High Court: Teilerfolg für Julian Assange

Die Auslieferung an die USA wird auf die lange Bank geschoben

  • Sascha Zastiral, London
  • Lesedauer: 4 Min.

Wird dem Antrag auf Berufung des Australiers Julian Assange doch noch stattgegeben oder nicht? Das liegt in den Händen des High Courts in London. Der gab der US-Regierung in einer am Dienstagvormittag veröffentlichten Entscheidung drei Wochen lang Zeit, eine Reihe von Zusicherungen abzugeben. Sollten sich die USA weigern, würden die Richter Assange erlauben, ein weiteres Mal in Großbritannien gegen seine Auslieferung in Berufung zu gehen. »Werden diese Zusicherungen nicht abgegeben, dann wird die Erlaubnis zur Berufung erteilt und es wird dann eine Berufungsanhörung geben«, schrieben die Richter in einer Zusammenfassung ihres Urteils. Sollten die USA die geforderten Zusicherungen abgeben, »werden wir den Parteien die Möglichkeit geben, weitere Stellungnahmen abzugeben, bevor wir eine endgültige Entscheidung über den Antrag auf Erlaubnis zur Berufung treffen.«

So verlangen die Richter eine Bestätigung, dass sich Assange im Falle eines Verfahrens in den USA auf den Ersten Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten berufen könne. Dieser schützt die Meinungsfreiheit. Die Richter verlangten zudem Zusicherungen, dass Assange weder bei der Verhandlung noch bei der Verurteilung wegen seiner australischen Staatsangehörigkeit benachteiligt würde. Die USA müssten zudem zusichern, dass Assange im Falle einer Verurteilung nicht zum Tode verurteilt würde.

Nächste Anhörung am 20. Mai

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Das Urteil ist lediglich ein Teilerfolg für Assange. Die Richter wiesen einige andere Argumente von Assanges Anwaltsteam zurück – etwa, dass Assange wegen seiner politischen Ansichten verfolgt werde. Die nächste Anhörung soll am 20. Mai erfolgen. Dann werden die Richter darüber entscheiden, ob die USA die geforderten Bedingungen erfüllt haben.

Assanges Frau, die Anwältin Stella Assange, wiederholte nach der Entscheidung den Vorwurf, der US-Geheimdienst CIA habe geplant, Assange zu entführen und zu töten. Ein Investigativbericht im vergangenen Jahr legte nahe, Mike Pompeo, CIA-Direktor und Donald Trump, haben angeordnet, eine solche Operation zu planen. Unabhängig bestätigt sind diese Vorwürfe nicht.

Wikileaks-Anwältin Jennifer Robinson forderte die USA dazu auf, die Anklage gegen Assange ganz fallen zu lassen. »Das heutige Urteil zeigt, dass bei einer Auslieferung Julians an die Vereinigten Staaten ein echtes Risiko besteht, dass ihm der Schutz der freien Meinungsäußerung nicht gewährt wird.«

Die Risiken für Julian Assange und die für Pressefreiheit blieben trotz der Verzögerung des Urteils des High Courts hoch, sagte Michelle Stanistreet, Generalsekretärin der National Union of Journalists. »Die Verfolgung von Assange durch die USA richtet sich gegen Aktivitäten, die für investigative Journalisten tägliche Arbeit sind.«

Bei Auslieferung drohen 175 Jahre Haft

Assange drohen in den USA bis zu 175 Jahre Haft. Seine Enthüllungsplattform Wikileaks hatte 2010 und 2011 Hunderttausende interne Dokumente des US-Militärs und geheime diplomatische Depeschen veröffentlicht. Die Dokumente enthielten Hinweise darauf, dass es sowohl in Afghanistan als auch im Irak mehr zivile Todesopfer durch US-amerikanische und Koalitionstruppen gab, als Washington öffentlich zugab. Die brisanten Papiere deuteten zudem darauf hin, dass die USA wussten, dass irakische Sicherheitskräfte Kriegsgefangene folterten. Die Enthüllungen sorgten für einen weltweiten Aufschrei und brachten Washington in Erklärungsnot.

2019 verurteilte ein Gericht in London Assange zu 50 Wochen Haft, weil er gegen seine Kautionsauflagen verstoßen hatte. Der Wikileaks-Gründer landete im Belmarsh-Hochsicherheitsgefängnis im Osten Londons. Dort sitzt er bis heute fest. Denn nach seiner Festnahme machten die USA eine versiegelte Anklage aus dem Jahr 2018 öffentlich. Darin wurde Assange vorgeworfen, er sei Teil einer Verschwörung zum Eindringen in Computersysteme gewesen. Am 23. Mai 2019 fügte eine US-Geschworenenjury 17 Spionageanklagen hinzu.

Im Sommer 2022 genehmigte die damalige britische Innenministerin Priti Patel Assanges Auslieferung an die USA. Seine Anwälte versuchen seitdem, diese vor britischen Gerichten zu stoppen.

Die USA könnten den Aufschub dazu nutzen, um das scheinbar endlose juristische Hickhack abzukürzen und auf eine Auslieferung zu verzichten. Die Biden-Regierung steckt in Sachen Assange ohnehin in einem Dilemma: Präsident Barack Obama hatte während seiner Amtszeit aus Sorge um die Pressefreiheit darauf verzichtet, gegen Assange wegen der Leaks vorzugehen. Innerhalb der Biden-Regierung scheint es Überlegungen zu geben, Assange ein Vergleichsangebot zu machen, das es ihm erlauben würde, sich des weitaus weniger schweren Vorwurfs schuldig zu bekennen, Geheimdokumente fahrlässig behandelt zu haben. Alle anderen Anklagepunkte sollten im Gegenzug fallengelassen werden, berichtete das »Wall Street Journal«. Assanges Haftzeit in London könnte auf seine Strafe angerechnet werden. Er könnte schon in Kürze freikommen. Assanges Anwälte erklärten nach dem Bericht jedoch, sie wüssten nichts von einem solchen Vergleichsangebot.

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