DFL nach Investoren-Aus: Geldgier rüttelt jetzt an Grundsätzen

Nach den Fanprotesten sucht der Profifußball weiterhin nach Geldgebern – ohne sich die Sinnfrage zu stellen

Nach dem Protest ist vor dem Protest: Die Fans treibt, wie in Dortmund, weiterhin die Angst vor dem Ausverkauf des Fußballs um.
Nach dem Protest ist vor dem Protest: Die Fans treibt, wie in Dortmund, weiterhin die Angst vor dem Ausverkauf des Fußballs um.

Wer Ende der Woche beim Marktführer in Sachen Online-Kleinanzeigen das Stichwort »Tennisbälle« eingab, kam auf über 1100 Treffer. Nicht zu ermitteln war hingegen, wie viele der Anbieter Fußballfans waren, die die Bälle gehortet hatten, um ihre Proteste gegen den Einstieg eines Liga-Investors fortzusetzen.

Die und damit auch die zum Symbol gewordenen neongelben Bälle sind bekanntlich obsolet geworden, weil der Dachverband der 36 Profivereine, die Deutsche Fußball-Liga (DFL), die Verhandlungen mit dem umstrittenen Private-Equity-Unternehmen CVC am 21. Februar abgeblasen hatte. »Dieser Deal wurde am Ende von der Mehrheit der Klubs und der Fans nicht mehr akzeptiert«, sagte St. Paulis Vereinschef Oke Göttlich als Mitglied des DFL-Präsidiums: »Insofern war die Stopptaste richtig.« So sahen es auch dessen Kollegen Axel Hellmann von Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmunds Hans-Joachim Watzke. Letzterer ließ allerdings schon am Nachmittag des 21. Februar keinen Zweifel daran, dass die Pläne, mehr Geld aus der Auslandsvermarktung zu generieren, weiterverfolgt werden: »Die meisten werden schon sehen, dass wir etwas machen müssen, wenn wir uns als Bundesliga im Ausland etwas besser präsentieren wollen.«

Ziel des geplatzten Investoren-Deals war es, über eine Milliarde Euro an Fremdkapital einzunehmen und im Gegenzug bis zu acht Prozent der Medienrechte abzutreten. Mit einem Großteil des so erzielten Geldes hätte zum einen die Auslandsvermarktung der Liga gestärkt werden sollen. Zum anderen hätte man in die Digitalisierung investiert. Letzteres, weil die DFL nicht ohne Grund davon überzeugt ist, dass Teenager sich künftig nicht mehr für 90-minütige Spiele interessieren werden, sondern kurze, aufwendig produzierte Schnipsel konsumieren wollen.

Dass es unbedingt mehr Geld braucht, um den Profifußball weiterzuentwickeln, scheint dann auch von kaum einem Verein infrage gestellt zu werden. Lediglich Christian Keller, Geschäftsführer des 1. FC Köln, wirft die Frage auf, ob sich der deutsche Fußball nicht einmal überlegen sollte, wofür er stehen wolle: »Wenn wir wüssten, was wir wollen, wäre zum Beispiel klar, ob wir wirklich immer höhere Medienerlöse brauchen.« Auf Fan-Seite macht sich derzeit jedenfalls kaum jemand Illusionen, dass nicht schon bald der nächste Anlauf gestartet wird, mehr externes Kapital zu generieren. Die DFL hatte 600 bis 700 Millionen für die Investitionen veranschlagt, Geld in dieser Größenordnung wird man auch beim nächsten Versuch einzunehmen versuchen. Nach dem Desaster um den gescheiterten CVC-Einstieg scheint dabei indes zumindest die Bereitschaft gewachsen zu sein, alternative Modelle vorher in den Vereinen zu diskutieren.

Es dürfte dabei allerdings nur um die Modalitäten von »Schneller-höher-weiter« gehen. Nicht um die Frage, ob das Gros der Erst- und Zweitligisten wirklich etwas von der Internationalisierung hat. Oder gar, ob ein Geschäftsmodell, das auf Pump finanziert wird, zukunftsträchtig ist. An die vom Profifußball während der Coronakrise versprochene Demut erinnert sich jedenfalls kaum noch jemand. So blieben beispielsweise die Beteuerungen, die immer weiter steigenden Spielergehälter reduzieren zu wollen, nur leere Worte. »Der Fußball ist augenscheinlich noch nicht dazu bereit, vielleicht mal einen Schritt zurück zu machen«, sagt dazu Michael Becker, Geschäftsführer des Karlsruher SC. »Wenn jetzt noch mal Corona käme, hätten vermutlich viele Vereine wieder die gleichen existenziellen Probleme. Oft ist leider aber auch heute noch immer die Antwort auf alle Herausforderungen, dass mehr Geld benötigt wird.«

Die Hauptsorge bei der DFL ist derzeit dann auch eine andere: Die, dass Groß-Klubs wie der FC Bayern nach dem geplatzten Deal auf die Idee kommen, die Zentralvermarktung unter dem Dach des Ligaverbandes zu verlassen. Während sich der Rekordmeister derzeit öffentlich zurückhält, hat Fernando Carro, Geschäftsführer von Bayer Leverkusen, schon mal angeregt, dass künftig doch jeder Verein selbst entscheiden solle, ob er die 50+1-Regel beachtet oder nicht.

Interessant ist auch, was sich derzeit beim SV Werder Bremen tut. Dort haben sich acht Unternehmen und Privatiers rund um den langjährigen Spieler und Geschäftsführer Frank Baumann zusammengeschlossen und für 38 Millionen Euro rund 18 Prozent an der Spielbetriebs-GmbH & Co KGaA erworben. Auch der Drittligist Arminia Bielefeld lässt sich vom lokalen Netzwerk »Bündnis Ostwestfalen« unterstützen. Solche Modelle haben den Vorteil, dass sie auch kritischen Fans besser zu vermitteln sind, sowohl in Bremen als auch in Bielefeld hielten sich die Proteste in engen Grenzen.

Anders läuft es beim VfB Stuttgart, wo die Porsche AG für 41,5 Millionen Euro 10 Prozent der Anteile erworben hat. Das grundsätzliche Dilemma an Investoren-Einstiegen lässt sich im Schwäbischen derzeit prima beobachten: Wer so viel Kapital investiert, empfindet demokratische Kontrolle und die Voten von Mitgliederversammlungen in aller Regel nicht als segensreich. Beim VfB tobt hinter den Kulissen derzeit ein erbitterter Streit darum, wer künftig den Aufsichtsratsvorsitz innehat: Weiterhin der mit 92,3 Prozent gewählte Vereinspräsident Claus Vogt? Oder ein Kandidat, der Porsche genehmer ist?

Zum Thema erscheint in der kommenden Woche ein Buch des Autors. Christoph Ruf: Genug geredet! Die Irrwege der Bundesliga und die Inkonsequenz der Fans. Die Werkstatt, 22 €.

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