Berlin: Heimlich kürzt die BVG den Fahrplan der U8

Jede sechste Fahrt entfällt wegen Fahrzeug- und Personalmangels

Jetzt noch mehr Gedränge: Die U8 am Alexanderplatz
Jetzt noch mehr Gedränge: Die U8 am Alexanderplatz

Fahrgäste der U8 sind schon lange Kummer gewohnt. Nicht nur, weil der reguläre Fünf-Minuten-Takt schon seit Jahren dem Andrang kaum genügt, sondern auch weil gerade auf dieser Linie die sozialen Probleme Berlins in besonderer Dichte kulminieren.

Jetzt setzen die Berliner Verkehrsbetriebe der unbefriedigenden Lage der U8 noch eins drauf. Seit 22. Februar kommen die Züge der Linie tagsüber fahrplanmäßig nur noch alle sechs Minuten. Damit sinkt die Beförderungskapazität pro Stunde und Richtung je nach eingesetztem Zugtyp um 1300 bis 1500 Fahrgäste – immerhin ein Sechstel des Angebots wurde gestrichen.

Das ist keine so drastische Einschränkung wie auf der Straßenbahnlinie M4, wo im Berufsverkehr ohne große Ankündigung kürzlich jede dritte Fahrt gestrichen wurde. Trotzdem sinkt die sowieso schon bescheidene Attraktivität der U8 noch weiter.

Grund sind laut BVG bei der U-Bahn logischerweise nicht schlecht geschaltete Ampeln wie bei der Tram M4, sondern es ist eine Tunnelbaustelle. »Wegen der Arbeiten im Bereich Weinmeisterstraße mussten vorübergehend sogenannte Langsamfahrstellen eingerichtet werden. Diese haben Einfluss auf die Fahrzeiten und damit den Takt auf der Linie«, antwortet die Pressestelle auf Anfrage von »nd«. Wie so oft in den offiziellen Antworten der landeseigenen Anstalt öffentlichen Rechts, werden die Hintergründe damit höchstens gestreift, aber nicht ernsthaft beantwortet.

Glücklicherweise gibt es auch über Interna gut informierte Nutzer des Berliner Nahverkehrsforums, die dort ihre Informationen teilen. Die Baustelle an der Weinmeisterstraße ist nur eine von vielen auf der Linie. Sie brachte aber das Fass zum Überlaufen. Die Fahrzeiten in Richtung Hermannstraße haben sich deswegen um zwei Minuten und in Richtung Wittenau um eine Minute verlängert. Damit kann die tarifvertraglich vereinbarte Mindestwendezeit von vier Minuten an den Endpunkten nicht mehr eingehalten werden.

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Ein auskömmlich ausgestatteter Verkehrsbetrieb könnte das Problem durch den Einsatz eines zusätzlichen Zuges lösen. Doch der Insider nennt den tieferliegenden Grund der Kürzung: »Es gibt weder Reserven an Fahrzeugen noch an Fahrpersonal für einen zusätzlichen Umlauf.« Durch die Maßnahme würden sogar zwei Züge und das entsprechende Fahrpersonal eingespart, »sodass theoretisch eine Reserve bei Fahrzeugstörungen oder Personalausfall vorhanden ist«.

Die BVG-Pressestelle hebt lieber den positiven Aspekt für die Fahrgäste des nördlichen Streckenabschnitts der U8 hervor. Denn nun fährt jeder Zug bis Wittenau durch. An Wochentagen vormittags sowie am Wochenende endet sonst bisher jeder zweite Zug bereits am U-Bahnhof Paracelsus-Bad.

»Warum die Unternehmenskommunikation das nicht vorher mitgeteilt hat, ist mir bislang nicht erklärbar. Vielleicht gibt es da eine Vorgabe, nur für die Kundschaft gute Nachrichten zu verbreiten?«, schreibt der Insider im Forum. Es ist eine ungute Tradition der BVG, Betriebsprobleme so lange zu verschweigen, bis sich die Lage nicht mehr vertuschen lässt. Schon 2015 wurde über Monate eklatanter Fahrpersonalmangel bei der Straßenbahn auf Anfrage bestritten. Dieser war erst nicht mehr zu verschweigen, als der Landesbetrieb einen Notfahrplan veröffentlichte, damit die werte Kundschaft sich wenigstens darauf einstellen konnte, welche Fahrten denn nicht stattfinden.

Damals heuerte man für einige Monate sogar einige Straßenbahnfahrer aus Mainz an. Der dortige Verkehrsbetrieb hatte sie schon ausgebildet, benötigte sie jedoch bis zur Eröffnung der Neubaustrecke mit dem schönen Namen Mainzelbahn noch nicht. Angesichts des seit Jahren bundesweit grassierenden Personalmangels bei Verkehrsbetrieben nicht nur im Fahrbetrieb, sondern auch in den Werkstätten und Planungsabteilungen ist so etwas heutzutage eine utopische Vorstellung.

Die BVG bestreitet auf Anfrage von »nd«, nicht aktiv über die aktuelle Fahrplankürzung auf der U8 zu informieren. Sie verweist auf die im Internet veröffentlichten Bauinfos. In diesen findet sich in einer Fußnote zu baustellenbedingten spätabendlichen Pendelverkehren folgender Hinweis: »Tagsüber verkehrt die Linie im 6-Minuten-Takt.« Immerhin ist ein Ende absehbar: »Ab dem 22. März fahren die Züge wieder in den gewohnten Takten«, teilt die Pressestelle mit.

Wann auf der Straßenbahnlinie M4 wieder zum Normalfahrplan zurückgekehrt wird, darüber hüllt sich die BVG in Schweigen. Hier findet sich auch nach wie vor nicht mal versteckt in den Bauinfos eine offizielle Information über die drastische Angebotskürzung.

Die Pressestelle hatte angegeben, dass wegen zusätzlicher Bauampeln die Züge der M4 länger brauchen und deswegen an den Endhaltestellen die Wendezeiten zu knapp sind – weswegen Fahrten gestrichen werden mussten. Doch die Daten der Online-Fahrplanauskunft vor und nach dem Angebotsschnitt nähren Zweifel an der Darstellung. Die Fahrzeit zwischen Hackescher Markt und Falkenberg liegt unverändert bei 40 Minuten. Überschlägig gerechnet spart die drastische Fahrplankürzung mindestens sieben Kurse mit den entsprechenden Fahrpersonalschichten ein.

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