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Europäische Investitionsbank: Militarisierung der EU-Hausbank
Viele Staaten und das Europaparlament wollen neue Finanzquellen für Rüstungsprojekte erschließen
»Mehr, besser, gemeinsam und in Europa« sollen die EU-Staaten zukünftig in Rüstungsprojekte investieren. So heißt es in der ersten »Europäischen Industriestrategie für den Verteidigungsbereich«, die kürzlich von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wurde. Gemeinsame Rüstungsprojekte, aufgestockte nationale Wehretats, die Lieferung von Waffen und Munition an die Ukraine – die finanziellen Herausforderungen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten nehmen demnach zu.
Gleichzeitig werden die öffentlichen Haushalte durch Konjunkturschwäche, steigende Zinssätze, Demografie sowie grüne und digitale Transformation finanziell herausgefordert. Angesichts dieser kostspieligen Gemengelage suchen EU-Regierungen nach neuen Finanzquellen außerhalb der regulären Haushalte. Auf dem Treffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs vor zwei Wochen in Brüssel nahm das Thema Fahrt auf. Die Regierungen von 14 EU-Staaten, darunter Frankreich, Italien und Polen, hatten zuvor in einem Brief an EU-Ratspräsident Charles Michel gefordert, die Europäische Investitionsbank (EIB) in Luxemburg müsse ihre Finanzierung »in Einklang mit den neuen Prioritäten« bringen. Unterschrieben hat den Brief auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Mit den »neuen Prioritäten« ist gemeint, dass die EU künftig auch eine gemeinsame Verteidigungspolitik anstrebt. Davon ist man in der Brüsseler Praxis zwar noch weit entfernt, aber die Umrüstung der EIB könnte ein großer Schritt in diese Richtung sein. Die Investitionsbank, die Wirtschaftspolitik durch Kreditvergabe im Auftrage der Europäischen Union betreibt, ist mit einer Bilanzsumme von über einer halben Billion Euro das größte multilaterale Finanzierungsinstitut der Welt. Im vergangenen Jahr vergab sie neue Finanzierungen über 87,9 Milliarden Euro. Ihrem Selbstbild nach ist die EIB »einer der wichtigsten Geldgeber für den Klimaschutz«. Zugleich fließt etwa die Hälfte ihrer Mittel in sogenannte Kohäsionsregionen, gemeint sind damit wirtschaftlich weniger entwickelte Gebiete vornehmlich in Mittel- und Osteuropa.
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Bisher verbietet das Mandat der Bank, Rüstungsprojekte zu finanzieren. Es ist ausdrücklich untersagt, in Munition, Waffen sowie »zentrale militärische und polizeiliche Infrastruktur« zu investieren. Den Anstoß für den Umbau hatte das Europaparlament gegeben. Die Abgeordneten riefen Ende Februar die Spitze der EIB dazu auf, ihre Beschränkungen für die Finanzierung der Rüstungsindustrie aufzuheben. Die milliardenschwere Hausbank der EU soll ihre sicherheitsrelevanten Investitionen erhöhen. »Das Parlament fordert die EIB auf, ihre Unterstützung für die europäische Verteidigungsindustrie zu verstärken«, heißt es in der mit großer Mehrheit angenommenen Entschließung. In einem von der liberalen Fraktion Renew eingebrachten Ergänzungsantrag wird daraus Klartext: Das Luxemburger Kreditinstitut wird aufgefordert, seine Kriterien für die Förderungswürdigkeit von Investitionen zu überarbeiten, »damit Munition und militärische Ausrüstung nicht länger von der Finanzierung durch die EIB ausgeschlossen sind«.
Auch Olaf Scholz und die anderen Briefschreiber setzen auf eine großzügige Auslegung des 2012 beschlossenen EU-Vertrags. In Artikel 309 des »Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union« sind die Aufgaben der Förderbank beschrieben: Neben der Kohäsion sind dies Projekte zur Förderung des Binnenmarktes sowie »Vorhaben von gemeinsamem Interesse für mehrere Mitgliedstaaten, die wegen ihres Umfangs oder ihrer Art mit den in den einzelnen Mitgliedstaaten vorhandenen Mitteln nicht vollständig finanziert werden können« – ein Gummi-Paragraf.
Um diesen für Rüstungsprojekte auszunutzen, würde wohl eine einfache Mehrheit der EU-Staaten ausreichen. Damit wäre eine offizielle Änderung des EIB-Mandats zu umschiffen, die nur mit einer Vertragsänderung möglich wäre: Eine solche müssten alle 27 Mitgliedstaaten einstimmig beschließen, was unwahrscheinlich erscheint. So dürften sich Ungarn oder die Slowakei aus politischen Gründen verweigern. Und der österreichische Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sorgt sich bereits um das sogenannte ESG-Rating der EIB – ein Gütesiegel für nachhaltige Investments, an dem viele institutionelle Investoren ihre Anlageentscheidungen ausrichten. Kreditvergabe für Rüstungsprojekte könnte zu einer Herabstufung der EIB führen und so deren Refinanzierung verteuern. Sprich: Für sie würde die Geldbeschaffung am Finanzmarkt teurer, was sich auch negativ auf die eigene Kreditvergabe auswirken würde. Auch in der Bank selbst ist laut »Handelsblatt« ein Strategieschwenk daher umstritten. Eine Entscheidung über eine mögliche Mandatserweiterung wird beim EU-Finanzministertreffen im Juni erwartet.
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