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»Als Mieter bei Heimstaden hast du eigentlich einen Zweitjob«

Ein Gespräch mit Stop Heimstaden über die Geschäftspraxis des Immobilienkonzerns und Gegenwehr

  • Interview: David Rojas Kienzle
  • Lesedauer: 6 Min.
Auch für Heimstaden gilt: Die Häuser denen, die drin wohnen!
Auch für Heimstaden gilt: Die Häuser denen, die drin wohnen!

Seit 2020 gibt es die Stop-Heimstaden-Vernetzung von Mieter*innen des Immobilienkonzerns. Was macht Heimstaden denn zu einem Vermieter, gegen den man sich organisieren muss?

Heimstaden ist ein Wirtschaftsunternehmen, dem es um Profit geht. Danach wird alles ausgerichtet. Dass sie das mit Wohnungen machen, liegt nur daran, dass das, als sie angefangen haben, profitabel war. Wenn es mehr Geld gebracht hätte, hätte Heimstaden auch Zahnbürsten verkauft oder Klopapier hergestellt. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Stadt und auf uns Mieter*innen. Die Interessen von uns Mieter*innen sind zweitrangig, auf die kommt es nicht an. Die werden ein bisschen bedient, damit Heimstaden keinen Ärger mit dem Gesetz bekommt. Aber es ist nicht Ziel, Vermieter zu sein, das Ziel ist es, Profit zu machen und so viel Geld wie möglich aus uns rauszuziehen.

Wie zeigt sich das konkret?

Im letzten Herbst etwa gab es sehr viele Mieterhöhungen, von denen geschätzt die Hälfte falsch war. Etwa die Hälfte der Verträge sind Indexmietverträge. Bei diesen war die Fehlerquote geringer. Aber auch da gab es Fehler. Bei den anderen Mietverträgen, die nach ortsüblicher Vergleichsmiete erhöht werden, war eigentlich durch die Bank weg so gut wie alles falsch. Ich habe ganz selten gehört, dass ein Mieter gemeint hat, dass alles in Ordnung gewesen sei.
Wir haben das halbwegs in den Griff bekommen mit einer großen Aufklärungskampagne. Heimstaden hat eingelenkt und gesagt, dass sie die fehlerhaften Mieterhöhungen korrigieren – was aber nicht vollständig geschehen ist. Gleich danach ging es aber weiter mit den Nebenkostenabrechnungen. Wenn die in der Frist waren, waren auch da Fehler drin. Eigentlich hätten die Abrechnungen bis zum 2. Januar 2024 bei uns im Briefkasten sein müssen, aber sehr oft kamen sie später. Dadurch entfällt jeglicher Nachzahlungsanspruch: Heimstaden darf von uns dann keine Nachzahlungen fordern. Machen sie aber trotzdem. Schlimm genug, dass sie die Abrechnung nicht rechtzeitig zustellen, aber dann noch auf etwas zu bestehen, auf das sie keinen Anspruch haben, ist unglaublich dreist.

Interview

Katja ist bei »Stop Heimstaden« organi­siert. Stop Heimstaden hat sich im Oktober 2020 gegründet, als Heimstaden angefangen hat, im großen Stil in Berlin Immobilien zu kaufen. Seit der schwedische Immobilienriese Ende 2021 die Häuser von Akelius übernommen hat, sind auch die schon bei Akelius organisierten Mieter*innen Teil der Vernetzung.

Man könnte ja sagen, das sind Fehler, die passieren.

Es geht aber immer weiter mit den Problemen. Mit fehlender Instandhaltung, mit wirklich gravierenden Mängeln und Schäden an Häusern, die ewig nicht repariert werden, mit einer Nicht-Kommunikation von Heimstaden. Als Mieter bei Heimstaden hast du eigentlich einen Zweitjob. Du gehst arbeiten, um die hohe Miete zu bezahlen, kommst nach Hause und musst dich mit deinem Vermieter auseinandersetzen, der kaum mit dir kommuniziert, der ständig irgendwelches Geld von dir haben will. Man rennt zur Mietrechtsberatung und klärt das, dann kommt schon das nächste Schreiben. Das geht gar nicht. Wir sind ja nicht hauptberuflich Korrektoren bei Heimstaden.

Das sind ja Sachen, die euch als Mieter*innen betreffen. Du hast aber gemeint, dass das die ganze Stadt betrifft.

Heimstaden ist zweitgrößter Vermieter in Berlin. Wenn ich in einem Heimstaden-Haus wohne und bei mir die Miete aufs Maximale und vielleicht noch darüber hinaus erhöht wird, dann fließt diese Miete in den Mietspiegel ein und betrifft alle anderen in Berlin auch. Jeder Vermieter kann dann die Miete an die »ortsübliche Vergleichsmiete« anpassen. Und diese Vergleichsmiete hat Heimstaden mitverschuldet. Heimstaden treibt die Mieten massiv hoch. Die Wohnungsnot tut ihr Übriges. Der Druck steigt in allen Bereichen des Lebens.

Auch der Druck, Missstände auszuhalten.

Deshalb sage ich ja: Zweitjob. Wir sind in einer Situation, in der die Leute sagen, dass sie das zahlen würden, nur um ihre Ruhe zu haben. Aber man kann das nicht mehr zahlen. Viele Leute wehren sich zunehmend, weil sie nicht anders können. Aber das ist nicht gesund, das ist toxisch.

Als Initiative steht ihr offensichtlich vor vielen Herausforderungen. Was ist denn eure Praxis dagegen?

Viele Häuser sind in sich organisiert. Die berlinweite Stop-Heimstaden-Vernetzung arbeitet auf drei Ebenen. Wir helfen jeder Mieterin und jedem Mieter, wenn Probleme da sind und wir verteidigen jeden Mietvertrag. Wir sind für individuelle Probleme ansprechbar. Die zweite Ebene ist, dass wir sehr genau beobachten, was Heimstaden macht. Wir sammeln Infos und streuen diese wieder an die Mieter*innen, die Presse, die Wissenschaft, die Politik. Die dritte Ebene ist die der Politik. Wir stellen politische Forderungen und tun uns mit Bündnispartner*innen zusammen, um eine Korrektur der verfehlten Wohnungspolitik zu erzwingen, also um eine politische Stimme zu haben und uns in den Diskurs einzuschalten. Wir treten als Kollektiv auf. Es gibt ja ein unglaubliches Ungleichgewicht. Heimstaden ist ein milliardenschwerer Konzern, der europaweit agiert, der zweitgrößte private Vermieter Europas. Dem gegenüber stehen wir als vereinzelte Mieter*innen. Wir haben keinen Einfluss. Nur wenn wir uns zusammenschließen, haben wir eine Chance. Und das ist eben Stop Heimstaden, unsere Erfahrungen austauschen, uns gegenseitig helfen und unsere ganzen Fähigkeiten zusammenbringen.

Was habt ihr in nächster Zeit vor?

Es sind ja aktuell die Housing Action Days bis zum 7. April. In diesem Rahmen machen wir am 6. April, 15 Uhr, eine Kundgebung vor der Zentrale von Heimstaden in Berlin, am Erkelenzdamm 11–13. Wir rufen alle auf – nicht nur die Mieter*innen von Heimstaden, sondern die ganze Stadt – sich daran zu beteiligen. Weil es eben alle betrifft. Deswegen sind alle herzlich eingeladen, ihren Protest auf die Straße zu bringen.

Und was fordert ihr?

Wir haben eigentlich einen sehr großen Forderungskatalog. Für die Kundgebung am Samstag sind wir aber relativ zahm geblieben. Alles, was wir fordern, ist, dass Heimstaden seinen Job macht. Dass sie sich an die Gesetze halten, die gelten. Dass sie keine falschen Mieterhöhungen rausschicken. Dass sie für die zu spät abgeschickten Nebenkostenabrechnungen keine Mahnungen verschicken. Dass sie die Leute nicht verunsichern. Wir fordern, dass sich Heimstaden an die Vereinbarung des Zentralen Immobilien Ausschusses ZIA hält, in dem sie Mitglied sind, also die Mieten nur um maximal elf Prozent erhöht werden. Dem ZIA ist es egal, dass Heimstaden sich nicht daran hält. Dem Senat ist es egal, dass Heimstaden sich nicht daran hält. Aber uns Mieter*innen ist das nicht egal. Wir fordern, dass zumindest die mageren Vereinbarungen aus dem Wohnungsbündnis eingehalten werden. Da sehen wir den Senat in der Pflicht. Und wir fordern natürlich immer noch die Vergesellschaftung von Heimstaden und Co.

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