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Der alte Sparwasser und der neue Ausverkauf des Fußballs
BallHaus Ost: Frank Willmann über zwei neue Fußballbücher
Wieder einmal hat die Sahara uns im Würgegriff. Während anderswo die Sonne scheint, kämpfen wir gegen Wüstenstaub, der es den lieben Kleinen fast unmöglich macht, die Ostergeschenke in Muttis SUV zu wuchten, wenn diese, nebst 999 weiteren Helikopterpilotinnen, am Tiergarten parken und dabei mit ausladendem Heck den letzten elf Ostermarschierenden den Garaus machen.
Das Auferstehungsfest bedeutet 2024 die Abwesenheit von Frieden, Bomben fallen wie Ostereier, es kann uns selbst ein wie Kaugummi in die Länge gezogener Spieltag nicht darüber hinweghelfen. Weil ich klug und listig bin, organisierte ich mir zwei smarte Schinken (Bücher), um über die hässlichen Tage zu kommen.
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Ronald Reng, der Schwiegermutterliebling des deutschen Fußballs, der ein buntes DFL-Magazin genauso gern wie die Apothekenzeitung mit Buchstabensuppe füllt, hat sich eines der größten Fußballdebakel der BRD vorgenommen. SPARWASSER. Zwischen »7, 8, 9, 10, Klasse!« passt immer noch ein Rengbuch, justament ist es fünfzig Jahre her, dass wir gegen uns spielten und gewannen, beziehungsweise verloren. Ronny the German wäre kein echter Ronny, würde er nicht mit viel Schmalz, Lokalkolorit Ost & West und überhaupt nicht wehtuenden Worten den alten Shanty von der Käsetheke grapschen. Ab in den Mixer, bissel RAF reingeknödelt und Zwischenmenschliches nicht vergessen: Die Freunde gepflegten Sofafußballguckens nebst ihren medialen Heroen bedanken sich brav für 428 Seiten banalisiertes Nichts. Piep, piep, piep, alle haben sich lieb, die DDR war doch gar nicht so schlimm, immer dieses Diktaturgerede, das waren doch Menschen, zumal deutsche Menschen! Ronald Konsalik, dich hat der DFB lieb und die DFL auch, das ist die Höchststrafe, die man als Sportschreiber abkriegen kann.
Glücklicherweise sitzen nicht alle Menschen im Zug nach Nirgendwo, manche Publizisten (in der trüben Suppe der Schmeichler, Mitesser und Resteverwerter) gehen kritisch mit dem Fußball ins Gericht. Christoph Ruf ist einer von ihnen. Er hat einen Weckruf herausgebracht, ein Wut-im-Bauch-Buch. Darin knöpft er sich die Lügen der Fußballindustrie vor. Von wegen nachhaltig wirtschaften und aus dem Fastkollaps der Coronazeit Lehren ziehen! Die gefrorenen Hirne der Strippenzieher monetarisieren aufs Schönste die Vereinsliebe der Fans, denen Teilhabe vorgegaukelt wird. In Wirklichkeit geht der Griff tief in die Tasche der Konsumenten, die an der großen Melkmaschine hängen, während der eingebettete Journalismus sie mit rührseligem Müll berieselt. Ein klassisches Nestbeschmutzerbuch, ein Aufschrei. Videobeweis, CR7, der Ausverkauf über die Ffia in die Golfstaaten, Korruption, Bestechung, Misogynie – der Fußball 2024 ist ein Spielball in der Hand finstrer Kräfte.
Keiner bläst die Tröte der Rührseligkeit besser als Reng, keiner zeigt uns den Kaiser so nackt wie Ruf.
Ronald Reng, 1974 – Eine deutsche Begegnung. Piper, 432 S., geb., 24,90 €.
Christoph Ruf, Genug geredet!: Die Irrwege der Bundesliga und die Inkonsequenz der Fans. Die Werkstatt, kart., 22 €.
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