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Letzte Generation in Berlin: Ungehorsame Versammlung
Klimaschützer der Letzten Generation starten mit neuen Protestformen in den Frühling
Ein ungewöhnliches Bild bot sich am Montagvormittag vor dem Schloss Bellevue in Berlin. Vor dem Amtssitz von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stand ein Tisch mit einem weißen Tuch darauf. Auf dessen Front war der Satz »Demokratie braucht Ehrlichkeit« zu lesen, daneben prangte ein schwarzes Herz in einem roten Kreis – das Logo der Klimaschützer-Initiative Letzte Generation (LG).
Kurz nach 10 Uhr nahmen dort sechs Aktive der Gruppe Platz, die mit vollem Namen »Letzte Generation vor den Kipppunkten« heißt. Sie waren gekommen, um ihre Protest- und Aktionsstrategie für die nächsten Monate vorzustellen. »Der Kleber bleibt zu Hause«, betonte LG-Sprecherin Carla Hinrichs und kündigte eine »Widerstandsfrühling« an. Allerdings blieb ihre Erklärung zunächst ein wenig phrasenhaft. So erklärte die Aktivistin, man wolle den »Elefant im Raum vor die Kamera zerren«, ließ aber offen, wer oder was der Elefant ist. Der Kapitalismus? Auch Nachfragen brachten keine klare Antwort. Der Physiker Rolf Meyer, ebenfalls einer der Sprecher der Gruppe, verneinte indirekt, indem er auf Unternehmen hinwies, die gern klimafreundlich produzieren wollen oder das schon tun.
Hinrichs übte gleichwohl deutliche Kritik an der Politik der Ampel-Koalition: »Die Krisen überschlagen sich, wir rasen mit Vollgas in eine Katastrophe und die Regierung befeuert diese Katastrophe weiter.« Daher starte die Letzte Generation jetzt ein neues Kapitel der Proteste. Die Parlamente hätten versagt, die Parteien hätten »absolut keinen Plan«. Den Bundespräsidenten forderte die Gruppe auf, eine Rede unter dem Motto »Hand aufs Herz – Demokratie braucht Ehrlichkeit« zu halten.
Hinrichs beklagte die Kriminalisierung ihrer Gruppe durch Politik und Justiz. Insbesondere Politiker von CDU und CSU forderten die Einstufung der Letzten Generation als kriminelle Vereinigung. »Das macht was mit uns«, sagte Hinrichs.
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In der Gesellschaft wollen die Aktivist*innen mit Aktionen Aufbruchstimmung erzeugen. Am kommenden Samstag geht es los mit »ungehorsamem Versammlungen« in mehreren Städten, so in Berlin, Leipzig, Regensburg und Karlsruhe.
Sozusagen eine Probe-Versammlung gab es bereits am 2. März auf der Elsenbrücke in Berlin-Treptow. Daran hätten sich auch viele Anwohner*innen beteiligt, die sich gegen den von Bundesregierung und Berliner Senat vorangetriebenen Weiterbau der Stadtautobahn A100 wehren, berichtete der Geowissenschaftler Nikolaus Froizheim. Er hatte zudem eine Karte mitgebracht, in der eingezeichnet ist, in welchen Ländern der Erde die Durchschnittstemperaturen in den letzten Monaten viel zu hoch waren. Froizheim appellierte direkt an Steinmeier: »Sie sind nun gefordert, Ehrlichkeit in die politische Debatte zu bringen! Auszusprechen, dass alles auf dem Spiel steht, was uns lieb ist! Auszusprechen, dass ein grundlegendes politisches Umsteuern notwendig ist! Stellen Sie sich hinter die Inhalte unserer Erklärung!«
Konkreter war der Beitrag von Eberhard Räder. Der Landwirt sagte, es mache ihn traurig, mit seinem Hof auch die Klimaprobleme an seinen Sohn weitergeben zu müssen. »Es reicht nicht, wie uns viele Politiker und die Agrarindustrie glauben machen wollen: Das System an sich wäre okay, man muss nur immer wieder mal Anpassungen machen, und dann läuft das schon.« Für Räder ist klar: »Wir sind auf dem Holzweg. Die Politik muss das Agrarsystem revolutionieren.« Er übte auch Kritik an Berufskolleg*innen, die sich gegen ökologische Maßnahmen wenden und teilweise von rechten Gruppen vereinnahmen lassen.
Ein Bündnis mit Landwirten, die sich an einem klimaneutralen Gesellschaftsumbau beteiligen wollen, scheint der Letzten Generation also gelungen zu sein. Von den Gewerkschaften war allerdings niemand auf dem Podium. Carla Hinrichs betonte indes, sie werte es als großen Erfolg, dass sich im Bündnis »Wir fahren zusammen« Klimaaktivist*innen und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zusammengeschlossen haben und gemeinsam für eine Verkehrswende kämpfen, die klimagerecht und sozial gerecht sei.
Aus dem Bundespräsidialamt kam am Montag nur eine relativ nichtssagende Mitteilung in Reaktion auf die Pressekonferenz: »Der Klimaschutz hat auch in einer Zeit internationaler Krisen und Kriege nichts an Dringlichkeit verloren«, erklärte das Büro von Steinmeier. Der Bundespräsident mache fortlaufend auf diese herausragende politische Aufgabe aufmerksam und plane für den 4. und 5. Juni wieder die Woche der Umwelt, um mit »Tausenden fachkundigen Gästen konkrete Wege zum Klimaschutz aufzuzeigen«. Alle, die sich »mit klugen Ideen, überzeugtem Engagement und ohne Rechtsbrüche an der Debatte für mehr Klimaschutz beteiligen, sind willkommen und stärken die Demokratie«.
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