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G20-Rondenbarg-Prozess: In 15 Minuten zum Landfriedensbrecher?

Hamburger Landgericht konzentriert sich in Prozess gegen G20-Kritiker nur noch auf wenige Aspekte

Auch die Demonstration zum Auftakt des Rondenbarg-Prozesses gegen G20-Aktivisten wurde im Januar von einem martialischen Polizeiaufgebot begleitet.
Auch die Demonstration zum Auftakt des Rondenbarg-Prozesses gegen G20-Aktivisten wurde im Januar von einem martialischen Polizeiaufgebot begleitet.

Der mehrheitlich dunkel gekleidete Demonstrationszug am Morgen des 7. Juli 2017 sei zu Beginn »eine friedliche Versammlung« gewesen, betont die Vorsitzende Richterin Sonja Boddin in einer Erklärung, die sie am Donnerstag verlas. Offen bleibt für das Hamburger Landgericht, ob sich das während des etwa 15-minütigen Fußwegs bis zur Straße Rondenbarg änderte. Dort, so stellt die Kammer ebenfalls fest, sei das »polizeiliche Einschreiten«, bei dem mehrere Demonstrant*innen schwer verletzt wurden, »unverhältnismäßig« gewesen.

Vor Gericht stehen aber keine Polizisten, sondern erneut Personen, die sich an den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg 2017 beteiligten. An jenem frühen Freitagmorgen starteten vom Protestcamp im Volkspark Altona mehrere Demonstrationszüge des Bündnisses Block G20 in Richtung Hamburger Innenstadt, wo der Gipfel stattfand. Ihr Ziel war, die Zufahrtswege der Gipfelteilnehmer*innen zu blockieren. Der Demozug dunkel gekleideter Menschen schaffte es allerdings nicht in die Innenstadt, sondern wurde im Rondenbarg von der Polizei gestoppt.

In den Minuten davor sollen ein bis zwei Personen eine Gehwegplatte zerschlagen beziehungsweise zwei Baustellenplastikgitter auf die Fahrbahn gezogen haben, berichten Zeugen. Das Landgericht will nun klären, ob und ab wann die Demonstrierenden solche Sachbeschädiger unterstützten, indem diese in ihrer Demo »untertauchen« konnten. Dann käme eine Verurteilung der beiden Angeklagten wegen Landfriedensbruchs in Betracht. Das Gericht scheint eine Beweisführung in dieser Richtung anzustreben. Ob das für eine Verurteilung reicht und diese vor einer höheren Instanz Bestand hätte, ist jedoch fraglich.

Der dunkle Demozug schritt zügig voran. Konnten die Teilnehmer*innen überhaupt sehen, was alles um sie herum und insbesondere in ihrem Rücken geschah? Hätten sie selbst erkennen können, dass die friedfertige Versammlung eventuell kippte? Selbst das Gericht kann sich dazu nur schwer eine Meinung bilden. Außerdem ist gar nicht viel passiert: Es wurden weder Menschen angegriffen noch verletzt. Der Verkehr wurde nicht beeinträchtigt, die beiden Baustellengitter waren im Nu wieder von der Fahrbahn geräumt. Alles bewegte sich im Rahmen dessen, was in Hamburg in fast jeder Nacht einmal stattfindet. Warum sollte man deswegen seinen Protest beenden?

Auf einer Pressekonferenz der Verdi-Jugend Bonn berichtete im Dezember 2017 einer der heute Angeklagten über eine Szene während der Demonstration: Als eine vermummte Person auf die Scheiben einer Bushaltestelle einschlug, hätten mehrere Demonstrant*innen sie sofort zurückgerufen. Alle, die diese Szene miterlebten, konnten also davon ausgehen, dass das für Block G20 vereinbarte Aktionsbild für die große Mehrheit der Demoteilnehmer*innen galt.

Block G20 stand in der Tradition der Blockaden während des G8-Gipfels in Heiligendamm 2007 und von Dresden nazifrei 2010 und 2011, wo es jeweils verbindliche Absprachen gab, um möglichst vielen die Teilnahme zu ermöglichen. Auch im »Aktionsbild« von Block G20 hieß es: »Wir wollen eine für die Einzelnen und die Bezugsgruppen kalkulierbare Situation und Stimmung schaffen, die kreative Ausdrucksmöglichkeiten bietet und gleichzeitig für alle übersichtlich bleibt.«

Viele politisch Aktive wissen aus ihren Erfahrungen, dass die Polizei eine Versammlung auflösen kann und dann die Teilnehmenden dreimal zum Verlassen des Ortes auffordert, bevor sie eingreift und räumt. Das war die jahrelange Praxis und Rechtsprechung beispielsweise bei den Castor-Protesten im Wendland. In der Regel haben Demonstrant*innen dann dafür Zeit, sich zu entscheiden, ob sie ihren Protest an Ort und Stelle fortsetzen oder nicht.

Diese Zeit gab es am Morgen des 7. Juli 2017 am Rondenbarg nicht, weil die Polizei keine solchen Durchsagen tätigte, sondern die Demo sofort angriff. Damit verunmöglichte sie es, dass die Demonstrant*innen zu einem Delegiertentreffen zusammenkommen konnten, um zu entscheiden, wie mit der Situation umzugehen wäre. Ein solches Entscheidungsverfahren hatten die farbigen Demonstrationszüge von Block G20 ausdrücklich vorgesehen und vorher in Aktionstrainings geübt.

Das Gericht betont in seiner Erklärung, dass Zeug*innen, die den morgendlichen Demozug sahen, ihr »Unbehagen« ausgedrückt hätten. Aber das ist kein Wunder. Vor dem G20-Gipfel hatten die Medien Angst vor Protestierenden geschürt und teils sogar empfohlen, die Stadt zu verlassen. Alle wussten von den angekündigten Protesten, die von der Politik dämonisiert worden waren.

Wenn dann ein Bürger am frühen Morgen in seinem Fahrzeug einer größeren Menschenmenge begegnete, war er selbstverständlich verunsichert. Aber in keinem Fall war die Angst so groß, dass Menschen nicht mehr hinter der Demonstration herfuhren. Bei einem Zeugen war die Neugier sogar so stark, dass er am Abend noch ins Schanzenviertel fuhr, weil er dort die »Randale« miterleben wollte, wie er sagte.

Da das Gericht sich auf die letzten 15 Minuten der Demo fokussiert, wird das geplante Beweisprogramm verkürzt. So könnte der Prozess schon im Frühsommer enden. Die nächsten Termine finden am 11. und 12. April statt. Wie schon während der vergangenen Prozesstage werden vor allem weitere Zeugen gehört.

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