Wien: Aktivismus gegen die Gasindustrie

Mit einem alternativen Gipfel protestierten Aktivistinnen gegen den fossilen Kapitalismus

  • Christian Bunke
  • Lesedauer: 4 Min.
Bereits 2023 gab es Proteste gegen die Europäische Gaskonferenz in Wien (Foto). Der diesjährige Gipfel wurde kurzfristig abgesagt.
Bereits 2023 gab es Proteste gegen die Europäische Gaskonferenz in Wien (Foto). Der diesjährige Gipfel wurde kurzfristig abgesagt.

Als für den 27. März eine Demonstration gegen die European Gas Conference angekündigt wurde, sagten die Veranstalter ihre Konferenz kurzerhand ab. Sie sei auf »unbestimmte Zeit verschoben«, wie Phill Hirons, Managing Director des Energy Council auf nd-Nachfrage mitteilte. Es habe zu starke Sicherheitsbedenken gegeben.

Die Gas-Konferenz ist eine Zusammenkunft von Vertreter*innen transnationaler Großkonzerne wie Blackrock und RWE sowie politischer Institutionen wie der Europäischen Kommission, der ukrainischen Regierung und der US-Botschaft in Wien. Ausgerichtet wird die Konferenz vom Energy Council, einem transnational tätigen Lobbyverband. Der ist wiederum in der Hand des zum Finanzkonzern Blackstone gehörenden Messeveranstalters Clarion Events.

In den vergangenen Jahren fand die Gas-Konferenz stets unter klandestinen Bedingungen statt, was für den Wirtschaftsstandort Wien bemerkenswert ist. Denn der ist unter anderem bekannt als international beliebte Messe- und Kongressstadt. Allein im Januar 2024 betrug der Umsatz für Übernachtungen in Wiener Hotels 68,5 Millionen Euro. Jeder Kongress wird normalerweise von der im Auftrag der Stadtregierung arbeitenden Wien-Touristik öffentlich beworben. Mit der Öffentlichkeitsarbeit sollen weitere Kongresse angeworben und somit noch höhere Gewinne für Flughafen, Hotels und Gastronomie erzielt werden.

Nicht so bei der internationalen Gas-Konferenz. Teilnehmer*innen verpflichten sich zur Verschwiegenheit nach außen. Ort und Zeitpunkt werden von den Veranstaltern üblicherweise geheim gehalten. Dass die Konferenz wegen Sicherheitsproblemen verschoben wurde, dementiert jedoch die Wiener Polizei. »In der international beliebten Kongressstadt Wien ist die Wiener Polizei in der Einsatzplanung und Einsatzdurchführung solcher Veranstaltungen sehr erprobt. Dass es zur Verschiebung dieser Veranstaltung gekommen ist, war daher keine Entscheidung der Wiener Polizei«, hieß es auf nd-Nachfrage in einer Stellungnahme der Landespolizeidirektion Wien.

Die diesjährige Absage der European Gas Conference wenige Tage vor deren Beginn wertet Attac Österreich auch als Erfolg der Proteste. »Gaskonzerne und ihre Lobbyist*innen wollen offensichtlich von demokratisch legitimem Klimaprotest nichts hören und sehen«, teilte der Sprecher der Organisation, Max Hollweg, in einer Reaktion auf die Absage mit. »Doch die Klimakrise verschwindet nicht, wenn fossile Konzerne den Protesten aus dem Weg gehen!«

Attac setzt sich für globale soziale Gerechtigkeit ein und zählt auch dieses Jahr zu den Mitveranstalter*innen des »People’s Summit«, eines Gegenkongresses zur Gas-Konferenz, der am Wochenende an verschiedenen Standorten in Wien abgehalten wurde. An dessen Eröffnungsveranstaltung am Freitagabend beteiligten sich rund 400 Menschen. Der »People’s Summit« will laut Selbstverständnis »Alternativen entfachen«. Im Zentrum der Diskussionen standen etwa Fragen nach neokolonialer Energiepolitik, Vergesellschaftung und einem klimagerechten Ausstieg aus fossilen Energien.

Gas-Lobby im Kolonialstil

Unter den Teilnehmer*innen des Gegengipfels war auch Roishetta Ozane von der Texas Campaign for the Environment aus den USA. Sie vertritt die Interessen von hauptsächlich schwarzen und lateinamerikanischen Gemeinden im Mississippi-Delta am Golf von Mexiko. Sie hat Handy-Videos dabei, die zeigen, wie Gasraffinerien in nächster Nähe von Wohnhäusern Gas abfackeln und den Nachthimmel taghell erleuchten. Eindrücklich erzählt sie von Kindern, die wegen der von den Raffinerien erzeugten Umweltverschmutzung an Asthma und anderen Krankheiten leiden, und über die Krebserkrankungen, die in der Region fast jeden Haushalt betreffen.

»Hier wird das Flüssiggas hergestellt, das von den USA aus nach Europa verschifft wird«, sagt sie gegenüber »nd«. »Euer Flüssiggas bringt uns um. Und es bringt den ganzen Planeten um. Zumindest Letzteres sollte euch in Europa nicht egal sein.« Gemeinsam mit Mitstreiterinnen ist Ozane in Wien, um unter anderem auf die Rolle der OMV hinzuweisen. Der österreichische Konzern sei an Verträgen beteiligt, um die Gasproduktion im Mississippi-Delta bis weit in die 2040er Jahre auszuweiten. »Das sind die Deals, die hier auf der Gas-Konferenz angebahnt werden«, kritisiert Ozane.

Bereits im vergangenen Jahr hatten die vom linken »Block Gas«-Bündnis organisierten Proteste eine Geräuschkulisse erzeugt, die der auf diskrete Hinterzimmerdeals abzielenden Gaslobby ungelegen gekommen sein dürften. So nahmen Tausende Menschen an einer Demonstration gegen die Gas-Konferenz teil, die rigoros durch die Polizei abgesichert wurde.

Hunderte beteiligten sich zudem an einem Versuch, den Konferenzort zu blockieren. Es gab Dutzende Verletzte, weil die Polizei mit Pfefferspray und Schlagstöcken gegen die Protestierenden vorging. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelte gegen 165 mutmaßliche Protestteilnehmer*innen wegen des Verdachts auf »schwere gemeinschaftliche Gewalt«. Im Februar dieses Jahres wurden dieses Verfahren ergebnislos eingestellt.

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