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BSW in Brandenburg: Neue Wählergruppen vor Kommunalwahlen

Bündnisse für Vernunft und Gerechtigkeit wollen bei der Kommunalwahl in Brandenburg antreten

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Selbst unter den vorerst handverlesenen Mitgliedern weiß nicht jeder, wie der komplette Name der neuen Partei lautet: »Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit« (BSW). Bezugnehmend darauf haben sich im Land Brandenburg jetzt aber einige Bündnisse für Vernunft und Gerechtigkeit gebildet, um an der Kommunalwahl am 9. Juni teilzunehmen. Einen Wiedererkennungswert in der Bevölkerung hat das allerdings nicht, denn der BSW-Namenszusatz »Vernunft und Gerechtigkeit« dürfte weithin unbekannt sein.

Ein »Bündnis MOL – Vernunft und Gerechtigkeit« mit dem früheren Linke-Kreisvorsitzenden Niels-Olaf Lüders als Kopf hat eine Liste für die Wahl des Kreistags in Märkisch-Oderland aufgestellt. In der Gemeinde Rüdersdorf bildete sich mit Blick auf die Kommunalwahl eine Wählergruppe »Bündnis Rüdersdorf für Vernunft und Gerechtigkeit«, in der zwei Personen mitwirken, die dort jetzt noch der Linksfraktion angehören.

Man hätte vielleicht vermuten können, dass Gemeindevertreter Göran Schöfer (Linke) zu ihnen stößt. Denn der frühere Inhaber des Kleinen Buchladens im Karl-Liebknecht-Haus gehört zum brandenburgischen Karl-Liebknecht-Kreis. Dort haben Anhänger von Sahra Wagenknecht zusammengefunden. Ein Wechsel von der Linken zu BSW kommt für Schöfer jedoch nicht infrage. »Man verlässt nicht die Partei von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg«, sagt er.

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Nachdem von der fünfköpfigen Rüdersdorfer Linksfraktion zwei Leute zu der BSW-nahen Wählergruppe gehen, ein dritter gerade weggezogen ist und der vierte wegen seines hohen Alters nicht erneut kandidieren will, bleibt Göran Schöfer übrig. Es sei ihm aber gelungen, drei Mitstreiter zu finden, die mit ihm gemeinsam in die Gemeindevertretung einziehen wollen, berichtet Schöfer. Diesen Donnerstag soll die Liste aufgestellt werden.

Derweil könnten nach Angaben von Niels-Olaf Lüders in Märkisch-Oderland außer in Rüdersdorf möglicherweise auch in den Städten Strausberg und Altlandsberg sowie in der Gemeide Hoppegarten BSW-nahe Listen ins Rennen gehen. Den Umweg über Wählergruppen müssen sie gehen, weil ein BSW-Landesverband Brandenburg noch nicht existiert. Überhaupt zählt die neue Partei im Bundesland erst 17 Mitglieder, weitere seien jedoch im Aufnahmeverfahren, erläutert der BSW-Landesbeauftragte Stefan Roth. Zum Vergleich: Die Linke hat in Brandenburg 4350 Mitglieder. Stefan Roth zufolge werden sich Wagenknechts Anhänger in ungefähr der Hälfte der 14 Landkreise und vier kreisfreien Städten auf den Stimmzetteln finden. »In der Uckermark organisiert zum Beispiel der frühere Intendant des Schwedter Theaters das Unterstützerbündnis«, sagt Roth und meint damit Reinhard Simon. »Es wird noch weitere Kreise geben. Da ist noch Bewegung drin.«

In der kreisfreien Stadt Brandenburg/Havel formierte sich eine BSW-nahe Wählergruppe »Bürger für Frieden, Vernunft und Gerechtigkeit«. Dass sich im Namen neben Vernunft und Gerechtigkeit auch der Begriff Frieden findet, hat eine besondere Bewandtnis. In Brandenburg/Havel gibt es ein Bündnis für Frieden, das im Herbst 2022 zwei große Demonstrationen organisierte. Jeweils 1000 bis 1500 Menschen haben teilgenommen, in der großzügigsten Schätzung sogar bis zu 3000. Aber nicht das sorgte für Schlagzeilen, sondern die Tatsache, dass damals einige Dutzend Neonazis und außerdem der AfD-Landtagsabgeordnete Lars Hünich mitgelaufen sind. Lars Hünich, das ist der Mann, der neulich für große Aufregung sorgte, weil er Ende Januar bei einem Stammtisch vor laufender Kamera des Senders ZDF sagte: »Wenn wir morgen in Regierungsverantwortung sind, dann müssen wir diesen Parteienstaat abschaffen.« Er will damit aber keineswegs gefordert haben, mit der Demokratie Schluss zu machen. Er wünsche sich im Gegenteil mehr Demokratie durch Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild, beteuerte Hünich.

Im Juni 2023 veranstaltete das Bündnis für Frieden in Brandenburg/Havel eine dann nazifreie Kundgebung mit 600 Teilnehmern gegen das Luftwaffenmanöver Air Defender – rund 200 Meter von dem Festplatz entfernt, auf dem sich zeitgleich die deutschen Streitkräfte beim Tag der Bundeswehr präsentierten. Bernd Lachmann und Heidi Hauffe vom Bündnis für Frieden wollen jetzt ebenso wie der Stadtverordnete und frühere Linksfraktionschef Andreas Kutsche bei der Wahl der Stadtverordnetenversammlung für die »Bürger für Frieden, Vernunft und Gerechtigkeit« kandidieren. Alle drei gehören zum vorerst kleinen Kreis der BSW-Mitglieder, die anderen neun Personen auf der Liste der Wählergruppe noch nicht.

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Erst einmal benötigt die Liste für jeden der drei Wahlkreise in der Stadt 20 Unterschriften von Unterstützern. »Sollten wir diese Hürde genommen haben, können wir uns mit voller Kraft in den Wahlkampf begeben«, sagt Heidi Hauffe. Anfang April wolle man konkrete kommunalpolitische Forderungen präsentieren, »um den Bürgern der Stadt Brandenburg ein seriöses politisches Angebot im Sinne von Frieden, Vernunft und Gerechtigkeit zu unterbreiten«.

Und Dominik Mikhalkevich – Sprecher des Bündnisses für Frieden und BSW-Mitglied – freut sich, »dass in der Brandenburger Stadtpolitik nun endlich eine Kraft entsteht, die konsequent friedens- und sozialpolitische Forderungen miteinander verbindet«.

Derweil nominierte seine frühere Partei – Die Linke – am 17. Februar 27 Kandidaten für die Stadtverordnetenversammlung, darunter Linksfraktionschefin Heike Jacobs, den Ex-Landtagsabgeordneten René Kretzschmar und die Kreisvorsitzende Christin Willnat. In den Vorstellungsreden spielten soziale Themen eine wichtige Rolle. »Die Linke möchte sich gerade für die Belange der Menschen einsetzen, deren Stimmen leider viel zu oft nicht gehört werden«, hieß es. Außerdem ließ der Linke-Kreisverband im vergangenen Jahr keinen Zweifel daran, was er über das Luftwaffenmanöver Air Defender und über das »Werben fürs Sterben« beim Tag der Bundeswehr denkt. Christin Willnat hatte seinerzeit erklärt: »Dieses Säbelrasseln lehnen wir strikt ab, denn Krieg darf niemals ein Mittel der Politik sein.«

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