteidigt die Entscheidung. »Ich verstehe, dass Herr Matthies einen Groll hat«, sagt der Linke-Abgeordnete. Der Vorbescheid sei dennoch korrekt gewesen, der von Stadt und Land vorgelegte Plan sei fehlerfrei gewesen. »Den Vorbescheid nicht zu unterzeichnen, wäre rechtlich gar nicht möglich gewesen.« Mit Juliane Witt sorgte dann vor gut einem Jahr eine weitere Linke-Politikerin an der Lily-Braun-Straße für Aufsehen. Die damalige Bezirksstadträtin für Stadtenwicklung in Marzahn-Hellersdorf verweigerte der Stadt und Land die Baugenehmigung und trat damit neue Diskussionen los.
»Das war eine kleine Heldentat von Frau Witt«, ergänzt Matthies. »Damit hat sie uns zumindest noch einen letzten Sommer mit grünem Hof beschert.« Wenn der Anwohner heute aus dem Fenster blickt, ist davon kaum noch etwas übrig. Es sei bereits alles weg, berichtet Matthies. Der Bagger rolle. Wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind, wird er auf seinem Balkon zur Ostseite höchstwahrscheinlich im Schatten sitzen. Etwa 20 Meter wird der Neubau laut Plan von seinem Mietshaus entfernt sein. »Sie haben uns die Ostsonne genommen«, sagt Matthies.
Den Vorschlag einer Randbebauung mit bis zu 120 Wohnungen geht nicht zuletzt auf seine Initiative zurück. Nun werde die Stadt und Land »zwei Riegel« zwischen die Wohnblöcke schieben: »Statt einem grünen Innenhof gibt es dann einen grauen Hinterhof.« Auch auf das landeseigene Wohnungsunternehmen hat der Anwohner Wut im Bauch. Ständig habe die Stadt und Land von einem anpassungsfähigen und flexiblen Typenbau gesprochen, der schnell und variabel umprojektiert werden könne. In Wirklichkeit sei man dazu zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen.
Grundlegendes Problem im Osten
Kritik übt auch Britta Krehl vom Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung. Das Vorgehen an der Lily-Braun-Straße sei kein Einzelfall, führt sie gegenüber »nd« aus: »Der SPD-geführte Bausenat möchte alles bebauen, was den Landeseigenen gehört, darunter auch Grünflächen und Spielflächen.« Diese aber gehörten zum Allgemeingut, seien wichtig für die gesunde Entwicklung der Kinder. Statt Grünflächen zu bebauen, biete es sich vielmehr an, leerstehende Büros zu nutzen, auf niedrigen Bauten aufzustocken oder bereits versiegelte Flächen wie beispielsweise Parkplätze zu bebauen.
»An der Lily-Braun-Straße wird wieder versiegelt, obwohl es einen Kompromissvorschlag gab«, sagt Krehl. Gerade in Berlins Osten sei das Problem altbekannt: »Weil das ostdeutsche Baurecht zur Wendezeit nicht übergeleitet wurde, wird ganz Ostberlin im Prinzip als Brache behandelt.« Meist greife dann der Lückenschlussparagraph 34 im Baurecht. Auch an der Lily-Braun-Straße ist das der Fall.
Die Stadt und Land verweist gegenüber »nd« auf ihren Auftrag, bezahlbaren Wohnraum in der Haupstadt zu errichten. Dies tue man »innerhalb des gesetzlich geregelten Rahmens«. Während der Bezirk Marzahn-Hellersdorf eine Anfrage am Montag unbeantwortet lässt, bekräftigt die Senatsbauverwaltung ihre Entscheidung. Man habe dem Widerspruch der Stadt und Land gegen die verwehrte Baugenehmigung stattgegeben. »Da das beurteilende Bauvorhaben im Wesentlichen dem Vorbescheid entspricht, tritt eine Bindungswirkung ein«, teilt die Bauverwaltung mit Blick auf die Entscheidung von 2021 mit.
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