Rechter Druck auf die Tories

Britische Rechtsaußen-Partei Reform UK könnte an Konservativen vorbeiziehen

  • Sascha Zastiral, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Die britischen Tories haben sich von der skandalträchtigen Amtszeit des Chaos-Premiers Boris Johnson nie erholt. Auch Premierminister Rishi Sunak, im Amt seit Oktober 2022, ist es nicht gelungen, die Partei aus dem Umfragetief zu holen. Viele britische Wählerinnen und Wähler nehmen den Ex-Banker und Vielflieger als abgehoben und ideenlos wahr.

Nun droht selbst eine kleine rechtspopulistische Partei die Tories zu überholen: Reform UK, vormals die Brexit Party, liegt einer aktuellen YouGov-Umfrage zufolge nur noch vier Prozentpunkte hinter der konservativen Partei. Demnach würde Reform UK bei Parlamentswahlen derzeit 14 Prozent der Stimmen bekommen. Die Tories lägen bei 19 Prozent, Labour würde die Wahlen mit 44 Prozent haushoch gewinnen.

Aufgrund des in Großbritannien geltenden Mehrheitswahlrechts könnte der Vormarsch von Reform UK den Tories enormen Schaden zufügen. Denn in allen 650 Wahlkreisen gewinnt der Kandidat mit den meisten Stimmen, alle anderen Stimmen gehen verloren. Reform UK könnte daher in vielen Wahlkreisen die Stimmen rechts der Mitte spalten und so dafür sorgen, dass Tory-Kandidaten unterliegen.

Einige Analysten in Großbritannien denken schon laut darüber nach, ob Rishi Sunaks Partei auf eine ähnlich vernichtende Niederlage zusteuern könnte wie die Progressive Conservative Party in Kanada 1993. Die konnte damals, obwohl sie seit 1984 an der Macht war, gerade einmal zwei ihrer 169 Sitze halten, obwohl sie 16 Prozent der Stimmen erhielt.

Angesichts des sich anbahnenden Fiaskos bei den kommenden Wahlen, die in der zweiten Jahreshälfte erwartet werden, befürchtet man in der Downing Street offenbar eine Welle von Übertritten von Tory-Abgeordneten zu Reform UK. Den Auftakt machte Anfang vergangener Woche Lee Anderson. Sunak hatte den wortgewaltigen Tory-Abgeordneten, der bis Jahresbeginn sogar ein stellvertretender Parteichef war, kürzlich wegen islamophober Äußerungen über Londons Bürgermeister Sadiq Khan aus der konservativen Fraktion und aus der Partei ausgeschlossen. Anderson revanchierte sich, indem er sich Reform UK anschloss.

Die anhaltende Untergangsstimmung könnte dazu führen, dass weitere konservative Abgeordnete sich an Anderson ein Beispielnehmen. Mindestens 65 konservative Abgeordnete haben bislang erklärt, dass sie bei den kommenden Parlamentswahlen nicht wieder antreten werden. Andere könnten versuchen, einen wahrscheinlichen Verlust ihrer Sitze durch einen Parteiwechsel abzuwenden.

Dabei ist der rechte Flügel bei den Tories in den vergangenen Jahren dermaßen weit nach rechts gerückt, dass sich einige Abgeordnete gar nicht groß verstellen müssten. Der Parteichef von Reform UK, der Unternehmer Richard Tice, war bis 2019 selbst Mitglied bei den Tories. An der Gründung der Partei Ende 2018 als Brexit Party war der Rechtspopulist Nigel Farage beteiligt, der das Brexit-Referendum 2016 mitinitiiert hatte. Anfang 2020 benannte sich die Partei in Reform UK um. Farage gab den Vorsitz im März 2021 ab und ist heute Ehrenvorsitzender.

Die Partei ist maßgeschneidert für Wähler vom rechten Rand: Sie vertritt einwanderungsfeindliche Positionen und möchte die Energiewende stoppen und stattdessen mehr Erdöl und Gas fördern. »Woke« Ideologien sollen aus Klassenzimmern verschwinden und die Rundfunkgebühr abgeschafft werden. Der Parteislogan könnte kaum klischeehafter sein: »Let’s Make Britain Great«.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -