Verfassungschutz und Frontex: Den Bock zum Gärtner gemacht

Sheila Mysorekar über Rechtsextremisten im Verfassungsschutz und bei Frontex

Fabrice Leggeri, 2017 als Direktor der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex
Fabrice Leggeri, 2017 als Direktor der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex

Haben Sie mitbekommen, dass der ehemalige Direktor der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex bei der kommenden Europawahl für die französischen Faschisten kandidieren wird? Bevor Sie nun denken, wieso sollte mich die Karriere irgendwelcher EU-Beamten interessieren, hier ein kleiner Hinweis: Rechtsextreme unterwandern unsere demokratischen Institutionen, in Deutschland und in Europa. Weil sie heutzutage nicht mehr mit Springerstiefeln, sondern mit Hemd und Krawatte unterwegs sind, entdeckt man sie nicht so leicht. Das macht sie umso gefährlicher.

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Der französische Spitzenbeamte Fabrice Leggeri leitete von 2015 bis 2022 die europäische Grenzagentur Frontex und baute die europäische Außengrenze zu der mörderischen Festung aus, wie wir sie heute kennen, Menschenrechtsverletzungen inklusive. Das Budget von Frontex stieg in seiner Amtszeit von sechs Millionen auf 750 Millionen Euro – nein, das ist kein Tippfehler. Die Militarisierung von Frontex und die Kooperation mit libyschen Mafiabanden dienten zu einem einzigen Zweck: Schutzsuchende aus arabischen oder afrikanischen Ländern davon abzuhalten, nach Europa zu kommen, koste es, was es wolle. Und es kostet vor allem Menschenleben; 2023 mindestens 2500 Tote im Mittelmeer – wahrscheinlich sehr viel mehr.

Sheila Mysorekar

Sheila Mysorekar ist Vorsitzende der Neuen Deutschen Organisationen, einem Netzwerk postmigrantischer Organisationen. Für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Schwarz auf Weiß«. Darin übt sie Medienkritik zu aktuellen Debatten in einer Einwanderungsgesellschaft.

Nun tritt Leggeri als Europa-Kandidat für die rechtsextreme französische Le-Pen-Partei »Rassemblement National« an mit der Aussage, dies sei ein »logischer Schritt, um die europäischen Grenzen zu schützen«. Damit ist jetzt klar, wo er politisch steht. Und wo er wahrscheinlich schon stand, als er als Frontex-Chef in unser aller Namen entschied, dass Menschenrechte für Geflüchtete zweitrangig seien.

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Was bedeutet es, wenn Rechtsextreme hochrangige Ämter bekleiden? Fabrice Leggeri bei Frontex oder Hans-Georg Maaßen als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV)?

Maaßen wurde nach der Aufdeckung der NSU-Serienmörder und ihrer Verbindung zum BfV an die Spitze dieser Behörde geholt, um aufzuräumen. Perfekte Bebilderung des Spruchs »den Bock zum Gärtner machen«: Nun wird Maaßen selbst vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall geführt. Er ist zwar nicht mehr im Amt, einer seiner langjährigen Freunde und Mitstreiter jedoch weiterhin: Dieter Romann, Präsident der Bundespolizei. Gerhard Schindler, ein weiterer Kumpel Maaßens, war jahrelang Präsident des Bundesnachrichtendienstes. Alle drei kennen sich gut; sie sind rechtskonservativ – oder noch weiter rechts.

Die Zeitschrift »Cicero« nennt Dieter Romann »eigenwillig«, das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) schreibt »umstritten«. Wenn man sich den Fall Maaßen anschaut, könnte man annehmen, es würde sich für jede Redaktion lohnen, auch mal Romann und Schindler auf den Zahn zu fühlen. Aber bisher vor allem Schweigen im Walde.

Seit das unabhängige Recherche-Team von Correctiv ein Geheimtreffen von AfD- und CDU-Mitgliedern sowie Identitären aufdeckte, wo die Deportation migrantischer Menschen geplant wurde, finden tagtäglich Demonstrationen gegen die AfD und für eine vielfältige Gesellschaft statt. Jetzt käme den Medien die Rolle zu, auf Grundlage des recht allgemeinen Anliegens der Massenproteste – »gegen Rechts« – konkrete Vorschläge zu formulieren, die darauf abzielen, den politischen Einfluss der Rechtsradikalen zu beschneiden. Dazu könnte beispielsweise ein Untersuchungsausschuss über die Amtszeit von Hans-Georg Maaßen als BfV-Präsident gehören. Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer hat dies bereits gefordert; außer der »taz« und der Wochenzeitung »Freitag« griffen dies jedoch nur wenige Medien auf.

Eigentlich wäre es ein normales journalistisches Vorgehen, an dem Fall Maaßen dranzubleiben; die gesamte deutsche Presse müsste jetzt richtig Druck machen. Hier hätte ich ein paar Vorschläge für Schlagzeilen, Copyright-frei: »Skandal: Rechtsextremist sollte Nazis jagen!«– »Deutschland will die Wahrheit: Was hat Maaßen vertuscht?« – »Rechtsextremer Undercover-Maulwurf im Verfassungsschutz« – »Er tarnte sich als Beamter: Rechtsextremer lebte von Steuergeldern«. Danke, gern geschehen. Dann macht mal.

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