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Mit Geld und Zensur zum Tscheburnet

Russland will eine Alternative zu Youtube mit regierungsfreundlichen Inhalten etablieren

  • Ewgeniy Kasakow
  • Lesedauer: 5 Min.
Der ultrapatriotische Sänger Shaman ist eines der Zugpferde, das User auf russische Plattformen lenken soll.
Der ultrapatriotische Sänger Shaman ist eines der Zugpferde, das User auf russische Plattformen lenken soll.

Seit einiger Zeit treibt die Puppe »Politologe Mark Arkadjewitsch« ihr Unwesen im sozialen Netzwerk Vkontakte. Für das russische Publikum ist die Figur mit krausen Haaren und großer Brille allein schon an ihrem Namen und Vatersnamen als jüdisch zu erkennen. Mark Arkadjewitsch soll die Karikatur eines liberal-prowestlichen Oppositionellen darstellen, der mit starkem englischen Akzent gängige Vorstellungen vorbringt, die von anderen Figuren der Show entkräftet werden. So sinniert er beispielsweise mehrere Folgen lang über den Ursprung der Demokratie und wie die USA ihren American Way daraus gemacht haben. »Für so ein riesiges Land wie Russland mit seinen Besonderheiten und Herausforderungen wäre es zu riskant, das Schicksal des Staates dem Zirkus der Parteifraktionen zu überlassen«, antwortet ihm eine Puppe in traditioneller russischen Bauerntracht auf das liberale Gesimpel.

Die Puppenshow um Mark Arkadjewitsch ist nur eine von vielen Shows, die seit Beginn des Ukraine-Krieges in rauen Mengen für ein jüngeres Publikum produziert werden. Für Russlands Opposition ist die aktuelle Flut von neuen Netzformaten mit mal besser, mal schlechter umgesetztem propagandistischen Gehalt keine Überraschung. Liberale Medien wie auch der marxistische Blog »Westnik Buri« (»Der Sturmverkünder«) verweisen seit einiger Zeit darauf, dass der russische Staat die Reichweite von Youtube zurückdrängen will. Immer wieder fordern Politiker, die Videoplattform wegen der Verbreitung »feindlicher Informationen« zu blockieren. Wohl wissend, dass viele russische Nutzer damit verärgert würden.

Moskau will Vkontakte statt Youtube

Auf seinem Weg zum isolierten souveränen Internet, scherzhaft nach einer beliebten Comicfigur auch Tscheburnet genannt, ist dem russischen Staat kaum eine Social-Media-Plattform so sehr ein Dorn im Auge wie das Videoportal Youtube. Gibt es hier doch neben viel Unterhaltung auch reichlich oppositionellen Inhalt. Mit einem Werbeverbot bei »ausländischen Agenten«, »unerwünschten« oder »extremistischen« Organisationen versucht die Regierung seit Neuestem gegen Letzteren vorzugehen.

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Wichtiger als die Sperrung unerwünschter Meinung ist es aber, möglichst viele Nutzer auf Vkontakte oder Rutube zu bekommen. Dafür werden weder Kosten noch Mühe gescheut. Unpolitische Blogger und Comedians erhalten Anreize, ihre Videos auf den russischen Plattformen hochzuladen. Neue Formate sprießen aus dem Boden, neue Serien gehen in die Produktion.

Kreml will Basis für geistige Erziehung

Dass das Geld für die Puppenshow »Politologe Mark Arkadjewitsch« und andere Sendungen, in denen unter anderem die russische Sicht auf die Geschichte verbreitet wird, vom Institut für die Entwicklung des Internets (IRI) stammt, ist kein großes Geheimnis. Bereits seit 2014 verteilt die »autonome gemeinnützige Organisation« großzügig finanzielle Mittel. Fünf Jahre später veranlasste Präsident Wladimir Putin, eine »Basis« für die Verbreitung von Inhalten zur »geistig-sittlichen Erziehung der Jugend« über das Internet zu schaffen. Den Zuschlag dafür erhielt das IRI.

Seitdem schreibt das IRI eine Sendung nach der anderen aus. Nicht alles, was die Organisation mitfinanziert, ist politisch oder rundum unkritisch. Ende 2023 wurde die Miniserie »Slowo pazana« (»Das Wort des Jungen«) über Jugendbanden in der tatarischen Hauptstadt Kasan gegen Ende der Sowjetunion zu einem sensationellen Erfolg, und das im gesamten postsowjetischen Raum. Vor allem in Kiew schäumte die Regierung, dass die Menschen im Land ausgerechnet eine Sendung des Kriegsgegners schauten. Aber auch die eifrigen Sittenwächter in Russland waren empört, wird doch in jeder Folge übermäßig geraucht, geflucht und Prügel verteilt.

Patriotische Inhalte erhalten meiste Förderung

Daneben unterstützt das IRI auch reine Gute-Laune-Formate wie eine »Nachrichtensendung mit ausschließlich positiven Nachrichten«, Beiträge über die Natur der verschiedenen russischen Regionen und Seifenopern.

Die größten Profiteure bleiben aber die Hauptakteure des »Z-Patriotismus«: Egal ob der Blogger Stas Wasiljew, der bis vor Kurzem noch für die Propagandaspeerspitze Wladimir Solowjow gearbeitet hat, verschiedene »Kriegsberichterstatter«, Betreiber loyaler Telegram-Kanäle oder Musiker wie der neue patriotische Superstar Shaman – sie kommen in den Genuss gut dotierter Preise für ihren Beitrag zum »Jugendcontent«.

Contentmaker werden mit Millionen gelockt

Allein im vergangenen Jahr verteilte das IRI 20,7 Milliarden Rubel (208 Millionen Euro). Für 2024 stehen nach Angaben der Medienforscher von Mediascope immerhin 18,2 Milliarden Rubel (183 Millionen Euro) zur Verfügung. Damit werden Berichte über die »neuen Regionen« oder direkt von der Front finanziert, aber auch Schilderungen des Leidens ausgewanderter Russen, dem die vielen Perspektiven für die Jugend daheim in Russland gegenübergestellt werden. In Talk-Formaten reden jugendliche Moderatoren mit verdienten Patrioten wie dem Milliardär Konstantin Malofejew, Gründer des rechts-monarchistischen Internetsenders Zargrad und Finanzier der Russki mir (der russischen Welt), oder mit Teilnehmern der »Spezialoperation«. Geplant sind auch Serien mit bekannten Darstellern über die Geschichte des Donbass oder den schädlichen Einfluss ausländischer Internetplattformen auf Kinder und Jugendliche.

Dass Russland ausgerechnet das einst schon abgeschriebene Vkontakte als Alternative zu Youtube aufbauen will, kommt nicht überraschend. Das Netzwerk gehört Wladimir Putins engem Freund Juri Kowaltschuk und der Gazprom-Media Holding. Den Posten des Generaldirektors bekleidet Wladimir Kirijenko, Sohn des stellvertretenden Leiters der Präsidialverwaltung Sergei Kirijenko. Als Wechselanreiz zahlt Vkontakte Bloggern bis zu 6 Millionen Rubel (60 200 Euro), wenn sie das Netzwerk bewerben. Dass der Kampf gegen Youtube aber nicht allein mit Zuckerbrot gewonnen werden kann, dürfte allen Beteiligten klar sein. Dafür gibt es die Zensur.

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